Bauwerk
Stadtwohnzimmer
Clemens Bauder, Klaus Michael Scheibl - Linz (A) - 2013
Wohn(ge)schichten 1938–2013. 75 Jahre WAG
19. Mai 2013 - afo
Wer wird sich den weißen Raum ohne Wände, der zur Bühne wird, sobald man ihn betritt, zuerst aneignen? Der Skateboarder oder die junge Mutter mit dem Kind, das gerade erst zu laufen begonnen hat? An potenziellen Zuschauern soll es nicht fehlen, denn Wohnen wird im Stadtwohnzimmer als Handlung mit und in der Öffentlichkeit verstanden.
Dem Daheimsein als vermeintliche Privatsache, die einen Außenstehenden nicht tangiert, steht die Tatsache gegenüber, dass Wohnen als kultureller Spiegel einer Gesellschaft auch der öffentlichen Sphäre angehört. Denn nicht die vereinzelt herausragenden Kultur- und Repräsentationsbauten prägen das Gesicht unserer Städte, sondern die weniger spektakulären, dafür überall gegenwärtigen Wohnhausanlagen und Siedlungsbauten; schön oder trist: ihre größere Alltagsnähe führt keineswegs zwangsläufig zu einer Reflexion darüber, über welche qualitativen Eigenschaften die „Substanz“, die wir bewohnen, eigentlich verfügt oder verfügen könnte.
Um für die öffentliche Seite des Wohnens – auch im Sinne der Bewohnbarmachung des öffentlichen Raums selbst – eine spielerisch-strukturelle Entsprechung zu finden, wurde im Rahmen der von der Hamburger Zeithistorikerin Sylvia Necker kuratierten Ausstellung „Wohn(ge)schichten 1938–2013 – 75 Jahre WAG“ (bis 15.06.2013 im afo architekturforum oberösterreich zu sehen) ein in den Außenraum gestülptes Wohnzimmer entworfen. Diese in der Schnittfläche von im Maßstab 1:1 auf dem Herbert-Bayer-Platz aufgebrachten WAG-Wohnungsgrundrissen platzierte Bühne fungiert während der Laufzeit der Ausstellung als Diskurs- und Spielraum und steht den Passant:innen für spontane, informelle Aneignung zur Verfügung. Der raumbildende Rahmen besteht aus weiß lasierten Kanthölzern (die aussteifenden Eckhauben wurden aus Faserplatten gefertigt und lackiert) und ruht auf einer quadratischen, das Platzgefälle ausgleichenden Fläche. Die zweckneutrale Struktur mit den Vorhangwänden setzt die Assoziationsmaschine des Wohnens sofort in Gang, aber wird der Raum abseits programmierter Nutzung auch in Anspruch genommen?
Der Skateboarder und die junge Mutter bleiben in ihren Bahnen und verlassen den Platz. Kurz darauf legt sich ein altersloser Mann, schwarz gekleidet und offensichtlich müde, auf den weißen Bühnenboden in die Sonne. Er hat den dreidimensionalen Bilderrahmen als erster betreten und für kurze Zeit in einen Ruheraum verwandelt. Die Vorhangwände bauschen sich und bilden dann wieder eine glatte Fläche. Der Raum in reduzierter Form – ohne Dach und Mauern, ohne Türen und Fenster –, generiert, was man in den determinierten Zimmern, die wir gewöhnlich bewohnen, vergeblich sucht: ein unbelastetes Drinnen im Draußen, dessen Grenzen unbestimmt bleiben. (Text: Gabriele Kaiser)
Dem Daheimsein als vermeintliche Privatsache, die einen Außenstehenden nicht tangiert, steht die Tatsache gegenüber, dass Wohnen als kultureller Spiegel einer Gesellschaft auch der öffentlichen Sphäre angehört. Denn nicht die vereinzelt herausragenden Kultur- und Repräsentationsbauten prägen das Gesicht unserer Städte, sondern die weniger spektakulären, dafür überall gegenwärtigen Wohnhausanlagen und Siedlungsbauten; schön oder trist: ihre größere Alltagsnähe führt keineswegs zwangsläufig zu einer Reflexion darüber, über welche qualitativen Eigenschaften die „Substanz“, die wir bewohnen, eigentlich verfügt oder verfügen könnte.
Um für die öffentliche Seite des Wohnens – auch im Sinne der Bewohnbarmachung des öffentlichen Raums selbst – eine spielerisch-strukturelle Entsprechung zu finden, wurde im Rahmen der von der Hamburger Zeithistorikerin Sylvia Necker kuratierten Ausstellung „Wohn(ge)schichten 1938–2013 – 75 Jahre WAG“ (bis 15.06.2013 im afo architekturforum oberösterreich zu sehen) ein in den Außenraum gestülptes Wohnzimmer entworfen. Diese in der Schnittfläche von im Maßstab 1:1 auf dem Herbert-Bayer-Platz aufgebrachten WAG-Wohnungsgrundrissen platzierte Bühne fungiert während der Laufzeit der Ausstellung als Diskurs- und Spielraum und steht den Passant:innen für spontane, informelle Aneignung zur Verfügung. Der raumbildende Rahmen besteht aus weiß lasierten Kanthölzern (die aussteifenden Eckhauben wurden aus Faserplatten gefertigt und lackiert) und ruht auf einer quadratischen, das Platzgefälle ausgleichenden Fläche. Die zweckneutrale Struktur mit den Vorhangwänden setzt die Assoziationsmaschine des Wohnens sofort in Gang, aber wird der Raum abseits programmierter Nutzung auch in Anspruch genommen?
Der Skateboarder und die junge Mutter bleiben in ihren Bahnen und verlassen den Platz. Kurz darauf legt sich ein altersloser Mann, schwarz gekleidet und offensichtlich müde, auf den weißen Bühnenboden in die Sonne. Er hat den dreidimensionalen Bilderrahmen als erster betreten und für kurze Zeit in einen Ruheraum verwandelt. Die Vorhangwände bauschen sich und bilden dann wieder eine glatte Fläche. Der Raum in reduzierter Form – ohne Dach und Mauern, ohne Türen und Fenster –, generiert, was man in den determinierten Zimmern, die wir gewöhnlich bewohnen, vergeblich sucht: ein unbelastetes Drinnen im Draußen, dessen Grenzen unbestimmt bleiben. (Text: Gabriele Kaiser)
Für den Beitrag verantwortlich: afo architekturforum oberösterreich
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom@afo.at
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