Bauwerk
Erweiterung und Sanierung „Stadt des Kindes“
Walter Stelzhammer, Peter Weber - Wien (A) - 2013
20. Februar 2014 - Az W
Das Projektziel des Planungsteams (Walter Stelzhammer und Peter Weber) war ein möglichst homogenes Nebeneinander der zu sanierenden Bestandsbauteile mit den „Ersatz“-Neubauten sowie den neu hinzukommenden Bauteilen. Die neue Stadt des Kindes besteht aus folgenden Bauteilen:
Familienhäuser (2 sanierte Bestandshäuser, 3 Neubauten)
Solitär (Neubau als Ersatz für das abgerissene Personalhaus)
Riegel/Atriumtypen (Neubau als Ersatz für den abgerissenen Wirtschaftstrakt)
Mehrzweckgebäude (sanierter Bestand mit Sporthalle, Hallenbad, Gemeinschaftsräumen)
Erweiterung Modul 1 (vier dreigeschossige, freistehende Häuser)
Erweiterung Modul 2 (zwei Reihenhauszeilen in Hanglage)
Familienhäuser – Sanierung
Die zwei erhaltenen Familienhäuser wurden thermisch saniert. Eine heikle Aufgabe, die weitgehend geglückt ist. Die ursprüngliche filigrane Anmutung der 70er Jahre Architektur konnte insbesondere südseitig erhalten werden. Hier sei angemerkt, dass die Wohnanlage nicht unter Denkmalschutz steht. Die Bemühungen seitens der Architekten, ein authentisches Erscheinungsbild zu erhalten bzw. erreichen, erfolgten auf freiwilliger Basis unter der Beobachtung von Anton Schweighofer.
Geplant und auch ausgeschrieben waren einfachverglast eingehauste Wintergärten mit einer Nurglas-Schiebefaltkonstruktion. Da aus Kostengründen stattdessen eine primitive Pfostenriegelkonstruktion mit sehr starken Profilen zur Ausführung kommen sollte, wurde dieser Bereich umgeplant und offene Loggien ausgeführt. Die vorhandenen Außenbauteile Säulen und Decken mussten daher gedämmt werden. Durch Verwendung einer höherwertigen Pur-Wärmedämmung konnten die Dämmstärken aber gering gehalten werden. Der aus förderungstechnischen Gründen notwendige Kompromiss war die Ausführung von Loggientrennwänden. - In Wien werden nur Loggien zu 100% gefördert, Balkone und Terrassen jedoch nicht. - Insgesamt entspricht die Ausführung mit den roten Krippgitter-Geländern aber mehr dem ursprünglichen Bestand.
Die vorhandenen Maissonettestiegen im verglasten Gebäudeteil dienen zur Erschließung einer Wohngalerie. Zusätzliche Stiegenhauskerne mit Aufzügen ergänzen die vorhandenen Laubengangerschließungen im 2.OG. Dieses typologische Grundelement kommt auch bei den drei neu errichteten „Familienhäusern“ (siehe unten) zum Einsatz. Ebenso sind die Brücken als verbindende Klammer Teil der Neuplanung.
Familienhäuser – Neubauten
Laut Flächenwidmung wäre nach dem Abriss der drei Familienhäuser eine weitaus größere Kubatur zulässig gewesen. Die Architekten entschieden sich gegen die Maximierung und für eine Terrassierung entsprechend der Bestandsobjekte, um eine ausreichende Belichtung der in die schmalen Zwischenhöfe orientierten Aufenthaltsräume zu erreichen. Durch die Terrassierung bilden die Neubauten mit dem Bestand eine städtebauliche Einheit. Die Fortführung der Erschließungselemente, wie sie im Bestandsensemble vorhanden sind (Laubengang im 2. OG, gedeckte Erschließungsachse im EG), verstärkt den Eindruck eines „homogenen Nebeneinanders“. Neu sind die rot leuchtenden, vorgehängten Loggien. Diese Würfel bilden ein Element als gestalterische Klammer. Die Loggien findet man sowohl auf dem sanierten Bestand als auch auf den „Ersatzbauten“.
Wohnhaus – Neubau ”Solitär" (Ersatz für das abgerissene Personalhaus)
Die Geschosswohnungen werden über ein als Split-Level angeordnetes Stiegenhaus erschlossen. Der Baukörper ist mit 17 m im Quadrat kompakt, alle Wohnungen sind zumindest zweiseitig orientiert. Erker ermöglichen zusätzliche Orientierung und Sichtbezüge. An Stelle des expressiven Bauwerks Anton Schweighofers bildet der Neubau eine gelungene Neuinterpretation einer Bauplastik. Stichwort Plastik: Unweit des Gebäudes befindet sich die Bronzeplastik der Künstlerin Maria Biljan-Bilger. Es ist nicht selbstverständlich, dass „Kunst am Bau“ aus den 1970er Jahren erhalten bzw. nach einem Abriss der ursprünglichen Bausubstanz wieder aufgestellt wird.
Wohnhaus – Neubau Riegel/Atriumtypen (Ersatz für den abgerissenen Wirtschaftstrakt)
Die Rahmenbedingungen für Wohnungen anstelle des Wirtschaftstrakts waren denkbar schwierig. Denn die Flächenwidmung schreibt vor, dass der straßenseitige Baukörper (Bauklasse I) im Südwesten von einem Riegel in der Bauklasse II begrenzt wird. Für eine Nutzung als Wirtschaftstrakt mit Theatersaal stellte sich die Frage der Belichtung mit Tageslicht nicht. Die Herausforderung beim Neubau bestand darin, den nordseitigen Bauteil mit ausreichend Tageslicht zu versorgen. Die Lösung in Form von dreigeschossigen Atriumhäusern ermöglicht, dass die Wohnungen Dank ihrer erhöhten Lage im 1. Obergeschoss von Süden ganzjährig gut belichtet werden.
Hofseitig flankiert der nach Südwesten orientierte Riegel (Bauklasse II) die Atriumhäuser. Großzügige Loggien schaffen hier den privaten Außenraum. Laubengänge erschließen die Wohnungen. Von allen Neubauten, die den Wohnhof der Stadt des Kindes flankieren (bei den nachfolgenden Modulen 1 + 2 handelt es sich um Erweiterungsbauten abseits der Hofanlage), emanzipiert sich der Riegel am weitesten von der Formensprache Anton Schweighofers. Mit dem Riegel und den Atriumtypen erfolgte ein „Weiterbauen“, das sich nicht zum Ziel setzt, sich an Vergangenes anzulehnen.
Mehrzweckgebäude - Sanierung
Das Mehrzweckgebäude wurde thermisch und technisch saniert. Die Sporthalle wird neben der Nutzung durch die Bewohner/:innen als Gemeinschaftseinrichtung auch stundenweise an Interessent/:innen, wie Sportvereine und Sportgruppen vermietet. Entgegen der Ankündigungen der ARWAG, mit dem Hallenbad ein attraktives Angebot für die Bewohner des 13. und 14. Bezirks anzubieten, steht das Schwimmbecken (laut Kaufvertrag mit der Stadt Wien) nur an einem Tag im Monat der Allgemeinheit zur Verfügung.
Erweiterung Wohnhäuser - Modul 1
In direkter Nachbarschaft zum Sportplatz bilden vier dreigeschossige Häuser den östlichen Abschluss des Areals. Diese Erweiterungsbauten sind sprichwörtlich auf der grünen Wiese entstanden. Walter Stelzhammer hat sich in der Vergangenheit bei Wohnbauten mehrfach durch wohlüberlegte Wohnungsgrundrisse ausgezeichnet. Es ist trotz Widmungstiefe von 21 m Baufluchtlinienabstand gelungen, alle Wohnungen nach Südwesten, zur großzügigen Parklandschaft hin zu orientieren.
Erweiterung Reihenhauszeilen – Modul 2
Die gestaffelten Reihenhäuser überwinden auf dem diagonal geneigten Grundstück acht Meter Höhendifferenz. Jede Einheit birgt zwei Wohnungen als gestapelte Maisonetten, wobei beide unter Ausnützung der Geländestaffelung ebenerdig erschlossen sind. Laut Bauordnung sind Reihenhäuser von der barrierefreien Erschließung ausgenommen. Optisch entspricht das Modul 2 einer Reihenhausanlage. Rechtlich handelt es sich auf Grund der gestapelten Maisonetten um Wohnhäuser, für die eine 100% barrierefreie Erschließung zur Anwendung kommen muss. Eine normgerechte Rampe mit 6% Neigung und beidseitigen Handläufen dominiert den großzügigen Freiraum zwischen den zwei Hauszeilen.
Freiraumgestaltung
Für die Freiraumgestaltung zeichnen Auböck-Kárász verantwortlich. Wichtige strukturelle Elemente der ursprünglichen Gestaltung von Architekt Anton Schweighofer und Landschaftsarchitekt Karl Schmidhammer wurden – soweit dies angesichts der veränderten Nutzung möglich war – beibehalten. Die wesentlichen Wegführungen durch das Gelände werden weitergeführt. Das ursprüngliche Material der Wege war aus Granit: Kleinpflaster in den Innenhöfen und der inneren Verbindungsachse, Großpflaster in den Höfen zwischen den Familienhäusern und für die Feuerwehrzufahrt im Südwestwesten. Trotz Intervention durch die Architekten wurden im Abbruchbereich die Granitpflaster für eine Wiederverwendung nicht sichergestellt. Aus Kostengründen war dann im Neubaubereich nur eine Betonsteinpflasterung bzw. ein Betonplattenbelag realisierbar. Die gesamte Stadt des Kindes ist öffentlich zugänglich. Die spürbare Intimität im Wohnhof erzeugt eine leichte Unsicherheit, ob der Durchgang in diesem privaten Rahmen tatsächlich gestattet ist.
Der angrenzende Wienerwald bildet naturgemäß eine starke Konkurrenz zur Freiraumgestaltung innerhalb der Wohnanlage. Längerfristig wird der Wienerwald – der ursprünglichen Planung entsprechend – durch locker eingestreute Bäume (mit den Gehölzen des benachbarten Mischwaldes) zwischen den ehemaligen Familienhäusern weitergeführt.
Zwischen den Familienhäusern haben sich kleine Oasen ausgebildet. Die Terrassen der Erdgeschosswohnungen sind zum Garten hin erhöht. Genau um drei Stufen. Diese Erhöhung ist mehr als ein Detail: Mit dem Niveausprung wird der Freiraum gleichermaßen gefasst und in Szene gesetzt. Die Terrasse wird zur Bühne, während man auf wassergebundenen Wegen um den alten Baumbestand herum flaniert. Wie naturnah die Stadt des Kindes Zeit ihres Bestehens war, zeigt der alte Baumbestand. Bei den Bestandsbauten reichen die Baumstämme teils bis auf wenige Zentimeter an Außenwände heran.
Exkurs zur Vorgeschichte:
Die von Architekt Anton Schweighofer geplante „Stadt des Kindes“ war 1974, zum Zeitpunkt der Eröffnung, das sozialpädagogische Vorzeigeprojekt. Das weitläufige Kinder- und Jugendwohnheim im Westen Wiens war mit großzügigen Freiflächen ausgestattet. Die Anlage war in ihrer Form einmalig und war im In- und Ausland bei Pädagogen und Architekturschaffenden gleichermaßen geschätzt und gewürdigt. Als sich die pädagogischen Konzepte über die Jahrzehnte veränderten und Betreuungsplätze zunehmend in Wohnhäuser integriert wurden, verlor die „Stadt des Kindes“ durch die Absiedlung der Bewohner ihre Bedeutung und bald auch ihre Daseinsberechtigung.
2002 wurde die sanierungsbedürftige Anlage, die nach wie vor im Besitz der Gemeinde Wien war, geschlossen. Für den Eigentümer bestand kein Nachnutzungsbedarf. In Folge lobte die Stadt Wien ein Bauträger-Auswahlverfahren für den Verkauf der Bestandsanlage und zweier anschließender Bebauungsflächen aus, mit dem Ziel einer Nachnutzung der Stadt des Kindes. Nach langwierigen und diskussionsreichen Planungsprozessen und durch Kostenermittlungen beigezogener Fachfirmen kristallisierte sich heraus, dass die „Stadt des Kindes“ in ihrer Gesamtheit unter wirtschaftlichen Bedingungen nicht sanierbar bzw. umbaubar war. Der neue Plan sah vor, dass der Großteil des Bestands abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden sollte.
Architekturinstitutionen im In- und Ausland (ICOMOS, DOCOMOMO, Institute der TH-München, ETH-Zürich und TU-Wien; Akademie der bildenden Künste; Bundessektion der Architektenkammer, Architektur in Progress, Architekturstiftung Österreich; Netzwerk Denkmalschutz) forderten vergeblich die Unterschutzstellung des gesamten Areals. Der Teilabriss war beschlossen. Drei der insgesamt fünf Familienhäuser, der Theatersaal, das Wirtschaftsgebäude und das prägnante Personalhaus, das als Turm den westseitigen Abschluss der Anlage bildete, wurden zerstört. Mittels Umschichtung von Errichtungskosten wurde die Erhaltung und Sanierung der Bauteile Hallenbad, Turnsaal und zwei der ursprünglich fünf Familienhäuser finanziert. Der aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich gewordene Teilabbruch erhöhte den Schwierigkeitsgrad der Planungsaufgabe erheblich.
Adressen:
5 Familienhäuser – Bestand und Neubauten: Hofjägerstraße 2-4
„Solitär“ – Neubau als Ersatz für das abgerissene Personalhaus: Mühlbergstraße 9
Wohnhaus – Neubau als Ersatz für den abgerissenen Wirtschaftstrakt: Hofjägerstraße 2/1
4 Wohnhäuser – Modul 1: Hofjägerstraße 8
2 Reihenhauszeilen – Modul 2: Mühlbergstraße 11
(Text: Martina Frühwirth, Architekten; Exkurs zur Vorgeschichte: nach einem Text der Architekten)
Familienhäuser (2 sanierte Bestandshäuser, 3 Neubauten)
Solitär (Neubau als Ersatz für das abgerissene Personalhaus)
Riegel/Atriumtypen (Neubau als Ersatz für den abgerissenen Wirtschaftstrakt)
Mehrzweckgebäude (sanierter Bestand mit Sporthalle, Hallenbad, Gemeinschaftsräumen)
Erweiterung Modul 1 (vier dreigeschossige, freistehende Häuser)
Erweiterung Modul 2 (zwei Reihenhauszeilen in Hanglage)
Familienhäuser – Sanierung
Die zwei erhaltenen Familienhäuser wurden thermisch saniert. Eine heikle Aufgabe, die weitgehend geglückt ist. Die ursprüngliche filigrane Anmutung der 70er Jahre Architektur konnte insbesondere südseitig erhalten werden. Hier sei angemerkt, dass die Wohnanlage nicht unter Denkmalschutz steht. Die Bemühungen seitens der Architekten, ein authentisches Erscheinungsbild zu erhalten bzw. erreichen, erfolgten auf freiwilliger Basis unter der Beobachtung von Anton Schweighofer.
Geplant und auch ausgeschrieben waren einfachverglast eingehauste Wintergärten mit einer Nurglas-Schiebefaltkonstruktion. Da aus Kostengründen stattdessen eine primitive Pfostenriegelkonstruktion mit sehr starken Profilen zur Ausführung kommen sollte, wurde dieser Bereich umgeplant und offene Loggien ausgeführt. Die vorhandenen Außenbauteile Säulen und Decken mussten daher gedämmt werden. Durch Verwendung einer höherwertigen Pur-Wärmedämmung konnten die Dämmstärken aber gering gehalten werden. Der aus förderungstechnischen Gründen notwendige Kompromiss war die Ausführung von Loggientrennwänden. - In Wien werden nur Loggien zu 100% gefördert, Balkone und Terrassen jedoch nicht. - Insgesamt entspricht die Ausführung mit den roten Krippgitter-Geländern aber mehr dem ursprünglichen Bestand.
Die vorhandenen Maissonettestiegen im verglasten Gebäudeteil dienen zur Erschließung einer Wohngalerie. Zusätzliche Stiegenhauskerne mit Aufzügen ergänzen die vorhandenen Laubengangerschließungen im 2.OG. Dieses typologische Grundelement kommt auch bei den drei neu errichteten „Familienhäusern“ (siehe unten) zum Einsatz. Ebenso sind die Brücken als verbindende Klammer Teil der Neuplanung.
Familienhäuser – Neubauten
Laut Flächenwidmung wäre nach dem Abriss der drei Familienhäuser eine weitaus größere Kubatur zulässig gewesen. Die Architekten entschieden sich gegen die Maximierung und für eine Terrassierung entsprechend der Bestandsobjekte, um eine ausreichende Belichtung der in die schmalen Zwischenhöfe orientierten Aufenthaltsräume zu erreichen. Durch die Terrassierung bilden die Neubauten mit dem Bestand eine städtebauliche Einheit. Die Fortführung der Erschließungselemente, wie sie im Bestandsensemble vorhanden sind (Laubengang im 2. OG, gedeckte Erschließungsachse im EG), verstärkt den Eindruck eines „homogenen Nebeneinanders“. Neu sind die rot leuchtenden, vorgehängten Loggien. Diese Würfel bilden ein Element als gestalterische Klammer. Die Loggien findet man sowohl auf dem sanierten Bestand als auch auf den „Ersatzbauten“.
Wohnhaus – Neubau ”Solitär" (Ersatz für das abgerissene Personalhaus)
Die Geschosswohnungen werden über ein als Split-Level angeordnetes Stiegenhaus erschlossen. Der Baukörper ist mit 17 m im Quadrat kompakt, alle Wohnungen sind zumindest zweiseitig orientiert. Erker ermöglichen zusätzliche Orientierung und Sichtbezüge. An Stelle des expressiven Bauwerks Anton Schweighofers bildet der Neubau eine gelungene Neuinterpretation einer Bauplastik. Stichwort Plastik: Unweit des Gebäudes befindet sich die Bronzeplastik der Künstlerin Maria Biljan-Bilger. Es ist nicht selbstverständlich, dass „Kunst am Bau“ aus den 1970er Jahren erhalten bzw. nach einem Abriss der ursprünglichen Bausubstanz wieder aufgestellt wird.
Wohnhaus – Neubau Riegel/Atriumtypen (Ersatz für den abgerissenen Wirtschaftstrakt)
Die Rahmenbedingungen für Wohnungen anstelle des Wirtschaftstrakts waren denkbar schwierig. Denn die Flächenwidmung schreibt vor, dass der straßenseitige Baukörper (Bauklasse I) im Südwesten von einem Riegel in der Bauklasse II begrenzt wird. Für eine Nutzung als Wirtschaftstrakt mit Theatersaal stellte sich die Frage der Belichtung mit Tageslicht nicht. Die Herausforderung beim Neubau bestand darin, den nordseitigen Bauteil mit ausreichend Tageslicht zu versorgen. Die Lösung in Form von dreigeschossigen Atriumhäusern ermöglicht, dass die Wohnungen Dank ihrer erhöhten Lage im 1. Obergeschoss von Süden ganzjährig gut belichtet werden.
Hofseitig flankiert der nach Südwesten orientierte Riegel (Bauklasse II) die Atriumhäuser. Großzügige Loggien schaffen hier den privaten Außenraum. Laubengänge erschließen die Wohnungen. Von allen Neubauten, die den Wohnhof der Stadt des Kindes flankieren (bei den nachfolgenden Modulen 1 + 2 handelt es sich um Erweiterungsbauten abseits der Hofanlage), emanzipiert sich der Riegel am weitesten von der Formensprache Anton Schweighofers. Mit dem Riegel und den Atriumtypen erfolgte ein „Weiterbauen“, das sich nicht zum Ziel setzt, sich an Vergangenes anzulehnen.
Mehrzweckgebäude - Sanierung
Das Mehrzweckgebäude wurde thermisch und technisch saniert. Die Sporthalle wird neben der Nutzung durch die Bewohner/:innen als Gemeinschaftseinrichtung auch stundenweise an Interessent/:innen, wie Sportvereine und Sportgruppen vermietet. Entgegen der Ankündigungen der ARWAG, mit dem Hallenbad ein attraktives Angebot für die Bewohner des 13. und 14. Bezirks anzubieten, steht das Schwimmbecken (laut Kaufvertrag mit der Stadt Wien) nur an einem Tag im Monat der Allgemeinheit zur Verfügung.
Erweiterung Wohnhäuser - Modul 1
In direkter Nachbarschaft zum Sportplatz bilden vier dreigeschossige Häuser den östlichen Abschluss des Areals. Diese Erweiterungsbauten sind sprichwörtlich auf der grünen Wiese entstanden. Walter Stelzhammer hat sich in der Vergangenheit bei Wohnbauten mehrfach durch wohlüberlegte Wohnungsgrundrisse ausgezeichnet. Es ist trotz Widmungstiefe von 21 m Baufluchtlinienabstand gelungen, alle Wohnungen nach Südwesten, zur großzügigen Parklandschaft hin zu orientieren.
Erweiterung Reihenhauszeilen – Modul 2
Die gestaffelten Reihenhäuser überwinden auf dem diagonal geneigten Grundstück acht Meter Höhendifferenz. Jede Einheit birgt zwei Wohnungen als gestapelte Maisonetten, wobei beide unter Ausnützung der Geländestaffelung ebenerdig erschlossen sind. Laut Bauordnung sind Reihenhäuser von der barrierefreien Erschließung ausgenommen. Optisch entspricht das Modul 2 einer Reihenhausanlage. Rechtlich handelt es sich auf Grund der gestapelten Maisonetten um Wohnhäuser, für die eine 100% barrierefreie Erschließung zur Anwendung kommen muss. Eine normgerechte Rampe mit 6% Neigung und beidseitigen Handläufen dominiert den großzügigen Freiraum zwischen den zwei Hauszeilen.
Freiraumgestaltung
Für die Freiraumgestaltung zeichnen Auböck-Kárász verantwortlich. Wichtige strukturelle Elemente der ursprünglichen Gestaltung von Architekt Anton Schweighofer und Landschaftsarchitekt Karl Schmidhammer wurden – soweit dies angesichts der veränderten Nutzung möglich war – beibehalten. Die wesentlichen Wegführungen durch das Gelände werden weitergeführt. Das ursprüngliche Material der Wege war aus Granit: Kleinpflaster in den Innenhöfen und der inneren Verbindungsachse, Großpflaster in den Höfen zwischen den Familienhäusern und für die Feuerwehrzufahrt im Südwestwesten. Trotz Intervention durch die Architekten wurden im Abbruchbereich die Granitpflaster für eine Wiederverwendung nicht sichergestellt. Aus Kostengründen war dann im Neubaubereich nur eine Betonsteinpflasterung bzw. ein Betonplattenbelag realisierbar. Die gesamte Stadt des Kindes ist öffentlich zugänglich. Die spürbare Intimität im Wohnhof erzeugt eine leichte Unsicherheit, ob der Durchgang in diesem privaten Rahmen tatsächlich gestattet ist.
Der angrenzende Wienerwald bildet naturgemäß eine starke Konkurrenz zur Freiraumgestaltung innerhalb der Wohnanlage. Längerfristig wird der Wienerwald – der ursprünglichen Planung entsprechend – durch locker eingestreute Bäume (mit den Gehölzen des benachbarten Mischwaldes) zwischen den ehemaligen Familienhäusern weitergeführt.
Zwischen den Familienhäusern haben sich kleine Oasen ausgebildet. Die Terrassen der Erdgeschosswohnungen sind zum Garten hin erhöht. Genau um drei Stufen. Diese Erhöhung ist mehr als ein Detail: Mit dem Niveausprung wird der Freiraum gleichermaßen gefasst und in Szene gesetzt. Die Terrasse wird zur Bühne, während man auf wassergebundenen Wegen um den alten Baumbestand herum flaniert. Wie naturnah die Stadt des Kindes Zeit ihres Bestehens war, zeigt der alte Baumbestand. Bei den Bestandsbauten reichen die Baumstämme teils bis auf wenige Zentimeter an Außenwände heran.
Exkurs zur Vorgeschichte:
Die von Architekt Anton Schweighofer geplante „Stadt des Kindes“ war 1974, zum Zeitpunkt der Eröffnung, das sozialpädagogische Vorzeigeprojekt. Das weitläufige Kinder- und Jugendwohnheim im Westen Wiens war mit großzügigen Freiflächen ausgestattet. Die Anlage war in ihrer Form einmalig und war im In- und Ausland bei Pädagogen und Architekturschaffenden gleichermaßen geschätzt und gewürdigt. Als sich die pädagogischen Konzepte über die Jahrzehnte veränderten und Betreuungsplätze zunehmend in Wohnhäuser integriert wurden, verlor die „Stadt des Kindes“ durch die Absiedlung der Bewohner ihre Bedeutung und bald auch ihre Daseinsberechtigung.
2002 wurde die sanierungsbedürftige Anlage, die nach wie vor im Besitz der Gemeinde Wien war, geschlossen. Für den Eigentümer bestand kein Nachnutzungsbedarf. In Folge lobte die Stadt Wien ein Bauträger-Auswahlverfahren für den Verkauf der Bestandsanlage und zweier anschließender Bebauungsflächen aus, mit dem Ziel einer Nachnutzung der Stadt des Kindes. Nach langwierigen und diskussionsreichen Planungsprozessen und durch Kostenermittlungen beigezogener Fachfirmen kristallisierte sich heraus, dass die „Stadt des Kindes“ in ihrer Gesamtheit unter wirtschaftlichen Bedingungen nicht sanierbar bzw. umbaubar war. Der neue Plan sah vor, dass der Großteil des Bestands abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden sollte.
Architekturinstitutionen im In- und Ausland (ICOMOS, DOCOMOMO, Institute der TH-München, ETH-Zürich und TU-Wien; Akademie der bildenden Künste; Bundessektion der Architektenkammer, Architektur in Progress, Architekturstiftung Österreich; Netzwerk Denkmalschutz) forderten vergeblich die Unterschutzstellung des gesamten Areals. Der Teilabriss war beschlossen. Drei der insgesamt fünf Familienhäuser, der Theatersaal, das Wirtschaftsgebäude und das prägnante Personalhaus, das als Turm den westseitigen Abschluss der Anlage bildete, wurden zerstört. Mittels Umschichtung von Errichtungskosten wurde die Erhaltung und Sanierung der Bauteile Hallenbad, Turnsaal und zwei der ursprünglich fünf Familienhäuser finanziert. Der aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich gewordene Teilabbruch erhöhte den Schwierigkeitsgrad der Planungsaufgabe erheblich.
Adressen:
5 Familienhäuser – Bestand und Neubauten: Hofjägerstraße 2-4
„Solitär“ – Neubau als Ersatz für das abgerissene Personalhaus: Mühlbergstraße 9
Wohnhaus – Neubau als Ersatz für den abgerissenen Wirtschaftstrakt: Hofjägerstraße 2/1
4 Wohnhäuser – Modul 1: Hofjägerstraße 8
2 Reihenhauszeilen – Modul 2: Mühlbergstraße 11
(Text: Martina Frühwirth, Architekten; Exkurs zur Vorgeschichte: nach einem Text der Architekten)
Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien
Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzig
Akteure
ArchitekturBauherrschaft
Tragwerksplanung
Landschaftsarchitektur
Kunst am Bau
Fotografie