Bauwerk
Autofreie Mustersiedlung
ss|plus architektur - Wien (A) - 1999
Wo es ohne Autos geht
In Wien-Floridsdorf wurde Anfang der 2000er-Jahre die autofreie Mustersiedlung bezogen. Autofrei ist die Siedlung bis heute – auch wenn vereinzelte Bewohner sich einen Pkw angeschafft haben.
8. September 2021 - Franziska Zoidl
Der Lieferwagen des Paketdienstes muss bei der autofreien Mustersiedlung in Wien-Floridsdorf draußen parken. Und sogar die beiden jungen Männer auf ihrem E-Scooter drehen nach ein paar Kurven wieder in Richtung Straße um – falsch abgebogen, zurück in die Wiener Verkehrsrealität.
In dieser sticht die autofreie Anlage mit ihren rund 244 Wohnungen auch mehr als 20 Jahre nach Fertigstellung immer noch hervor. Parkplätze für Bewohnerinnen und Bewohner gibt es keine. Eine kleine Tiefgarage mit 24 Stellplätzen wurde zwar errichtet, in der, so der Ursprungsgedanke, Carsharing-Autos geparkt werden sollten. Heute stehen hier unten einige wenige Motorräder und ansonsten viele, viele Fahrräder fein säuberlich aneinandergereiht. Von zwei Fahrrädern pro Haushalt war man bei der Planung ausgegangen. Es sind mehr, sagt Stephan Lanner, der seit der Fertigstellung in der Siedlung wohnt.
Trotzdem: „100 Prozent autofrei war die Anlage nie“, erzählt er bei einem Rundgang. Rechtlich kann man Bewohnerinnen und Bewohnern nicht verbieten, sich ein Auto anzuschaffen. Sie unterschreiben beim Einzug aber eine entsprechende Vereinbarung. Sollten sie sich aufgrund von veränderten Lebensumständen ein Auto zulegen, müssen sie einen Garagenplatz im Umkreis von 500 Metern nachweisen können.
Die autofreie Mustersiedlung wurde von Beginn an von vielen im Bezirk – aber auch weit darüber hinaus – kritisch beäugt. Die Bewohnerinnen und Bewohner hätten heimlich Autos, heißt es oft, und würden sie einfach anderswo parken. Um dem zu begegnen, wurde vor einigen Jahren innerhalb der Anlage eine Umfrage durchgeführt: Zehn bis 15 Prozent aller Haushalte haben demnach ein Auto. Zur Einordnung: Das sind 24 bis 36 Autos.
Karl Wurm war bei der Errichtung der Anlage Geschäftsführer der Gewog, die mit einem weiteren Bauträger die beiden Wohnhäuser errichtet hat. Der Verzicht aufs Auto funktioniere über sozialen Druck und die Gruppenzugehörigkeit, ist er überzeugt. Und er wird belohnt, indem das Geld, das man sich durch den Wegfall der hochpreisigen Stellplätze spart, in Gemeinschaftsflächen gesteckt wird. In der Siedlung gibt es zum Beispiel Dachgärten, ein Biotop sowie Werkstätten, die bis heute stark genutzt werden.
„Eines würde ich Bauträgern gern ins Stammbuch schreiben“, sagt Bewohner Stephan Lanner: „Diese Angebote müssen niederschwellig nutzbar sein.“ Die Bewohnerschaft hat sich daher für ein Zugangssystem zu den Räumen mittels Chips oder Handys entschieden – und gegen einen Schlüssel, den erst recht wieder jemand verwahren und verwalten muss.
Überhaupt seien Bewohnerinnen und Bewohner der Anlage sehr engagiert und aktiv, berichtet man bei der Gewog — im Unterschied zu anderen Häusern, wo schon einmal die Gemeinschaftsflächen wegen Vandalismus gesperrt werden müssen. In der Mustersiedlung wiederum werden kleinere Reparaturarbeiten oft einfach selber durchgeführt. Allerdings bemerkt Stephan Lanner aktuell einen Umbruch, „weil die Pioniergeneration mit der Anlage gealtert ist“. Einige frisch Zugezogene würden eher durch günstige Mieten oder die Lage als von der Idee angezogen. Man versuche aber, „die Neuen“ an Bord zu holen. Immerhin hat die Siedlung schon andere Umbrüche gemeistert: Die Wohnungen wurden mit Kaufoption errichtet, viele einstige Mieterinnen und Mieter haben diese erworben. Damit hat sich die rechtliche Situation des Hauses verändert. Und vor einigen Monaten kaufte die Gewog mit einer gewerblichen Tochter die verbleibenden Mietwohnungen vom zweiten Bauträger Domizil.
Platz für Neues
„Die autofreie Mustersiedlung ist eine fantastische Geschichte“, sagt Gewog-Geschäftsführerin Ingeborg Skerjanz. Viele würden schon seit 20 Jahren in der Anlage wohnen, auch ihre Kinder hierbleiben. Die Nachfrage von Außenstehenden sei aber überschaubar: Dass die Siedlung autofrei ist, schrecke manche immer noch ab. Vielleicht ist das der Grund, warum die Siedlung in dieser Form einzigartig geblieben ist. Auch wenn es heute Wohnprojekte und Stadtteile gibt, in denen das Auto in seine Schranken verwiesen wird.
Denn so entsteht Platz für Neues, wie sich in Floridsdorf zeigt: Weil über die Rampe der Tiefgarage nie ein Auto donnert, wird ganz unten Tischtennis gespielt.
In dieser sticht die autofreie Anlage mit ihren rund 244 Wohnungen auch mehr als 20 Jahre nach Fertigstellung immer noch hervor. Parkplätze für Bewohnerinnen und Bewohner gibt es keine. Eine kleine Tiefgarage mit 24 Stellplätzen wurde zwar errichtet, in der, so der Ursprungsgedanke, Carsharing-Autos geparkt werden sollten. Heute stehen hier unten einige wenige Motorräder und ansonsten viele, viele Fahrräder fein säuberlich aneinandergereiht. Von zwei Fahrrädern pro Haushalt war man bei der Planung ausgegangen. Es sind mehr, sagt Stephan Lanner, der seit der Fertigstellung in der Siedlung wohnt.
Trotzdem: „100 Prozent autofrei war die Anlage nie“, erzählt er bei einem Rundgang. Rechtlich kann man Bewohnerinnen und Bewohnern nicht verbieten, sich ein Auto anzuschaffen. Sie unterschreiben beim Einzug aber eine entsprechende Vereinbarung. Sollten sie sich aufgrund von veränderten Lebensumständen ein Auto zulegen, müssen sie einen Garagenplatz im Umkreis von 500 Metern nachweisen können.
Die autofreie Mustersiedlung wurde von Beginn an von vielen im Bezirk – aber auch weit darüber hinaus – kritisch beäugt. Die Bewohnerinnen und Bewohner hätten heimlich Autos, heißt es oft, und würden sie einfach anderswo parken. Um dem zu begegnen, wurde vor einigen Jahren innerhalb der Anlage eine Umfrage durchgeführt: Zehn bis 15 Prozent aller Haushalte haben demnach ein Auto. Zur Einordnung: Das sind 24 bis 36 Autos.
Karl Wurm war bei der Errichtung der Anlage Geschäftsführer der Gewog, die mit einem weiteren Bauträger die beiden Wohnhäuser errichtet hat. Der Verzicht aufs Auto funktioniere über sozialen Druck und die Gruppenzugehörigkeit, ist er überzeugt. Und er wird belohnt, indem das Geld, das man sich durch den Wegfall der hochpreisigen Stellplätze spart, in Gemeinschaftsflächen gesteckt wird. In der Siedlung gibt es zum Beispiel Dachgärten, ein Biotop sowie Werkstätten, die bis heute stark genutzt werden.
„Eines würde ich Bauträgern gern ins Stammbuch schreiben“, sagt Bewohner Stephan Lanner: „Diese Angebote müssen niederschwellig nutzbar sein.“ Die Bewohnerschaft hat sich daher für ein Zugangssystem zu den Räumen mittels Chips oder Handys entschieden – und gegen einen Schlüssel, den erst recht wieder jemand verwahren und verwalten muss.
Überhaupt seien Bewohnerinnen und Bewohner der Anlage sehr engagiert und aktiv, berichtet man bei der Gewog — im Unterschied zu anderen Häusern, wo schon einmal die Gemeinschaftsflächen wegen Vandalismus gesperrt werden müssen. In der Mustersiedlung wiederum werden kleinere Reparaturarbeiten oft einfach selber durchgeführt. Allerdings bemerkt Stephan Lanner aktuell einen Umbruch, „weil die Pioniergeneration mit der Anlage gealtert ist“. Einige frisch Zugezogene würden eher durch günstige Mieten oder die Lage als von der Idee angezogen. Man versuche aber, „die Neuen“ an Bord zu holen. Immerhin hat die Siedlung schon andere Umbrüche gemeistert: Die Wohnungen wurden mit Kaufoption errichtet, viele einstige Mieterinnen und Mieter haben diese erworben. Damit hat sich die rechtliche Situation des Hauses verändert. Und vor einigen Monaten kaufte die Gewog mit einer gewerblichen Tochter die verbleibenden Mietwohnungen vom zweiten Bauträger Domizil.
Platz für Neues
„Die autofreie Mustersiedlung ist eine fantastische Geschichte“, sagt Gewog-Geschäftsführerin Ingeborg Skerjanz. Viele würden schon seit 20 Jahren in der Anlage wohnen, auch ihre Kinder hierbleiben. Die Nachfrage von Außenstehenden sei aber überschaubar: Dass die Siedlung autofrei ist, schrecke manche immer noch ab. Vielleicht ist das der Grund, warum die Siedlung in dieser Form einzigartig geblieben ist. Auch wenn es heute Wohnprojekte und Stadtteile gibt, in denen das Auto in seine Schranken verwiesen wird.
Denn so entsteht Platz für Neues, wie sich in Floridsdorf zeigt: Weil über die Rampe der Tiefgarage nie ein Auto donnert, wird ganz unten Tischtennis gespielt.
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