Bauwerk
Verwaltungsgebäude am Bavariaring
Muck Petzet und Partner Architekten - München (D) - 2016
Elegant eingekleidet
Umbau eines Büro- und Wohngebäudes in München
Die neue Gebäudehülle des Münchner Büro- und Wohngebäudes der 70er Jahre zeigt beispielhaft, wie sehr ein Haus sich selbst, aber auch sein Umfeld mit einer neuen Fassade verändern kann. Dünne Glasfaserbeton-Fertigteile spielen dabei die entscheidende Rolle. Von der umfassenden Neugestaltung haben auch die neu strukturierten Bürogeschosse profitiert.
10. Januar 2017 - Roland Pawlitschko
Wer sich vom erhabenen Hügel der Bavaria-Statue quer über die Theresienwiese auf den Weg nach Osten macht, gelangt in ein gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstandenes Stadtviertel mit repräsentativen, meist frei stehenden Villen. Direkt am gegenüberliegenden Rand der »Wiesn«, am Esperantoplatz, entstand 1976 ein Büro- und Wohngebäude für den Verband baugewerblicher Unternehmer Bayerns nach den Plänen Kurt Ackermanns. Die eigenwillige Gebäudeform resultiert aus dem Grundstückszuschnitt, der durch zwei spitzwinklig auf den Platz zulaufende Straßen entsteht. Als kompakter Baukörper mit Zeltdach korrespondierte das Haus gut mit seiner Umgebung, während es architektonisch immer ein Fremdkörper blieb. Ursache hierfür war insbesondere eine vorgehängte Fassade, die sich aus kleinteilig gerasterten, teils transparenten, teils opaken Glasfeldern zusammensetzte. Diese Fassade war fast 40 Jahre später sanierungsbedürftig geworden, und weil sich der Bauherr ohnehin ein neues Innenraumkonzept für die unteren drei Büroetagen wünschte, initiierte er im Jahr 2012 einen geladenen Architektenwettbewerb zur umfassenden Neugestaltung des Gebäudes.
Aus diesem Verfahren ging der Architekt Andreas Ferstl, damals verantwortlicher Partner im Büro Muck Petzet und Partner Architekten, siegreich hervor. Sein Entwurfskonzept sah neben der neuen Gebäudehülle aus vorgefertigten Betonelementen im Wesentlichen eine Kernsanierung und Neustrukturierung der unteren drei Büroebenen vor. Das vormals weitgehend von Lager- und Archivräumen geprägte, halb im Boden liegende EG dient nun als offene Konferenzebene, die sich mithilfe akustisch wirksamer Vorhänge in unterschiedlich große, auch für externe Veranstaltungen genutzte Raumeinheiten aufteilen lässt. Völlig neu präsentieren sich auch die beiden darüber liegenden Bürogeschosse: An die Stelle dunkler, um den Erschließungs- und Sanitärkern herumgeführter Flure und aneinandergereihter Zellenbüros rückte eine Raumstruktur mit abwechselnd offenen und geschlossenen Bereichen. Die so neu entstandene Offenheit erlaubt nicht nur vielfältige Blickbezüge in die Umgebung, sondern auch ein kommunikatives Miteinander. Der Grundriss der vierten Ebene mit insgesamt vier Wohnungen blieb ebenso unangetastet wie die beiden Wohngeschosse unter dem erst im Jahr 2004 erneuerten Blechdach. Als bewusste Reminiszenz an die Entstehungszeit des Gebäudes, verfügt das unveränderte Treppenhaus noch heute über einen Bodenbelag aus rötlichen Klinkern, schwarze Handläufe und Glas-Brüstungselemente.
Vielfältig ambivalent
Egal von welcher Seite man sich heute nähert – das Gebäude reiht sich maßstäblich in die ensemblegeschützte Villenstruktur ein, obwohl es sich zugleich deutlich davon abhebt. Einerseits ist das Grau des Sichtbetons ebenso unfarbig wie die meisten Putzfassaden des Viertels, andererseits gibt es weit und breit keine weiteren Sichtbetonflächen. Einerseits erscheint die Gebäudehülle wie bei den Nachbargebäuden als massive Lochfassade, andererseits ist deren Glasanteil aber mehr als doppelt so hoch. Einerseits wirkt die Fassade so geordnet und ruhig wie bei all den eklektizistischen Villen nebenan, andererseits zeigt sich auf den zweiten Blick, dass die unterschiedlich breiten, bodentiefen Fenster innerhalb der passepartoutartigen Betonrahmen hin und her springen. Dank dieser subtilen Ambivalenz lässt das Gebäude arglose Passanten unbehelligt passieren – sie nehmen nur den selbstverständlich wirken wollenden Stadtbaustein wahr.
Architekturinteressierte hingegen werden neugierig – v. a. jene, die den Bau noch vor der Neugestaltung in Erinnerung haben – und beginnen unwillkürlich, sich über die Fassadenkonstruktion Gedanken zu machen. Ihre Blicke bleiben beispielsweise an den Gehrungsfugen der Betonrahmen hängen, die sofort zu erkennen geben, dass die vermeintliche Massivität ein mit vorgefertigten Elementen realisiertes, gestalterisches Mittel ist.
Material der Wahl
Dass die Fassade aus Beton bestehen würde, stand für Andreas Ferstl schon früh in der Wettbewerbsphase fest – nicht zuletzt weil der Bauherr als Lobbyist für das Baugewerbe eine besondere Affinität zu diesem Material hat. Im Zuge der Entwurfsplanung stellte sich heraus, dass die Verwendung gewöhnlicher Betonfertigteile nicht infrage kam. Wegen der nötigen Betonüberdeckung der Stahlbewehrung wären sie für das skelettartige Tragwerk, aus Deckenplatten, mittigen Rundstützen, breiten Randpfeilern und einem aussteifenden Kern, zu schwer gewesen. Ausgeschlossen war aber auch eine auf eigenem Fundament vor das Gebäude gestellte Fassadenkonstruktion – diese hätte zusätzliche Unterzüge in der bis unter die Grünflächen reichenden Tiefgarage erfordert, die sowohl zu kostspielig als auch räumlich einschränkend gewesen wären. Da eine Lösung mit nur 13 mm Materialdicke der dreidimensional geformten Faserbetonelemente nicht zum gewünschten Eindruck von Massivität geführt hatte, entschieden sich Bauherr und Architekt am Ende für die Ausführung der Elemente mit einer Dicke von rund 30 mm.
Elf Varianten
Da die Herstellung der Schalungen zu den wesentlichen Kostenfaktoren bei der Produktion von Betonfertigteilen zählt, entwickelte der Architekt eine Art Baukastensystem aus lediglich elf unterschiedlichen Elementen, mit denen sich – einschließlich gedrehter und gespiegelter Varianten – letztlich die gesamte hinterlüftete Fassade bespielen ließ. Während die Fertigteile entlang der Deckenstirnseiten durchgängig die gleiche Form haben (eine Ausnahme bilden lediglich die halbierten Elemente am Dachrand), gibt es bei den vertikalen Teilen eine größere Variationsbreite. Grundlage für die Einteilung der einzelnen »Rahmenfelder« ist sowohl die Lage der bestehenden Randpfeiler als auch der gleichmäßige Abstand der Bürotrennwände im Innern. Die unterschiedlichen Größen der Öffnungen hängen zudem noch von der jeweils dahinterliegenden Raumnutzung ab: Offene Bürobereiche verfügen bei gleichem Achsabstand über breitere Fensterflächen, d. h. die Betonelemente sind vergleichsweise schmal. Bei Einzelbüros hingegen ist der Fensteranteil etwas geringer, sodass am Ende ein lockerer Wechsel aus Winkeln, Flächen und Kanten entsteht, der dem Gebäude – trotz aller »Massivität« – eine elegante Leichtigkeit verleiht.
Fassade auf Probe
Die Fassade lebt jedoch nicht nur von der Plastizität der Betonteile, sondern auch von einer hohen Ausführungsqualität. Besonders auffällig sind beispielsweise die dank einer fein justierbaren Stahl-Unterkonstruktion sehr präzise aufeinander zulaufenden Betonkanten. Bei der Beschaffenheit der Fertigteile ist es ausnahmsweise sogar wirklich legitim, von einer samtigen Betonoberfläche zu sprechen, sind bei genauem Hinsehen doch tatsächlich feine Härchen der Glasfaserbeimischung zu erkennen. Perfekt im Sinne eines absoluten Gleich- und Ebenmaßes ist der im Werk gesäuerte und vor Ort hydrophobierend beschichtete Beton nicht. Wie so oft sind auch hier durch fehlerhafte Zwischenlagerungen oder Witterungseinflüsse entstandene Verfärbungen zu sehen. Dass keine Tropfkantendetails ausgebildet wurden, lässt sich anhand stellenweise sichtbarer Schlieren ebenfalls erkennen. Doch genau das macht den mit einem hellen, feinkörnigen Zuschlagstoff versehenen Beton auf eine sympathische Art authentisch. Diese Wirkung ist freilich kein Zufall, sondern das Ergebnis eines gut neunmonatigen Tests, den ein Mock-up vor Ort – gleichsam am Original-Schauplatz – durchlief. Als weitere, daraus hervorgehende Erkenntnis stellte sich heraus, dass sich die Betonoberflächen am besten mit einem Schwamm und nicht etwa mit Hochdruckreinigern säubern lassen.
Die sorgfältige Planung hat den Bewohnern des 3. OG nicht nur einen Fassadentausch in bewohntem Zustand innerhalb von nur wenigen Wochen beschert, v. a. hat sie dieses Gebäude zum neuen repräsentativen Aushängeschild für den Verband Baugewerblicher Unternehmer Bayern gemacht – an einem Standort, der während des Oktoberfests alljährlich von gut 6 Mio. Menschen besucht wird.
Aus diesem Verfahren ging der Architekt Andreas Ferstl, damals verantwortlicher Partner im Büro Muck Petzet und Partner Architekten, siegreich hervor. Sein Entwurfskonzept sah neben der neuen Gebäudehülle aus vorgefertigten Betonelementen im Wesentlichen eine Kernsanierung und Neustrukturierung der unteren drei Büroebenen vor. Das vormals weitgehend von Lager- und Archivräumen geprägte, halb im Boden liegende EG dient nun als offene Konferenzebene, die sich mithilfe akustisch wirksamer Vorhänge in unterschiedlich große, auch für externe Veranstaltungen genutzte Raumeinheiten aufteilen lässt. Völlig neu präsentieren sich auch die beiden darüber liegenden Bürogeschosse: An die Stelle dunkler, um den Erschließungs- und Sanitärkern herumgeführter Flure und aneinandergereihter Zellenbüros rückte eine Raumstruktur mit abwechselnd offenen und geschlossenen Bereichen. Die so neu entstandene Offenheit erlaubt nicht nur vielfältige Blickbezüge in die Umgebung, sondern auch ein kommunikatives Miteinander. Der Grundriss der vierten Ebene mit insgesamt vier Wohnungen blieb ebenso unangetastet wie die beiden Wohngeschosse unter dem erst im Jahr 2004 erneuerten Blechdach. Als bewusste Reminiszenz an die Entstehungszeit des Gebäudes, verfügt das unveränderte Treppenhaus noch heute über einen Bodenbelag aus rötlichen Klinkern, schwarze Handläufe und Glas-Brüstungselemente.
Vielfältig ambivalent
Egal von welcher Seite man sich heute nähert – das Gebäude reiht sich maßstäblich in die ensemblegeschützte Villenstruktur ein, obwohl es sich zugleich deutlich davon abhebt. Einerseits ist das Grau des Sichtbetons ebenso unfarbig wie die meisten Putzfassaden des Viertels, andererseits gibt es weit und breit keine weiteren Sichtbetonflächen. Einerseits erscheint die Gebäudehülle wie bei den Nachbargebäuden als massive Lochfassade, andererseits ist deren Glasanteil aber mehr als doppelt so hoch. Einerseits wirkt die Fassade so geordnet und ruhig wie bei all den eklektizistischen Villen nebenan, andererseits zeigt sich auf den zweiten Blick, dass die unterschiedlich breiten, bodentiefen Fenster innerhalb der passepartoutartigen Betonrahmen hin und her springen. Dank dieser subtilen Ambivalenz lässt das Gebäude arglose Passanten unbehelligt passieren – sie nehmen nur den selbstverständlich wirken wollenden Stadtbaustein wahr.
Architekturinteressierte hingegen werden neugierig – v. a. jene, die den Bau noch vor der Neugestaltung in Erinnerung haben – und beginnen unwillkürlich, sich über die Fassadenkonstruktion Gedanken zu machen. Ihre Blicke bleiben beispielsweise an den Gehrungsfugen der Betonrahmen hängen, die sofort zu erkennen geben, dass die vermeintliche Massivität ein mit vorgefertigten Elementen realisiertes, gestalterisches Mittel ist.
Material der Wahl
Dass die Fassade aus Beton bestehen würde, stand für Andreas Ferstl schon früh in der Wettbewerbsphase fest – nicht zuletzt weil der Bauherr als Lobbyist für das Baugewerbe eine besondere Affinität zu diesem Material hat. Im Zuge der Entwurfsplanung stellte sich heraus, dass die Verwendung gewöhnlicher Betonfertigteile nicht infrage kam. Wegen der nötigen Betonüberdeckung der Stahlbewehrung wären sie für das skelettartige Tragwerk, aus Deckenplatten, mittigen Rundstützen, breiten Randpfeilern und einem aussteifenden Kern, zu schwer gewesen. Ausgeschlossen war aber auch eine auf eigenem Fundament vor das Gebäude gestellte Fassadenkonstruktion – diese hätte zusätzliche Unterzüge in der bis unter die Grünflächen reichenden Tiefgarage erfordert, die sowohl zu kostspielig als auch räumlich einschränkend gewesen wären. Da eine Lösung mit nur 13 mm Materialdicke der dreidimensional geformten Faserbetonelemente nicht zum gewünschten Eindruck von Massivität geführt hatte, entschieden sich Bauherr und Architekt am Ende für die Ausführung der Elemente mit einer Dicke von rund 30 mm.
Elf Varianten
Da die Herstellung der Schalungen zu den wesentlichen Kostenfaktoren bei der Produktion von Betonfertigteilen zählt, entwickelte der Architekt eine Art Baukastensystem aus lediglich elf unterschiedlichen Elementen, mit denen sich – einschließlich gedrehter und gespiegelter Varianten – letztlich die gesamte hinterlüftete Fassade bespielen ließ. Während die Fertigteile entlang der Deckenstirnseiten durchgängig die gleiche Form haben (eine Ausnahme bilden lediglich die halbierten Elemente am Dachrand), gibt es bei den vertikalen Teilen eine größere Variationsbreite. Grundlage für die Einteilung der einzelnen »Rahmenfelder« ist sowohl die Lage der bestehenden Randpfeiler als auch der gleichmäßige Abstand der Bürotrennwände im Innern. Die unterschiedlichen Größen der Öffnungen hängen zudem noch von der jeweils dahinterliegenden Raumnutzung ab: Offene Bürobereiche verfügen bei gleichem Achsabstand über breitere Fensterflächen, d. h. die Betonelemente sind vergleichsweise schmal. Bei Einzelbüros hingegen ist der Fensteranteil etwas geringer, sodass am Ende ein lockerer Wechsel aus Winkeln, Flächen und Kanten entsteht, der dem Gebäude – trotz aller »Massivität« – eine elegante Leichtigkeit verleiht.
Fassade auf Probe
Die Fassade lebt jedoch nicht nur von der Plastizität der Betonteile, sondern auch von einer hohen Ausführungsqualität. Besonders auffällig sind beispielsweise die dank einer fein justierbaren Stahl-Unterkonstruktion sehr präzise aufeinander zulaufenden Betonkanten. Bei der Beschaffenheit der Fertigteile ist es ausnahmsweise sogar wirklich legitim, von einer samtigen Betonoberfläche zu sprechen, sind bei genauem Hinsehen doch tatsächlich feine Härchen der Glasfaserbeimischung zu erkennen. Perfekt im Sinne eines absoluten Gleich- und Ebenmaßes ist der im Werk gesäuerte und vor Ort hydrophobierend beschichtete Beton nicht. Wie so oft sind auch hier durch fehlerhafte Zwischenlagerungen oder Witterungseinflüsse entstandene Verfärbungen zu sehen. Dass keine Tropfkantendetails ausgebildet wurden, lässt sich anhand stellenweise sichtbarer Schlieren ebenfalls erkennen. Doch genau das macht den mit einem hellen, feinkörnigen Zuschlagstoff versehenen Beton auf eine sympathische Art authentisch. Diese Wirkung ist freilich kein Zufall, sondern das Ergebnis eines gut neunmonatigen Tests, den ein Mock-up vor Ort – gleichsam am Original-Schauplatz – durchlief. Als weitere, daraus hervorgehende Erkenntnis stellte sich heraus, dass sich die Betonoberflächen am besten mit einem Schwamm und nicht etwa mit Hochdruckreinigern säubern lassen.
Die sorgfältige Planung hat den Bewohnern des 3. OG nicht nur einen Fassadentausch in bewohntem Zustand innerhalb von nur wenigen Wochen beschert, v. a. hat sie dieses Gebäude zum neuen repräsentativen Aushängeschild für den Verband Baugewerblicher Unternehmer Bayern gemacht – an einem Standort, der während des Oktoberfests alljährlich von gut 6 Mio. Menschen besucht wird.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel
Akteure
ArchitekturBauherrschaft
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Tragwerksplanung