Bauwerk

Oscar kocht
Christian Dummer, Teresa Stillebacher - Innsbruck (A) - 2014
Oscar kocht, Foto: Günter Richard Wett
Oscar kocht, Foto: Günter Richard Wett
4. Dezember 2014 - aut. architektur und tirol
Der Bauherr Oscar Germes-Castro hat sich schon längst vor diesem „Kulinarium“ durch verschiedene kulturelle Aktivitäten einen Namen gemacht. Der Mexikaner mit kompositorischer Leidenschaft bringt nicht nur Veranstaltungsräume wie die PMK in Innsbruck musikalisch und mit Kurzfilmen zum Sieden, auch bei seinen, im Geheimen veranstalteten Koch-Happenings `The Food-Conspiracy´ konnte er so manchen Gaumen zwischen Innsbruck und Wien entzücken. Dieses `Guerrilla Cooking´ fand damals schon an besonderen Orten statt, zum Beispiel auf einer Baustelle oder in einem Atelier. Der Entschluss, es doch mit einem `eigenen Lokal´ in Innsbruck zu versuchen, brachte den umtriebigen Bauherren mit den Architekten Teresa Stillebacher und Christian Dummer an einen Tisch.

Die architektonische Aufgabe startete mit dem Entwurf des Betriebs-Konzeptes für ein Lokal, in dem sich der Geist der `Conspiracy´ wiederfinden sollte. Alle acht Gäste – für mehr ist im kleinen Raum nicht Platz – sollen an einem Tisch, dem Esstisch des Chefs, zusammenkommen. Der Gast wird, der Intention des Kochs gerecht werdend, nicht nur gut bekocht und bedient, sondern auch gut beraten. Denn jeder Bestandteil des Menüs hat seine Geschichte, das Essen wird hier zum Erlebnis, der Abend zum Genuss.

Dieser Performance im richtigen Maß zu begegnen, war keine leichte Aufgabenstellung für die Architektur. Als erstes wurde der ehemals von einem Uhrmacher besetzte kleine Raum aus der Jahrhundertwende gründlich befreit. Schicht um Schicht weiteten sich Raum und Atmosphäre. Nachdem der alte Zierrat entfernt war, wurden Wände und Decken gewaschen und wieder gewaschen. Dabei kamen alte Malereien zum Vorschein, die sich in die neu gewonnene Patina glänzend einfügen. Ein weiß lackierter Stahlblechkörper um die bestehende Panzerglasscheibe kündigt die Veränderung in der Häuserzeile an, wächst und leitet von der Straße weiter ins Innere, wird zur Bühne des Maestro und zum Bänklein für Wartende. Ein Tisch, acht Stühle und bewusst eingesetztes Licht – mehr ist es nicht. Der Bescheidenheit des Bauherren entsprechend nimmt sich die Architektur zurück und stellt das Essen, das Kochen und die Gäste in den Mittelpunkt.

Das kleine Lokal erhielt bei der „Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen 2016“ eine lobende Erwähnung. „Ein Leben lang hielt Tante Jolesch das Rezept ihrer berühmten Krautfleckerln geheim, bis sie es endlich am Sterbebett offenbarte: sie habe immer zu wenig gemacht. Oscar kocht nicht zu wenig, aber er hat nur einen Tisch! Wenn man Gast sein darf, fühlt man sich privilegiert. Ein leicht schlampig präzises Portal aus scharfkantigem Blech schneidet in den alten Bogen und macht klar: hier wird Potential aktiviert, indem Oscar – ein Mexikaner – vor der goldfarbigen Wand Speisen zubereitet. Innsbruck würde wahrscheinlich mehr davon wollen, weil die Stadt immer zu wenig davon hat.“ (Jurytext: Roland Winkler) (Text: Architekten; red. bearbeitet)

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Für den Beitrag verantwortlich: aut. architektur und tirol

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