Bauwerk

Wohnbau Eisentorgasse
Geiswinkler & Geiswinkler - Mödling (A) - 2014
Wohnbau Eisentorgasse, Foto: Manfred Seidl
Wohnbau Eisentorgasse, Foto: Manfred Seidl

Nobel durch das Haus

Es lässt sich auch im verdichteten Wohnbau so fein wie im eigenen Haus wohnen – wenn nicht gar noch feiner. Der Wiener Speckgürtel goes Haute cuisine. Ein Lokalaugenschein in Mödling.

29. November 2014 - Franziska Leeb
Eine Eigentumswohnanlage, freifinanziert, im Wiener Speckgürtel? Gibt es nichts Relevanteres, worüber man an dieser Stelle berichten könnte, noch dazu wo gerade das Einfordern eines finanzierbaren Wohnbaus beziehungsweise das Bewerben desselben bei Politikern aller Couleurs – Vorwahlkampfzeit ist – wieder groß in Mode ist und selbstverständlich diskutiert werden muss, an welchen Schrauben zu drehen wäre, um die Wohnungskosten zu senken? Nun, der heute vorzustellende Wohnbau liegt ihn Niederösterreich, wo eine Geschoßwohnung noch immer mit einem gewissen Hautgout behaftet ist. Wer sozial und wirtschaftlich halbwegs in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt ist, wohnt in den Kleinstädten und Dörfern bevorzugt im nach wie vor gut mit öffentlichen Förderungsmitteln bedachten Einfamilienhaus anstatt im pluralistischen Geschoßwohnungsbau.

In den peripheren Regionen, wo Baugründe um weit unter 50 Euro pro Quadratmeter zu haben sind, stellt sich spätestensdann, wenn eine Familiengründung angesagt ist, im Normalfall gar nicht die Frage, ob Haus oder Wohnung. Die Folgen sind bekannt: zersiedelte Gegenden, gegen die ein Fertighaus-Ausstellungsgelände ein harmonisches Ensemble ist. Dazu kommen Infrastrukturkosten und Aufwendungen für Sozialversorgung wie Schülerbus oder Heimhilfen, die ein Mehrfaches von jenen in verdichteten Gebieten ausmachen. Allein die durch die technische Erschließung für ein freistehendes Einfamilienhaus verursachten Mehrkosten werden zu maximal 37 Prozent vom Bauwerber bezahlt werden, hat der Architekt und Raumplaner Friedrich Schindegger im Rahmen einer Diskussion in Graz vor wenigen Jahren vorgerechnet, der Rest werde von der Allgemeinheit getragen.

Den Schaden, den die im Einfamilienhausbau übliche Schattenwirtschaft anrichtet, mag man sich gar nicht vorstellen. Solange diese Umstände zu wenig thematisiert werden, wird sich kaum etwas ändern. Es sei denn, die Grundstückspreise ziehen an – was im Bezirk Gmünd wohl kein Thema sein wird, in Bezirken rund um Wien hingegen sehr wohl. Doch auch in den teuren Lagen sind die verdichteten Wohnformen als wahre Alternativen zum Einfamilienhaus mit rundherum eigenem Garten rar, und deshalb soll ein kluges Projekt, das in diesem Segment des feinen, großzügigen Geschoßwohnungsbaus angesiedelt ist, durchaus vor den Vorhang geholt werden.

Geplant haben ihn die Geiswinkler & Geiswinker Architekten, deren Entwurf siegreich aus einem vom Wiener Bauträger Neues Leben im Jahr 2011 ausgelobten Wettbewerb hervorgegangen ist. Am bisherigen Werk von Markus und Kinayeh Geiswinkler haben Wohnbauten – vor allem geförderte Wohnhausanlagen in Wien – den größten Anteil. Das 23 Wohnungen umfassende Haus in Mödling ist ihr erster Wohnbau in Niederösterreich. Das Grundstück zwischen dem denkmalgeschützten Litschauerhof und demGebäude des heute als Jugendzentrum genutzten Mädchen-Lyzeums des Otto-Wagner-Schülers Sepp Hubatsch aus dem Jahr 1905 reicht bis an den Mödlingbach. Die Geiswinklers entschieden sich, die Gunst der Lage zu nutzen und organisierten den Wohnbau gleichsam als Durchhaus mit einer Voraus- und einer Hintausseite. Ein Vorplatz mit Brunnen, eine „große Geste“ in Form eines großen Bügels und die nach außen über alle Geschoße verglaste Erschließungszone bilden ein repräsentatives Entree zur inneren Gasse, die geradlinig durch das Gebäude in den Garten führt und dort in einen Gartenweg übergeht, der in einer neu errichteten Brücke über den Mödlingbach mündet und das Grundstück an die Promenade am andern Bachufer und somit fußläufig ans Stadtzentrum anbindet.

Beiderseits der inneren Gasse stapelten sie von außen nach innen gestaffelt in vier Ebenen die Geschoßwohnungen und Maisonetten. Was auf den ersten Blick aufwendig und kompliziert aussieht, folgt einem raffiniert einfachen Schema. Die tragende Primärstruktur mit konsequent entlang den Erschließungszonen liegenden Sanitärschächten erlaubte dank der Absenz tragender Trennwände eine hohe Flexibilität an Wohnungstypen. Von einem 45 Quadratmeter großen Grundmodul ausgehend, konnten ganze und halbe Module horizontal und vertikal so gut wie beliebig kombiniert werden. Die vom Lift und den Treppenläufen wegführenden Brücken und Gänge bilden im nach obenhin durch die Stapelung sich verjüngenden Luftraum ein schönes räumliches Gefüge von Wegen und Durchblicken. Eine ähnlich großzügig wirkende Methode der Erschließung haben Geiswinkler & Geiswinkler auch bei ihrem Wohnbau auf den Wiener Mautner-Markhof-Gründen gefunden, und auch in ihrem Wohnbau im Karrée Sankt Marx geht einem angesichts der völlig unbeklemmenden, inneren Erschließung das Herz auf.

Im etwas eleganteren Mödlinger Wohnbau ist es nicht nur die Großzügigkeit, die besticht, sondern auch die Ausbildung der Oberflächen und Details. Während außen mit dem Weiß der Fassadenverkleidung aus Aluminiumverbundplatten, den kontrastierenden dunklen Fenstern sowie dem Sichtbeton an Umfassungsmauern, Brunnen und Spielplatzüberdachung eher eine distanzierte Kühle waltet, macht sich innen elegante Gediegenheit bemerkbar. Im stärker frequentierten Erdgeschoß wurde die durchführende interne Gasse mit einem schönen dunklenTerrazzo belegt, alle Treppen, Gänge und Brücken in den Obergeschoßen sind mit einem dunklen Hartholzboden belegt. Fußmatten sind bündig in den Holzboden eingearbeitet, die verchromten Handläufe liegen vertieft in der Wand. Die rahmenlose Glasbrüstung, bündig in die Decken eingefügte Lichtbänder – alles ist akkurat und sorgfältig gelöst, nirgendwo „knirscht“ es.

Es ist ein Haus, in dem die Menschen individuell leben möchten, das spürt man. Es gibt zwar den Vorplatz, den gemeinsamen Garten und einen Kinderspielplatz und die großzügigen internen Erschließungsflächen. Es ist aber fast nicht vorstellbar – oder zumindest zeichnet es sich jetzt noch nicht ab –, dass hier die Bewohner nennenswerte individuelle Spuren hinterlassen werden. Dazu gibt es die großzügigen Terrassen mit Holzboden, die allerdings von außen kaum einsehbar sind. Dennoch sind die halbprivaten Bereiche wichtig, einerseits für das schöne Gefühl, das ein gut inszeniertes Entree bereitet, und auch als zufälliger, ungezwungener Begegnungsraum ohne Verpflichtungen. Waschküche gibt es keine, in diesem Wohnungssegment hat man, wie im Einfamilienhaus, seine eigene Waschmaschine. Dafür gibt es nächst dem Eingang einen Raum mit Fitnessgeräten – die machen sich auch in einer größeren Wohnung nicht so gut. Weiters soll hier noch eine Ausstattung mit gekühlten Zustellboxen erfolgen, dann kann der Einkauf unabhängig von der persönlichen Anwesenheit ins Haus geliefert werden.

Schon in den späten 1960er-Jahren hat Eugen Wörle mit der Terrassensiedlung „Goldene Stiege“ Mödling eine bis heute frisch und elegant wirkende Siedlungsanlage beschert. Geiswinkler & Geiswinkler schließen mit ihrer kleineren Anlage ein wenig daran an und beweisen, dass es sich auch verdichtet fein wohnen lässt.

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