Bauwerk

Post am Rochus
Schenker Salvi Weber, feld72 - Wien (A) - 2017
Post am Rochus, Foto: Lukas Schaller
Post am Rochus, Foto: Lukas Schaller
Post am Rochus, Foto: Lukas Schaller
Post am Rochus, Foto: Lukas Schaller

Elefant mit Feinheiten

Die Post am Rochusmarkt

Nur auf den ersten Blick eine klassische Blockrandbebauung mit Innenhöfen und Rasterfassade: Schenker Salvi Weber und feld72 hüllen ein Glashaus in einen Mantel aus Kunststein, dessen Feinheiten erst bei genauerem Hinsehen zum Vorschein kommen.

11. November 2017 - Christian Kühn
Urbanissima: So nannten die Autoren der Innsbrucker Hochhausstudie des Jahres 2002 einen speziellen Typus von Hochhaus, geeignet für das dicht bebaute Stadtgebiet. Während konventionelle Hochhäuser wie Giraffen in der Stadt herumstehen, ist dieser Typus ein Elefant: Er ragt als kompakte Masse aus seiner Umgebung auf, hoffentlich ohne sie zu erdrücken, und ist in den unteren Geschoßen eng mit ihr verknüpft.

Der neue Hauptsitz der Post AG im dritten Wiener Gemeindebezirk ist ein Exemplar dieser Gattung. Baurechtlich ein Hochhaus, ist er typologisch eine Blockrandbebauung mit Innenhöfen. Das Grundstück liegt am Rochusplatz, einer Erweiterung der Landstraßer Hauptstraße. Wichtigster Anziehungspunkt ist neben der U-Bahnstation der U3 ein kleiner, gut sortierter Markt, der es im Angebot fast mit dem Naschmarkt aufnehmen kann. Das bisher dominanteste Gebäude am Platz ist ein von Harry Glück entworfenes ehemaliges Finanzamt aus den 1960er-Jahren, das vor Kurzem in einen Wohnbau umgewandelt wurde. Der Fassadenrhythmus des Altbaus wurde beibehalten, die Farbgebung aber radikal verändert, indem die grauen Betonelemente der Fassade schwarz verkleidet wurden. Im rechten Winkel zu dieser schwarzen Rasterfassade liegt die mit weißem Kunststein verkleidete der neuen „Post am Rochus“. Das Grundstück befand sich bereits im Besitz der Post und war mit Bestandsbauten besetzt, überwiegend aus den 1950er-Jahren – mit Ausnahme eines Trakts an der Rasumofskygasse aus den 1920er-Jahren, dessen Fassade unter Denkmalschutz steht.

Die Entscheidung, die Konzernzentrale an diesen Ort zu legen und nicht in ein neues Stadtquartier, an dem man sich vielleicht mehr in Szene hätte setzen können, begründet die Post nicht nur mit der guten Verkehrsanbindung, sondern vor allem mit der Qualität des Stadtlebens mit zahlreichen Restaurants und dem Markt vor der Tür. Auf eine Kantine für die 1100 Mitarbeiter wurde verzichtet, allerdings befindet sich im Sockel des Neubaus ein großer öffentlicher Gastronomiebetrieb. Der Entwurf stammt von den Architekten Schenker Salvi Weber in Kooperation mit dem Büro feld72, wobei Letzteres in der zweiten Stufe eines 2013 EU-weit ausgeschriebenen Architekturwettbewerbs als Verstärkung ins Boot geholt wurde.

Dass die Post sich auf einen internationalen Wettbewerb einließ, bei dem auch junge Büros mit wenig Referenzen zugelassen waren, ist ihr hoch anzurechnen. Eine solche Entscheidung kommt nicht von ungefähr: Georg Pölzl, Vorsitzender des Post-Vorstands, hat sich schon in seiner Zeit bei T-Mobile mit dem T-Center in St. Marx, dem Blauwal unter Wiens Corporate Headquarters, als mutiger Bauherr erwiesen. Hinter der Rasterfassade der Post am Rochus liegt ein raffinierter Grundriss, der aus dem komplizierten Grundstück etwas Einzigartiges herausholt. Vom denkmalgeschützten Bereich bleibt nicht nur die Fassade erhalten, sondern der ganze Trakt an der Rasumofskygasse, an den hofseitig ein 35 Meter hohes, lang gestrecktes Atrium mit Oberlicht anschließt, das alle Bürogeschoße verbindet. Die Arbeitsplätze der Mitarbeiter sind um zwei große, präzise in den Baukörper eingeschnittene Höfe angeordnet. Theoretisch könnten die Arbeitsplätze auf diesem Grundriss auch in Zellenbüros mit einem Raster von 2,7 Metern organisiert werden. Die Post AG hat sich jedoch für ein Großraumkonzept entschieden, das sich schon bei anderen Headquarters wie dem Erste Campus bewährt hat. Im Unterschied zum Erste Campus gibt es hier eine Mittelzone mit verglasten Rückzugs- und Besprechungsräumen, die mit Vorhängen abgeschlossen werden können. Innerhalb einer Abteilung herrscht freie Platzwahl, potenziell täglich, was je nach Abteilung unterschiedlich gehandhabt wird. Die Flexibilität im Großraum hilft, Flächen zu sparen, da es für zehn Mitarbeiter nur neun Arbeitsstationen gibt.

Vor allem bietet die weite Sichtverbindung quer über die Höfe eine völlig andere Arbeitsatmosphäre als im Zellenbüro. Wer hier arbeitet, soll wissen: Die Post ist kein Amt mehr, sondern ein innovatives Unternehmen. Parallel zum Atrium, das den Mitarbeitern vorbehalten ist, liegt im Erdgeschoß eine Passage, die den Rochusmarkt mit dem Grete-Jost-Park verbindet, einem begrünten Innenhof, der mit allen benachbarten Straßen verbunden ist. Ein Drittel aller Besucher der Einkaufspassage, die im Untergeschoß einen großen Lebensmittelmarkt bietet, kommt über diesen Weg.

Das Äußere des Hauses löst unterschiedliche Reaktionen aus. Hell und freundlich für die einen, ist es für andere eine Variation von David Chipperfields Kaufhausfassade in der Kärntner Straße. Ein genauer Blick lohnt sich jedenfalls. Während Chipperfields Fassade auch eine tragende Wand ist, sind die Rahmenelemente bei der Post am Rochus vorgehängt, mit tragenden Säulen hinter der Fassade. Im Grunde handelt es sich um ein fast vollständig verglastes Gebäude mit raumhohen Scheiben. Die Fassade ist eine dicke Haut mit eigenen Aufgaben. Alle horizontalen Elemente dienen dem Brandschutz, indem sie den Brandüberschlag zwischen den Geschoßen verhindern. Hinter den vertikalen Elementen befinden sich Lüftungsflügel, mit denen die Nutzer Frischluft ins Haus lassen können. Dafür gibt es im Betonelement kleine, kreisförmige Öffnungen.

Mit diesen Bausteinen inszenieren die Architekten ein Ornament in der Fassade, das erst beim genaueren Hinsehen auffällt. Die kreisförmigen Öffnungen sind jeweils einseitig in die Betonelemente geschnitten, wodurch sich in der Seitenansicht ein Spiel von gelochten und glatten Elementen ergibt. Gleichzeitig ändert sich die Breite der Stirnseiten dieser Elemente, die man in der klassischen Fassadenterminologie als Lisenen bezeichnen würde. Sie sind im obersten Geschoß schmal und im untersten breit, wobei sich dieses Verhältnis an anderen Stellen der Fassade umkehrt und schmale Lisenen im Sockelbereich nach oben breiter werden. Wie oft bei solchen Übungen ist der heikle Punkt die Ecke, die in diesem Fall als sauber gespachtelte Kante ausgebildet ist. Mit etwas mehr Mut zur Irritation hätte man hier deutlicher machen können, dass diese Fassade keine klassizistische ist.

Ob solche Feinheiten beim Passanten ankommen? Vielleicht darf man sich ja ab und zu auf die Position zurückziehen, Architektur sei die Kunst, das Nutzlose notwendig zu machen.

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