Bauwerk
Fortress of Backyards
.tmp architekten, SUPERSTERZ - Graz (A) - 2014
Festivalzentrum steirischer herbst 2014
6. September 2018 - HDA
Das Kunstfestival steirischer herbst macht die Stadt Graz seit 1968 zum Schauplatz internationaler Kunst unterschiedlichster Sparten und vernetzt regionale mit internationalen Szenen. Jedes Jahr bezieht das Festival einen anderen Ort, um dort vorübergehend Ausstellungsflächen, ein Festivalzentrum und eine Bar einzurichten. In Ermangelung einer permanenten Spielstätte macht das Festival aus der Not eine Tugend und sich zum Katalysator städtischer Transformation: Dieser Streifzug hinterlässt in der Stadt eine Spur aus transformierten Orten und neuen Sichtweisen auf zuvor gänzlich anders konnotierte Areale.
Für das Festivalzentrum 2014 fiel die Standortwahl auf eine zentrale Lage nahe des Schloßbergs: auf das barocke Palais Wildenstein, das sich im Verband eines Stadtblocks befindet, der bis zur temporären Übernahme des steirischen herbst im September 2014 nicht für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen war.
Der Grund für die Abschottung nach außen war die Nutzung durch die Polizei: Auch nach wie vor werden die Teilgebäude des Blocks - bis auf das Palais Wildenstein - von der Exekutive als Anhaltezentrum, Verwaltungsgefängnis und Administrationsgebäude gemietet.
In einem Auswahlverfahren mit geladenen Teams wurde die Grazer Kooperation Supersterz + .tmp Architekten gewählt, um ihren Entwurf für das Festivalzentrum plus Bar umzusetzen. Auf die paradoxe Situation, ein Kunstfestival an einem kontroverser Ort zu implementieren und als Reaktion auf das universell wirksame Leitmotiv des steirischen herbst 2014 „I prefer not to... share“ antworteten sie mit einer gebauten Geste, zugleich architektonisches Element und Leitsystem in das Gebäude.
Schon an der Straßenfassade des barocken Palais Wildenstein zeichnet sich diese Geste des Festivalzentrums ab: Nähert man sich dem Eingang, wächst eine zweite Fassade, eine Kulisse aus Trapezblech, aus dem Boden und steigt bis zum Haupteingang an. Unterstützt wird diese leitende Wirkung durch gelb fluoreszierende Streifen am Trapezblech, die tagsüber Sonnenlicht und nachts die Streiflichter vorbeifahrender Autos reflektieren und die Kulisse zum Leuchten bringen.
Am Haupteingang knickt sich die Kulisse wie ein gefaltetes Band durch eine Passage, von der aus Ticketbüros, Ausstellungsräume und Bar erschlossen werden – und grenzt schließlich im Hof des Palais einen eigenen Bereich, einen „Backyard“, ab.
Neben der Funktion als Leitsystem an der Straßenfassade und in der Passage entsteht im Hinterhof mit dem „Backyard“ das Hauptmotiv dieser Geste: Als Schlupfwinkel der Kleinbürgerlichkeit oder als letzter Rückzugsort für Freigeister schafft er einen Spielraum für persönliche Rituale und Ausbrüche aus dem Alltag. Maßnahmen des Abschirmens und Rückzugs schaffen dort Raum für das, was zum Teilen zu persönlich ist: Einen Schauplatz von Handwerkern, Pfuschern und Tüftlern – wo an Fahrzeugen geschraubt oder in Garagen an Weltmaschinen gebastelt wird, aber auch Wissen und Werkzeug geteilt werden. Im Hinterhof des Festivalzentrums entsteht also ein spannender und zugleich (un)heimlicher Ort, der seinen eigenen Regeln und Gesetzen folgt.
Ungeschönte Elemente und Materialien wie Container, Trapezblech, Wellplastik bilden im Backyard sowie in der Bar gemeinsam mit Fundstücken, auf die man sonst eher in Schuppen oder auf Lagerplätzen stößt, ein Kippbild zwischen Gestaltung und trashigem Readymade. An diesem zentralen Treffpunkt des steirischen herbst verschwimmen die Grenzen zwischen Besuchern und den Protagonisten der lokalen Vereine Druckzeug und Fahrradküche, die ihre eigenen Werkstätten für die Dauer des Festivals in den Hinterhof des Festivalzentrums verlegt haben. Das entstehende Treiben in diesem Werkstattparadies macht schließlich alle gleichermaßen zu Akteuren und Konsumenten.
Und der Hinterhof wird zu einem Ort, an dem privates Wissen, lieb gewonnenes Werkzeug und Gerätschaften geteilt werden, sich neue und ungewohnte Nachbarschaften bilden; gemeinsam gegessen und getrunken wird. (Text: Architekten)
Für das Festivalzentrum 2014 fiel die Standortwahl auf eine zentrale Lage nahe des Schloßbergs: auf das barocke Palais Wildenstein, das sich im Verband eines Stadtblocks befindet, der bis zur temporären Übernahme des steirischen herbst im September 2014 nicht für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen war.
Der Grund für die Abschottung nach außen war die Nutzung durch die Polizei: Auch nach wie vor werden die Teilgebäude des Blocks - bis auf das Palais Wildenstein - von der Exekutive als Anhaltezentrum, Verwaltungsgefängnis und Administrationsgebäude gemietet.
In einem Auswahlverfahren mit geladenen Teams wurde die Grazer Kooperation Supersterz + .tmp Architekten gewählt, um ihren Entwurf für das Festivalzentrum plus Bar umzusetzen. Auf die paradoxe Situation, ein Kunstfestival an einem kontroverser Ort zu implementieren und als Reaktion auf das universell wirksame Leitmotiv des steirischen herbst 2014 „I prefer not to... share“ antworteten sie mit einer gebauten Geste, zugleich architektonisches Element und Leitsystem in das Gebäude.
Schon an der Straßenfassade des barocken Palais Wildenstein zeichnet sich diese Geste des Festivalzentrums ab: Nähert man sich dem Eingang, wächst eine zweite Fassade, eine Kulisse aus Trapezblech, aus dem Boden und steigt bis zum Haupteingang an. Unterstützt wird diese leitende Wirkung durch gelb fluoreszierende Streifen am Trapezblech, die tagsüber Sonnenlicht und nachts die Streiflichter vorbeifahrender Autos reflektieren und die Kulisse zum Leuchten bringen.
Am Haupteingang knickt sich die Kulisse wie ein gefaltetes Band durch eine Passage, von der aus Ticketbüros, Ausstellungsräume und Bar erschlossen werden – und grenzt schließlich im Hof des Palais einen eigenen Bereich, einen „Backyard“, ab.
Neben der Funktion als Leitsystem an der Straßenfassade und in der Passage entsteht im Hinterhof mit dem „Backyard“ das Hauptmotiv dieser Geste: Als Schlupfwinkel der Kleinbürgerlichkeit oder als letzter Rückzugsort für Freigeister schafft er einen Spielraum für persönliche Rituale und Ausbrüche aus dem Alltag. Maßnahmen des Abschirmens und Rückzugs schaffen dort Raum für das, was zum Teilen zu persönlich ist: Einen Schauplatz von Handwerkern, Pfuschern und Tüftlern – wo an Fahrzeugen geschraubt oder in Garagen an Weltmaschinen gebastelt wird, aber auch Wissen und Werkzeug geteilt werden. Im Hinterhof des Festivalzentrums entsteht also ein spannender und zugleich (un)heimlicher Ort, der seinen eigenen Regeln und Gesetzen folgt.
Ungeschönte Elemente und Materialien wie Container, Trapezblech, Wellplastik bilden im Backyard sowie in der Bar gemeinsam mit Fundstücken, auf die man sonst eher in Schuppen oder auf Lagerplätzen stößt, ein Kippbild zwischen Gestaltung und trashigem Readymade. An diesem zentralen Treffpunkt des steirischen herbst verschwimmen die Grenzen zwischen Besuchern und den Protagonisten der lokalen Vereine Druckzeug und Fahrradküche, die ihre eigenen Werkstätten für die Dauer des Festivals in den Hinterhof des Festivalzentrums verlegt haben. Das entstehende Treiben in diesem Werkstattparadies macht schließlich alle gleichermaßen zu Akteuren und Konsumenten.
Und der Hinterhof wird zu einem Ort, an dem privates Wissen, lieb gewonnenes Werkzeug und Gerätschaften geteilt werden, sich neue und ungewohnte Nachbarschaften bilden; gemeinsam gegessen und getrunken wird. (Text: Architekten)
Für den Beitrag verantwortlich: HDA
Ansprechpartner:in für diese Seite: Karin Wallmüller
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