Bauwerk

Musikhaus und Feuerwehr Adlwang
HERTL.ARCHITEKTEN - Adlwang (A) - 2016
Musikhaus und Feuerwehr Adlwang, Foto: Paul Ott
Musikhaus und Feuerwehr Adlwang, Foto: Paul Ott

Baukunst als Draufgabe

Wenn Entscheidungsträger einer Gemeinde mit den Architekten gemeinsam an der Verbesserung eines Ergebnisses arbeiten, entsteht Gutes. So geschehen in Adlwang, Traunviertel.

12. Mai 2018 - Romana Ring
Architektur ist überall. Wahrgenommen wird sie allerdings vorzugsweise, wenn sie ohnedies nicht zu übersehen ist: als Monument, als große kulturelle Tat, als Ausdruck eines neuen Geistes, gerne in Kombination mit noch neueren Technologien. Diese Art von Architektur ist zweifellos wichtig. Sie bahnt, nicht selten revolutionär, vormals nicht begangene Wege und findet auf Fragen, die bisher nur leise gestellt worden sind, weithin hörbare Antworten. In den meisten Fällen ist solche Architektur sogar gut für den Tourismus. Nicht weniger wichtig aber sind jene Anlagen, die außer den Nutzern kaum jemand kennt, in denen die Baukunst als Draufgabe entstanden ist. Als jener Mehrwert, der uns daran erinnert, dass Kultur auch im Alltag möglich ist. Das Feuerwehr- und Musikhaus, das die in Steyr ansässigen Hertl Architekten für die Gemeinde Adlwang geplant haben, ist eines dieser Objekte.

Mit Fremdenverkehr hat es ebenfalls, wenn auch nur am Rande, zu tun. Denn die im oberösterreichischen Traunviertel gelegene, beinahe 1800 Einwohner zählende Gemeinde ist seit dem frühen Mittelalter als Marienwallfahrtsort bekannt und konnte in dieser Funktion zeitweilig sogar Mariazell das (Weih)Wasser reichen. Daran hat weder die Reformation etwas geändert noch die Verbote Kaiser Joseph II. und schon gar nicht die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten. Im Marienmonat Mai schwillt der von der Säkularisierung der vergangenen Jahrzehnte deutlich geschwächte Pilgerstrom immer noch an. Zu Zehntausenden aber kommen die Wallfahrer erst Anfang Oktober nach Adlwang, wenn hier an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden der „Goldene Samstagnächte“ genannte Kirtag stattfindet. Diese mit Marktständen, Festzelten und allen Attraktionen, die je ein Schausteller ersonnen hat, weit in den Raum greifende Institution bietet eine Erklärung für eine Besonderheit Adlwangs: Hier ist sehr viel Platz.

Der Ortskern von Adlwang wird von der Pfarrkirche dominiert, die sich vor einem Abfall des sonst nur mäßig bewegten Geländes im Westen erhebt. Um die Kirche haben sich Gebäude geschart, die in Maßstab und Gestaltung ein dem ländlichen Wallfahrtsort entsprechendes Selbstbewusstsein ausstrahlen. Die im Osten dieser Gruppe liegende Kreuzung der beiden Hauptverkehrsachsen des Ortes ist ein räumlich unbestimmtes Feld, zu dem zwei historische Gehöfte im Süden ein Tor bilden.

Am nördlichen Ende dieses Zentrums steht das neue Feuerwehr- und Musikhaus quer zur Straße, so weit wie möglich an diese herangerückt. In Verbindung mit einem historischen Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite schließt es den öffentlichen Raum nun auch im Norden und setzt so ein Zeichen des Zusammenhaltes in der Gemeinde. Das Gebäude ist ja schon in seiner Aufgabenstellung, einigen der zahlreichen, in ihren Zielen und Gepflogenheiten durchaus unterschiedlichen Vereinen Adlwangs einen gemeinsamen Ort zu geben, Bauwerk gewordene Verbundenheit.

Doch nur dank des Gespürs der Hertl Architekten für die Bedürfnisse der einzelnen Nutzergruppen konnte die Anlage als überzeugendes Ganzes gelingen. In diesem Zusammenhang war vor allem die Trennung der Wege ein im Einsatzfall der Feuerwehr wörtlich genommen vitales Anliegen, dem die Ausbildung zweier gleichwertiger Längsseiten entspricht. Ein zweigeschoßiges L-förmiges Gebäude umrahmt im Süden und Osten die als eigenständiger Körper mit Pultdach ausgebildete Fahrzeughalle der Feuerwehr. Die frei gebliebene nordwestliche Ecke der Garage wird durch den Schlauchturm markiert. So können die hinter den gläsernen Toren der Halle stets sichtbaren Fahrzeuge an der Nordseite des Gebäudes ungehindert ausfahren, während die im Obergeschoß des Hauses untergebrachten Musiker – Blasmusik und Chor – an der zum Ortszentrum orientierten Südseite des Hauses ihren Eingang finden. Diese erhält durch zwei dunkel gefärbte horizontale Einschnitte, den Rücksprung des Erdgeschoßes und die von einem Fensterband fortgesetzte Loggia im Obergeschoß, entsprechende Prominenz.

Ein im Rahmen des Kunstbudgets von dem in Steyr ansässigen Grafiker Michael Atteneder entwickelter, in den Verputz eingearbeiteter Schriftzug über dem Eingang weist auf die vielfältige Nutzung des Gebäudes hin. Die einprägsame, der Straße zugewandte Stirnseite des Gebäudes mit dem im Norden aufragenden Schlauchturm und ihrer zum südseitig auskragenden Obergeschoß ansteigenden Dachkante wirkt überdies als Klammer, in der Inhalt und Form zur Deckung gebracht werden.

Die wohldosierte Kraft, mit der das Feuerwehr- und Musikhaus nach außen auftritt, wird durch die klare Ordnung der einzelnen Funktionsbereiche und die disziplinierte Gestaltung der Innenräume ergänzt. Dass Hertl Architekten eine Aufgabe wie diese – Feuerwehrhäuser sind in Oberösterreich mit mindestens ebenso detaillierten Angaben zu Raumprogramm und maximal zulässigen Errichtungskosten reguliert wie Musikheime – in der hier gezeigten Feinheit und Tiefe lösen konnten, ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass sie als Sieger eines Architekturwettbewerbes mit der Planung beauftragt wurden. So war vom Stadium des Vorentwurfes an ein allgemein akzeptierter Weg zur Umsetzung vorgezeichnet. Einen weiteren wichtigen Beitrag zum Gelingen des Unterfangens leisteten die Nutzer des Hauses, Gemeinde und Vereine. Durch ihre Mitwirkung bei praktisch jeder Baubesprechung konnten sie jene Gestaltungshoheit zurückerobern, die sie schon vor Beginn des Projekts an einen Generalübernehmer abgegeben hatten.

Damit haben sie zugleich einer nachdrücklich gestellten Forderung des für Gemeinden zuständigen oberösterreichischen Landesrates, Max Hiegelsberger, entsprochen: „Bauen heißt gestalten. Gerade in ländlichen Gemeinden können Bauvorhaben ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Gemeinschaft sein. Die unmittelbare Betroffenheit der Bürgerinnen und Bürger macht es daher umso notwendiger, Projekte von den ersten Gedanken bis zur Übergabe verantwortungsvoll zu begleiten. Denn Qualität entsteht dort am besten, wo die Entscheidungsträger der Gemeinde mit den Architekturschaffenden gemeinsam an der Optimierung des Ergebnisses arbeiten.“

Der so umrissene Entstehungsprozess eines Projektes mag viel von den Mühen der Ebene erzählen und wenig Spektakuläres verheißen. Doch ist Architektur, die so entsteht, jede Diskussion, jeden Gedanken und jeden Euro öffentlichen Geldes wert. Denn sie setzt Akte der Baukultur, wo man sich vielleicht mit der Erfüllung eines Raumprogramms zufrieden gegeben hätte.

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