Bauwerk

Schatzkammer Gurk
WINKLER+RUCK - Gurk (A) - 2014
Schatzkammer Gurk, Foto: WINKLER+RUCK ARCHITEKTEN ZT GMBH
Schatzkammer Gurk, Foto: WINKLER+RUCK ARCHITEKTEN ZT GMBH

Dicke Mauern für alte Schätze

Die kunsthistorischen Schätze des Kärntner Diözesanmuseums haben in der Propstei Gurk eine neue Heimat gefunden. Winkler + Ruck gelang eine restauratorische Neufassung der gotischen Räume.

31. Januar 2015 - Karin Tschavgova
Wovon hier berichtet wird, erreicht uns nicht über den elektronischen Newsroom der architektonischen Superlative, die uns täglich mit den Bildern gebauter und geplanter Landmarks in unglaublich machtvollen Dimensionen überschwemmen – trotz Krise und Sparbudgets. Was hier gewürdigt werden soll, schafft es nicht auf die Titelseiten, selbst wenn es 2014 mit dem Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architekten ausgezeichnet wurde. Es ist schlicht (und) unspektakulär. Für ein Diözesanmuseum, von dem die Rede sein wird, wäre das Spektakuläre auch gar nicht geeignet.

Seit April 2014 haben die kunsthistorischen Schätze des Kärntner Diözesanmuseums in der im 15. Jahrhundert errichteten Propstei Gurk, die einen Hof weit entfernt vom berühmten romanischen Dom steht, eine neue Heimat – die Schatzkammer Gurk. Die Einrichtung eines Museums in den vorwiegend gotischen Wirtschaftsräumen verlangte nach besonnener Herangehensweise, kreativer Gestaltungsqualität und die Fähigkeit, auf das Vorhandene einzugehen und dabei die Eigenheit und Qualitäten der historisch aufgeladenen Räume zu nützen. Außerdem die Gabe, konzeptionell zu denken und das Ganze im Blickfeld zu behalten. Weiters die Gratwanderung zwischen der Zurücknahme des eigenen Gestaltungsdrangs und der Eigenständigkeit und Wirkkraft eines Entwurfs für eine so „starke“ Hülle. Und schließlich die genaue Kenntnis der eingesetzten Materialien und das Vertrauen auf handwerkliches Können, das im Umfeld des Gurktales noch zu finden ist.

Im Adaptierungs- und Ausstellungskonzept der Klagenfurter Architekten Roland Winkler und Klaudia Ruck sah die Jury des geladenen Wettbewerbs diese Anforderungen bestens bearbeitet. Die Architekten legten einen neuen Eingang in den Museumbereich fest, der Durchgang zum Hof des Gevierts wurde geschlossen und so zum Teil des Ausstellungsrundgangs. Besucher betreten die einzelnen Räume nun über die Arkaden, die dem Hof im Barock hinzugefügt wurden, auf einem Weg, der sie in Schleifen von einem Raum zum nächsten führt. So konnten die Gewölberäume, die immer schon von außen betreten wurden, ohne neue Durchbrüche erhalten bleiben. Was dem Denkmalschutz geschuldet ist, bekam auch eine zweite sinnfällige Bedeutung, die den Besuch der Schatzkammer einzigartig macht: Jede dieser zehn unterschiedlich geformten Raumschalen wird nach dem kurzen Außenweg bewusster wahrgenommen. Das kommt auch den ausgestellten Objekten zugute, die nach unterschiedlichen Kriterien geordnet präsentiert werden.

Die gotischen und barocken Gewölbe über teils mächtigen Säulen wurden restauratorisch behandelt, aber weder für die Präsentation noch für die erforderliche technische Infrastruktur angetastet. Der Unschärfe des historischen Bestands – es scheint keinen einzigen rechten Winkel in Wand und Decke zu geben – begegneten die Architekten mit der Stringenz ihres Ausstellungskonzepts. Das zeigt sich in einem Fußbodenaufbau, der sich in allen Räumen ohne aufwendige Anpassungsarbeiten installieren ließ. Neue Holzböden aus Lärchenbohlen wurden wie massive Flöße in die Lehmböden verankert – mit Abstand zu den Wänden und in denselben Brettmaßen. Zwischenräume wurden mit dunklem Kies gefüllt, alle Kabelstränge in den geschütteten Randzonen versteckt. Konsequent in Ortbeton wurden hingegen die wenigen fixen Adaptierungen wie Übergänge, der Ausgleich von Höhenunterschieden und Geländerbrüstungen ausgeführt. In den Möbeln setzt sich das Konzept der Einschränkung auf wenige hochwertig verarbeitete Materialien fort: Sockel und Vitrinen als Präsentationsflächen, Rahmen und Pulte sind aus den gleichen Lärchenbohlen gefertigt – nur diesmal gestapelt und mit Zinken zusammengesteckt. Was nur auf den ersten Blick einfach, vielleicht etwas massiv wirkt, erweist sich bei genauerer Betrachtung als subtil und fein ausgearbeitetes Baukastensystem, das vielfache Abwandlung erlaubt, ohne dabei Charakteristik und Wiedererkennungswert zu verlieren.

Bis ins kleinste Detail gut gelöst: Die Lichtführung konnte unsichtbar durchgebohrt werden, in den Vitrinen ist die Beleuchtung blendfrei in den massiven Holzdeckel versenkt, fallweise wurden Pulte zu Schatztruhen mit Glasabdeckung, indem sie präzise ausgehöhlt wurden. Für die Besucher wird beim Abschreiten der Raumfolge der Ausstellung spürbar, wie respektvoll mit Material und Raum umgegangen wurde. Material wurde nicht zu Tode konserviert. Metall wird pur verwendet, Holz darf atmen und altern und bleibt daher auch am Boden ohne Oberflächenbehandlung. Mit sichtbarer Kenntnis einer materialgerechten Verarbeitung wurden die Bohlen nur gegen Verdrehen gesichert.

Ja, hier dürfen Spuren des Gebrauchs entstehen, hier kümmerte man sich nicht in erster Linie um Normen, auch nicht um die trickreiche Abwendung von jeglicher Verantwortung gegenüber dem, was nur mit gemeinsamer Anstrengung entstehen kann (heute leider übliche Praxis). Wer so arbeitet und arbeiten lässt wie in Gurk, der bringt auch dem Besucher Respekt und Vertrauen entgegen, indem er ihm Eigenverantwortung beim sorgsamen Durchgang durch das Museum zutraut. Eine große Anzahl von Exponaten – Statuen, Christuskreuze, Altarflügel, Fastentücher – ist nicht durch Glas gesichert und dennoch so nahe und wirkungsvoll positioniert, wie man sie selbst in Kirchen nicht betrachten kann. Zu vielen bildet der Rand der Flöße eine natürliche Grenze. Nur wer diese nicht respektiert, wird durch eine Stimme aus dem Off, die über Kameras auf einer Sicherheitssäule die Ausstellung überblicken kann, daran erinnert.

Winkler + Ruck – seit zwanzig Jahren in Kärnten tätig – konnte auch einen Seiteneingang zum Dom und den Hof neu gestalten. In der Folge wurden sie ebenfalls mit der Adaptierung eines Gästetrakts betraut. Dass die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten im höchsten Maß geglückt ist, muss nicht extra betont werden. Es ist auf allen Ebenen zu sehen. „All das und mehr“, schreibt Otto Kapfinger im Jurytext zum Bauherrenpreis, „wurde im Vertrauen zu einem gemeinsamen Gang ins Neuland bewältigt und zu einem Resultat gebracht, das hier nicht beschreibbar ist, doch an Ort und Stelle vollkommen stimmig wirkt.“ Dem kann man sich nur anschließen. Gurk ist mindestens eine Reise wert.
Schatzkammer Gurk, geöffnet vom 1. Mai bis 31. Oktober.

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