Bauwerk
Louvre Abu Dhabi
Jean Nouvel - Abu Dhabi (UAE) - 2017
Arabischer Sternenregen aus Licht und Geld
Der französische Louvre eröffnet in Abu Dhabi einen ambitionierten Ableger: Das „Museum der Toleranz“ ist den Gemeinsamkeiten der Zivilisationen verpflichtet – und nebenbei einer Partnerschaft zwischen Frankreich und den Arabischen Emiraten.
9. November 2017 - Stefan Brändle
Die Palmen sind geschnitten, der herangeschaffte Naturrasen ist eingepasst: Alles ist bereit für die Einweihung des Louvre Abu Dhabi durch Scheich Khalifa bin Zayed Al Nahyan, den Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), und seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron.
Jean Nouvels neues Wunderwerk arabesker Schlichtheit hat als Wahrzeichen eine flache Kuppel von 180 Metern im Durchmesser. Gebildet wird sie aus knapp 8000 Metallsternen, die einen „Lichtregen“ entstehen lassen und dem Besucher das Gefühl vermitteln, „im ruhigen Schatten“ einer Medina zu wandeln, wie Nouvel am Dienstag vor Ort erklärte.
Ein erster Durchgang durch die Säle bestätigt den Anspruch des Louvre Abu Dhabi als „erstes universelles Museum der arabischen Welt“ (Pressetext). Das Spektrum ist sehr breit – so breit, dass es zum Umdenken zwingt. Was verbindet neolithische Figuren aus Zypern mit antiken Objekten aus Ägypten, Rom und Indien? Was altarabische Schätze – ein Blatt des „blauen Koran“ oder ein Astrolabium – mit Gemälden von da Vinci oder Holbein? Was mit Matisse, Klee, Pollock und (zuletzt noch für 21,5 Millionen Euro dazugekommen) Mondrian? Ein van Gogh fehlt ebenso wenig wie ein Picasso.
Umdenken ist erforderlich, weil der zweite Louvre nicht nach Perioden oder Regionen ausstellt, sondern „transversal“, wie Direktor Manuel Rabaté sagt. Die verschachtelten Abteilungen tragen Namen wie „erste Dörfer“, „Am Hof der Prinzen“ oder „Kosmografien“ oder „universelle Religionen“ – genannt sind Buddhismus, Christentum, Islam. Dazu kommt eine hebräische Bibel.
Diese Gliederung folgt laut Rabaté „den Gemeinsamkeiten zwischen den Zivilisationen und Epochen“. Nicht immer werden sie ersichtlich. Bisweilen wirkt das ökumenische Angebot eher wie ein Sammelsurium musealer Blockbuster.
Abu Dhabi wäre durchaus prädestiniert, eine globale Sicht von West und Ost, Europa und Orient, afrikanischen und japanischen Kunstobjekten zu vermitteln: Das größte der sieben vereinten Emirate liegt geografisch wirklich zwischen den Kulturen, auch zwischen Wüste und Wasser, zwischen Aufbruch und Tradition. Der Direktor der Kultur- und Tourismusbehörde der Emirate, Mohamed Khalifa Al Mubarak, betonte in seiner Begrüßungsrede vor 500 Journalisten mehrfach, der Louvre Abu Dhabi sei „nicht nur ein Museum, sondern ein Zentrum der Toleranz“. Geschmälert wird der Anspruch einzig durch die Absenz von unbekleideten Akten. Bellinis Jungfrau mit Kind trägt immerhin Kopftuch.
Wie Doha oder Dubai, die beiden anderen Wolkenkratzermagnete am Golf, setzt das gesellschaftlich und religiös aufgeschlossene Scheichtum Abu Dhabi auf Museen, Festivals und Tourismus, um für die Zeit nach dem Öl und Erdgas vorzusorgen. Der neue Louvre ist nur der erste Stein eines ganzen Kulturbezirks, der auf der Saadiyat-Insel am Rande der Millionenmetropole für 27 Milliarden Dollar aus dem Boden gestampft wird. Auf den Baubeginn warten auch ein Ableger des New Yorker Guggenheim-Museums und ein nationales Zayed-Museum, dazu Golfplätze, Konzerthallen und Hotelkomplexe.
Als Abu Dhabi 2007 in Paris vorstellig wurde und einen Louvre-Zwilling am Golf anregte, winkte dessen Pariser Vorsteher Henri Loyrette entschieden ab. Bald aber setzten sich die Argumente des Scheichtums durch. Die VAE zahlen allein für die auf 30 Jahre befristete Benutzung des Namens „Louvre“ 400 Millionen Euro. Dazu kommen 190 Millionen für Leihgaben wie etwa einen da Vinci (seine Mona Lisa natürlich ausgenommen). Weitere 165 Millionen geben sie aus für die technische Hilfe von Experten der zwölf bekanntesten Museen Frankreichs.
Die Sammlung wurde faktisch nach dem Prinzip zusammengestellt: Die VAE schlagen vor, die Franzosen entscheiden. Und dann zahlen die VAE. Letztere stellten die Zahlungen mindestens einmal ein, weil sie mit der Wahl nicht zufrieden waren. Zum Schluss einigte man sich aber zuverlässig.
Den Franzosen war nicht nur an einem Kulturexport in einen Wüstenstaat gelegen. Vor zehn Jahren, fast gleichzeitig mit dem Louvre-Abkommen, kauften die Emirate 40 Exemplare des Riesen-Airbus A380. Dann einigte sich der damalige Präsident Nicolas Sarkozy auf die Eröffnung eines französischen Militärstützpunktes in Abu Dhabi, der heute nur 30 Kilometer vom neuen Louvre entfernt ist. Sarkozy nannte es eine „strategische Partnerschaft“ mit den VAE.
Probleme auf der Baustelle
Das hinderte die VAE nicht, Jahre später keine französischen, sondern südkoreanische Atomkraftwerke zu kaufen. Etwa zur gleichen Zeit zirkulierten Berichte von Human Rights Watch, die 5000 asiatischen Gastarbeiter der pharaonischen Louvre-Baustelle würden nicht nur gut behandelt. Jean Nouvel wollte nichts hören.
Neuerdings sucht Frankreich zu mäßigen, während die verjüngte VAE-Führung militärisch im Jemen eingreift und als treibende Kraft hinter dem Versuch gilt, Nachbar Katar – einen anderen Verbündeten Frankreichs in der Region – zu isolieren. Alles in allem hält aber die strategische Entente zwischen Paris und Abu Dhabi. Nicht nur, aber auch dank des Louvre Abu Dhabi.
Jean Nouvels neues Wunderwerk arabesker Schlichtheit hat als Wahrzeichen eine flache Kuppel von 180 Metern im Durchmesser. Gebildet wird sie aus knapp 8000 Metallsternen, die einen „Lichtregen“ entstehen lassen und dem Besucher das Gefühl vermitteln, „im ruhigen Schatten“ einer Medina zu wandeln, wie Nouvel am Dienstag vor Ort erklärte.
Ein erster Durchgang durch die Säle bestätigt den Anspruch des Louvre Abu Dhabi als „erstes universelles Museum der arabischen Welt“ (Pressetext). Das Spektrum ist sehr breit – so breit, dass es zum Umdenken zwingt. Was verbindet neolithische Figuren aus Zypern mit antiken Objekten aus Ägypten, Rom und Indien? Was altarabische Schätze – ein Blatt des „blauen Koran“ oder ein Astrolabium – mit Gemälden von da Vinci oder Holbein? Was mit Matisse, Klee, Pollock und (zuletzt noch für 21,5 Millionen Euro dazugekommen) Mondrian? Ein van Gogh fehlt ebenso wenig wie ein Picasso.
Umdenken ist erforderlich, weil der zweite Louvre nicht nach Perioden oder Regionen ausstellt, sondern „transversal“, wie Direktor Manuel Rabaté sagt. Die verschachtelten Abteilungen tragen Namen wie „erste Dörfer“, „Am Hof der Prinzen“ oder „Kosmografien“ oder „universelle Religionen“ – genannt sind Buddhismus, Christentum, Islam. Dazu kommt eine hebräische Bibel.
Diese Gliederung folgt laut Rabaté „den Gemeinsamkeiten zwischen den Zivilisationen und Epochen“. Nicht immer werden sie ersichtlich. Bisweilen wirkt das ökumenische Angebot eher wie ein Sammelsurium musealer Blockbuster.
Abu Dhabi wäre durchaus prädestiniert, eine globale Sicht von West und Ost, Europa und Orient, afrikanischen und japanischen Kunstobjekten zu vermitteln: Das größte der sieben vereinten Emirate liegt geografisch wirklich zwischen den Kulturen, auch zwischen Wüste und Wasser, zwischen Aufbruch und Tradition. Der Direktor der Kultur- und Tourismusbehörde der Emirate, Mohamed Khalifa Al Mubarak, betonte in seiner Begrüßungsrede vor 500 Journalisten mehrfach, der Louvre Abu Dhabi sei „nicht nur ein Museum, sondern ein Zentrum der Toleranz“. Geschmälert wird der Anspruch einzig durch die Absenz von unbekleideten Akten. Bellinis Jungfrau mit Kind trägt immerhin Kopftuch.
Wie Doha oder Dubai, die beiden anderen Wolkenkratzermagnete am Golf, setzt das gesellschaftlich und religiös aufgeschlossene Scheichtum Abu Dhabi auf Museen, Festivals und Tourismus, um für die Zeit nach dem Öl und Erdgas vorzusorgen. Der neue Louvre ist nur der erste Stein eines ganzen Kulturbezirks, der auf der Saadiyat-Insel am Rande der Millionenmetropole für 27 Milliarden Dollar aus dem Boden gestampft wird. Auf den Baubeginn warten auch ein Ableger des New Yorker Guggenheim-Museums und ein nationales Zayed-Museum, dazu Golfplätze, Konzerthallen und Hotelkomplexe.
Als Abu Dhabi 2007 in Paris vorstellig wurde und einen Louvre-Zwilling am Golf anregte, winkte dessen Pariser Vorsteher Henri Loyrette entschieden ab. Bald aber setzten sich die Argumente des Scheichtums durch. Die VAE zahlen allein für die auf 30 Jahre befristete Benutzung des Namens „Louvre“ 400 Millionen Euro. Dazu kommen 190 Millionen für Leihgaben wie etwa einen da Vinci (seine Mona Lisa natürlich ausgenommen). Weitere 165 Millionen geben sie aus für die technische Hilfe von Experten der zwölf bekanntesten Museen Frankreichs.
Die Sammlung wurde faktisch nach dem Prinzip zusammengestellt: Die VAE schlagen vor, die Franzosen entscheiden. Und dann zahlen die VAE. Letztere stellten die Zahlungen mindestens einmal ein, weil sie mit der Wahl nicht zufrieden waren. Zum Schluss einigte man sich aber zuverlässig.
Den Franzosen war nicht nur an einem Kulturexport in einen Wüstenstaat gelegen. Vor zehn Jahren, fast gleichzeitig mit dem Louvre-Abkommen, kauften die Emirate 40 Exemplare des Riesen-Airbus A380. Dann einigte sich der damalige Präsident Nicolas Sarkozy auf die Eröffnung eines französischen Militärstützpunktes in Abu Dhabi, der heute nur 30 Kilometer vom neuen Louvre entfernt ist. Sarkozy nannte es eine „strategische Partnerschaft“ mit den VAE.
Probleme auf der Baustelle
Das hinderte die VAE nicht, Jahre später keine französischen, sondern südkoreanische Atomkraftwerke zu kaufen. Etwa zur gleichen Zeit zirkulierten Berichte von Human Rights Watch, die 5000 asiatischen Gastarbeiter der pharaonischen Louvre-Baustelle würden nicht nur gut behandelt. Jean Nouvel wollte nichts hören.
Neuerdings sucht Frankreich zu mäßigen, während die verjüngte VAE-Führung militärisch im Jemen eingreift und als treibende Kraft hinter dem Versuch gilt, Nachbar Katar – einen anderen Verbündeten Frankreichs in der Region – zu isolieren. Alles in allem hält aber die strategische Entente zwischen Paris und Abu Dhabi. Nicht nur, aber auch dank des Louvre Abu Dhabi.
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