Bauwerk
Wohnbebauung f49
wiesflecker-architekten, Michael Kritzinger - Innsbruck (A) - 2016
Häuser im Dialog
Raffiniert hineingewebt. Kein Lückenbüßer, sondern eine gelungene Aufwertung für das ganze Quartier ist die neue Wohnanlage f49 in Innsbruck, verantwortet von Johannes Wiesflecker und Michael Kritzinger.
18. März 2017 - Franziska Leeb
Nah zum Stadtzentrum und zur Universität am Innrain gelegen, ist der Stadtteil Höttinger Au eine der attraktiven Wohngegenden Innsbrucks. Erst ab dem 20. Jahrhundert dichter bebaut, finden sich hier immer noch Bauplätze, die nach und nach vor allem mit Wohnbebauungen gefüllt werden. Eine der architektonisch ambitioniertesten unter den jüngeren Eigentumswohnanlagen ist die Wohnanlage f49 zwischen Fürstenweg und Ampfererstraße. Der schmale z-förmige Bauplatz war zuvor Standort einer Tankstelle samt Tiefgarage, also locker bebaut. Um für das 4.800 Quadratmeter große Grundstück bei höherer Dichte eine qualitativ hochwertige Lösung zu finden, verlangte die Stadtplanung die Auslobung eines Architekturwettbewerbs. Das ist in heikleren städtebaulichen Situationen und immer dann, wenn eine Neubebauung eine Änderung des Bebauungsplans bedingt, in der Tiroler Landeshauptstadt gute Praxis.
Die Herausforderung für die zehn geladenen Wettbewerbsteilnehmer bestand darin, die neue Anlage in die bestehende Baustruktur aus Fragmenten älterer Blockrandbebauungen und zeilenförmigen, durchgrünten Bebauungen, denen städtebauliche Überlegungen und Bebauungspläne aus den 1960er- und 1970er-Jahren zugrunde liegen, einzufügen und trotz hoher Dichte hohe Wohnqualität zu schaffen. Johannes Wiesflecker in Arbeitsgemeinschaft mit seinem früheren Mitarbeiter Michael Kritzinger konnte die Jury mit einer schlüssigen Weiterentwicklung der bestehenden Zeilenbebauung und einer Verdichtung zur Mitte hin überzeugen. Die Entwicklung in die Vertikale spielt Platzräume frei, unterschiedliche Höhen und Haustypen erzeugen Vielfalt: So kann man die städtebauliche Strategie der Architekten knapp zusammenfassen.
Die Art, wie sie die Lücke füllten, wirkt fast intuitiv und spielerisch. Parallel zu den Grundstücksgrenzen in Längsrichtung gesetzte lange Riegel und Fragmente von Riegeln stricken das Bebauungsmuster der Umgebung fort und docken an die Feuermauern der Nachbarhäuser an. Ein langer Siebengeschoßer führt vom Fürstenweg in die Tiefe, in der Mitte kumuliert die Bebauung in einem neungeschoßigen Turm. Häuserpaare sind mit je einem Stiegenhaus erschlossen und über raumhochverglaste Zwischenglieder miteinander verbunden. Durch die versetzte Stellung der Baukörper entstehen Plätze und schmälere Durchgänge unterschiedlichen Charakters. Der weitläufigste Freiraum entfaltet sich um den Turm. Mauern mit integrierten Sitzbänken geben den Gärten der Erdgeschoßwohnungen Sichtschutz. Das hochwertige Ambiente des Außenraumes mitattraktiven Wegen und Verweilorten kommt auch den Nutzern des öffentlichen Geh- undRadweges zugute, der das Grundstück in Ost-West-Richtung quert.
Ebenso unverkrampft und fantasievoll wie die städtebauliche Konfiguration wurden die Fassaden komponiert. Eine gewisse Affinität zur Material- und Formensprache der Architektur der 1960er-Jahre, die Johannes Wiesflecker schon an anderen Gebäuden, zum Beispiel dem in der Nähe gelegenen Bischof-Paulus-Heim für Studierende, erkennen ließ, ist auch der Wohnhausanlage f49 zu eigen. Das äußert sich zum Beispiel in den runden Stiegenhausfenstern mit konturierenden Metallmanschetten oder demrecht kräftig strukturierten Modellierputz, mit dem die Vollwärmeschutzfassade veredelt wurde. Ohne ästhetische Unruhe zu verursachen, sorgen auch die unterschiedlichen Balkonbrüstungen für Abwechslung: Teilweise bestehen sie aus eigens für das Projekt entwickelten Fertigteilen aus glasfaserverstärktem Beton, deren Lochung sich nach außen konisch weitet, um innen nicht als Steighilfe zu wirken. Kontrastierend dazu kamen Brüstungen aus schwarzem Lochblech zum Einsatz, die zusammen mit den gleichfarbigen Fensterrahmen dem Haus markante Gesichtszüge zeichnen. Unterschiedliche Fensterformate, mitunter zu Feldern oder vertikalen Bändern zusammengefasst, was den Maßstab der Bauten bricht, bilden gemeinsam mit den gelegentlich gegeneinander versetzten Balkonen spannungsreiche Kompositionen, die wiederum für ein abwechslungsreiches Schauerlebnis sorgen.
Variantenreich sind auch die Wohnungszuschnitte. Sie reichen von kompakten Einzimmerwohnungen über ökonomisch organisierte 45-Quadratmeter-Wohnungen mit Essküche, Bad und zwei Zimmern über größere Familienwohnungen, bis hin zu Vier-Zimmer-Maisonetten. Alle haben Balkone, die jeweils mit mindestens 2,5 Metern Tiefe sehr geräumig sind und von überaus gut nutzbaren 14 Quadratmetern bei den kleinsten Wohnungen mit der Wohnungsgröße mitwachsen, sodass sie durchaus als zusätzliches Wohnzimmer aufgefasst werden können.
Materialität und Farbigkeit sind reduziert: Beton, Putz, Metall, Holz. Sparsame Farbakzente in Signalfarben à la Le Corbusier finden sich nur in den Stiegenhäusern, wo wie in den Gängen Sichtbeton dominiert. Brüstungen aus schwarzem Stahlblech, Handläufe aus Holz und raumhohe Eichentüren, in deren Holzverblendung die Gangbeleuchtung integriert ist, sorgen für ein edel anmutendes Ambiente. Von den Erschließungszonen aus, wo raumhohe Verglasungen von schwarzen Lüftungsflügeln begleitet werden, offenbart sich die Raffinesse des detailreichen Siedlungsgewebes noch eindrücklicher als auf dem Gartenniveau. Durchblicke und Fugen geben Ausschnitte der Siedlung und schöne Aussichten auf die Umgebung frei. Es ist ein äußerst wohlgestalteter Wohnbau, der sich nicht arrogant gegenüber den älteren Nachbarn aufspielt, sondern mit ihnen in einen Dialog tritt und damit auch sie stärkt.
Und es gelang der Beweis, dass trotz der vielbeklagten zu erfüllenden Vorschriften und Normen eine Wohnanlage ein Stück Baukunst sein kann. Dazu braucht es anspruchsvolle Bauherren, die das überhaupt wollen. Der Bauträger Weinberg, der in diesem Fall den überwiegenden Part verantwortet, sei so ein Bauherr, meint Architekt Wiesflecker. Für den Bauteil an der Ampfererstraße, der eine Kinderkrippe und Wohnungen beherbergt, war ein anderer Auftraggeber zuständig, der meinte, an Details einsparen zu können. Zusammengestutzte Manschetten bei den Rundfenstern und um ein paar Zentimeter verkürzte Geländer: Ob das den Gewinn um so viel aufgefettet hat, wie es ästhetisch schmerzlich ist?
Die Herausforderung für die zehn geladenen Wettbewerbsteilnehmer bestand darin, die neue Anlage in die bestehende Baustruktur aus Fragmenten älterer Blockrandbebauungen und zeilenförmigen, durchgrünten Bebauungen, denen städtebauliche Überlegungen und Bebauungspläne aus den 1960er- und 1970er-Jahren zugrunde liegen, einzufügen und trotz hoher Dichte hohe Wohnqualität zu schaffen. Johannes Wiesflecker in Arbeitsgemeinschaft mit seinem früheren Mitarbeiter Michael Kritzinger konnte die Jury mit einer schlüssigen Weiterentwicklung der bestehenden Zeilenbebauung und einer Verdichtung zur Mitte hin überzeugen. Die Entwicklung in die Vertikale spielt Platzräume frei, unterschiedliche Höhen und Haustypen erzeugen Vielfalt: So kann man die städtebauliche Strategie der Architekten knapp zusammenfassen.
Die Art, wie sie die Lücke füllten, wirkt fast intuitiv und spielerisch. Parallel zu den Grundstücksgrenzen in Längsrichtung gesetzte lange Riegel und Fragmente von Riegeln stricken das Bebauungsmuster der Umgebung fort und docken an die Feuermauern der Nachbarhäuser an. Ein langer Siebengeschoßer führt vom Fürstenweg in die Tiefe, in der Mitte kumuliert die Bebauung in einem neungeschoßigen Turm. Häuserpaare sind mit je einem Stiegenhaus erschlossen und über raumhochverglaste Zwischenglieder miteinander verbunden. Durch die versetzte Stellung der Baukörper entstehen Plätze und schmälere Durchgänge unterschiedlichen Charakters. Der weitläufigste Freiraum entfaltet sich um den Turm. Mauern mit integrierten Sitzbänken geben den Gärten der Erdgeschoßwohnungen Sichtschutz. Das hochwertige Ambiente des Außenraumes mitattraktiven Wegen und Verweilorten kommt auch den Nutzern des öffentlichen Geh- undRadweges zugute, der das Grundstück in Ost-West-Richtung quert.
Ebenso unverkrampft und fantasievoll wie die städtebauliche Konfiguration wurden die Fassaden komponiert. Eine gewisse Affinität zur Material- und Formensprache der Architektur der 1960er-Jahre, die Johannes Wiesflecker schon an anderen Gebäuden, zum Beispiel dem in der Nähe gelegenen Bischof-Paulus-Heim für Studierende, erkennen ließ, ist auch der Wohnhausanlage f49 zu eigen. Das äußert sich zum Beispiel in den runden Stiegenhausfenstern mit konturierenden Metallmanschetten oder demrecht kräftig strukturierten Modellierputz, mit dem die Vollwärmeschutzfassade veredelt wurde. Ohne ästhetische Unruhe zu verursachen, sorgen auch die unterschiedlichen Balkonbrüstungen für Abwechslung: Teilweise bestehen sie aus eigens für das Projekt entwickelten Fertigteilen aus glasfaserverstärktem Beton, deren Lochung sich nach außen konisch weitet, um innen nicht als Steighilfe zu wirken. Kontrastierend dazu kamen Brüstungen aus schwarzem Lochblech zum Einsatz, die zusammen mit den gleichfarbigen Fensterrahmen dem Haus markante Gesichtszüge zeichnen. Unterschiedliche Fensterformate, mitunter zu Feldern oder vertikalen Bändern zusammengefasst, was den Maßstab der Bauten bricht, bilden gemeinsam mit den gelegentlich gegeneinander versetzten Balkonen spannungsreiche Kompositionen, die wiederum für ein abwechslungsreiches Schauerlebnis sorgen.
Variantenreich sind auch die Wohnungszuschnitte. Sie reichen von kompakten Einzimmerwohnungen über ökonomisch organisierte 45-Quadratmeter-Wohnungen mit Essküche, Bad und zwei Zimmern über größere Familienwohnungen, bis hin zu Vier-Zimmer-Maisonetten. Alle haben Balkone, die jeweils mit mindestens 2,5 Metern Tiefe sehr geräumig sind und von überaus gut nutzbaren 14 Quadratmetern bei den kleinsten Wohnungen mit der Wohnungsgröße mitwachsen, sodass sie durchaus als zusätzliches Wohnzimmer aufgefasst werden können.
Materialität und Farbigkeit sind reduziert: Beton, Putz, Metall, Holz. Sparsame Farbakzente in Signalfarben à la Le Corbusier finden sich nur in den Stiegenhäusern, wo wie in den Gängen Sichtbeton dominiert. Brüstungen aus schwarzem Stahlblech, Handläufe aus Holz und raumhohe Eichentüren, in deren Holzverblendung die Gangbeleuchtung integriert ist, sorgen für ein edel anmutendes Ambiente. Von den Erschließungszonen aus, wo raumhohe Verglasungen von schwarzen Lüftungsflügeln begleitet werden, offenbart sich die Raffinesse des detailreichen Siedlungsgewebes noch eindrücklicher als auf dem Gartenniveau. Durchblicke und Fugen geben Ausschnitte der Siedlung und schöne Aussichten auf die Umgebung frei. Es ist ein äußerst wohlgestalteter Wohnbau, der sich nicht arrogant gegenüber den älteren Nachbarn aufspielt, sondern mit ihnen in einen Dialog tritt und damit auch sie stärkt.
Und es gelang der Beweis, dass trotz der vielbeklagten zu erfüllenden Vorschriften und Normen eine Wohnanlage ein Stück Baukunst sein kann. Dazu braucht es anspruchsvolle Bauherren, die das überhaupt wollen. Der Bauträger Weinberg, der in diesem Fall den überwiegenden Part verantwortet, sei so ein Bauherr, meint Architekt Wiesflecker. Für den Bauteil an der Ampfererstraße, der eine Kinderkrippe und Wohnungen beherbergt, war ein anderer Auftraggeber zuständig, der meinte, an Details einsparen zu können. Zusammengestutzte Manschetten bei den Rundfenstern und um ein paar Zentimeter verkürzte Geländer: Ob das den Gewinn um so viel aufgefettet hat, wie es ästhetisch schmerzlich ist?
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