Bauwerk
Gesundheitseinrichtung Josefhof
Dietger Wissounig Architekten - Graz (A) - 2019
Drei Schiffe auf einem Hang
Ein Haus, wo Gesunde gesünder werden: Der Josefhof in Graz-Mariatrost steht für Entschleunigung und Achtsamkeit. Seine Architektur ist die perfekte Übersetzung dieser Ideen in die dritte Dimension.
3. August 2019 - Christian Kühn
Zwölf Fußballfelder: So viel Boden wird in Österreich täglich der Kulturlandschaft entzogen, um Verkehrsflächen und Bauland zu schaffen. Aufs Jahr hochgerechnet, entspricht das einem Zehntel der Fläche Wiens. Die Österreicher sind Meister im Asphaltieren und Zersiedeln: Im Verhältnis zur Einwohnerzahl besitzt das Land das umfangreichste Straßennetz Europas, und knapp 80 Prozent aller Gebäude sind Einfamilienhäuser. Der grassierende Bodenfraß ist nicht nur ein ästhetisches, sondern ökologisches Problem, da unter diesen Bedingungen die Biodiversität leidet und Ökosysteme ihre Widerstandskraft verlieren. Wer heute ein großes Gebäude in die Landschaft stellt, darf sich daher auf Fragen nach seinem ökologischen Gewissen gefasst machen.
Das Zentrum für stationäre Gesundheitsförderung und Prävention, das Dietger Wissounig in Graz für die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau geplant hat, bietet dafür einigen Anlass. Es ist ein sehr großes Gebäude in einer sehr schönen, freien Landschaft, von der man kaum annehmen würde, dass sie noch im Grazer Stadtgebiet liegt.
Die Versicherung betrieb hier unter dem Namen „Josefhof“ eine Gesundheitseinrichtung mit 71 Zimmern, die nicht mehr sanierbar war und abgebrochen wurde. Der Neubau mit 120 Zimmern besteht aus drei lang gestreckten parallelen Baukörpern, die sich in einen leicht nach Süden abfallenden Hang schmiegen. Teils scheinen sie über dem Boden zu schweben, an den Rändern verschwinden sie im Gelände. Das oberste Schiff ist das breiteste und enthält im Erdgeschoß die Eingangshalle, Speisesäle und die Verwaltung, im Obergeschoß an einem Mittelgang aufgereihte 50 Zimmer, die teilweise nach Süden hangabwärts orientiert sind, teilweise nach Norden zum Schöckl, dem Grazer Hausberg. Das mittlere und das untere Schiff sind schmaler, da sie je nur eine Reihe von südseitig orientierten Zimmern enthalten.
Die Schiffe liegen so im Gelände, dass sie jeweils um eineinhalb Geschoße versetzt angeordnet sind, wodurch sich vom oberen Geschoß aus ein freier Blick über das Dach des unteren ergibt. Ein entsprechend gestaffeltes Treppenhaus, annähernd in der Mittelachse der Anlage gelegen, verbindet diese Niveaus. Was dem Hang an Fläche entzogen wird, bekommt er auf den Dächern der Schiffe zurück: Auf den unteren beiden, die von oben einsehbar und daher als fünfte Fassade gestaltet sind, befindet sich eine üppige Bepflanzung, auf dem Dach des obersten Schiffs ein Rasendach.
Um seinen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, ist das Haus zu einem überwiegenden Teil in Holz konstruiert, in einem Modulsystem der Firma Kaufmann Bausysteme, bei dem selbsttragende Boxen aus Brettsperrholz im Werk gefertigt und an der Baustelle montiert werden. Bis auf den Fernseher und die Vorhänge sind diese stapelbaren Einheiten inklusive der Sanitärbereiche fertig installiert. Serielle Fertigung kann leicht dazu führen, dass die Ergebnisse schematisch und barackenartig aussehen. Der „Josefhof“ ist der Beweis, dass es auch anders geht. Das liegt einerseits daran, dass nicht die gesamte Konstruktion aus präfabrizierten Boxen besteht. Die erdberührenden Bauteile im Hang sind aus Stahlbeton, was größere Stützweiten und unterschiedliche Raumhöhen erlaubt, wie sie für Gymnastik- und Speisesäle benötigt werden. Am spannendsten werden die Räume, wenn sich Konstruktionssysteme überlagern, etwa dort, wo das große Schwimmbecken im untersten Geschoß von einem raumhohen Träger überspannt wird, der die Hotelboxen trägt, aber zugleich ein Oberlicht ermöglicht, durch das Licht von oben auf das Becken fällt. Ein besonders raffiniertes Detail mit einem eigenen Rhythmus sind die Balkonbrüstungen, die aus horizontalen Aluminium-Lamellen gebildet werden und die Beschattung übernehmen: Ihre Breite verhindert direkte Sonneneinstrahlung im Sommer und erlaubt sie im Winter. Auf eine Klimatisierung der Zimmer konnte so verzichtet werden. Allerdings brauchen die Lamellen, um als Absturzsicherung zugelassen zu werden, eine Ergänzung: Damit Kinder die Brüstungen nicht mit einer Leiter zum Hochklettern verwechseln, sind diese zusätzlich mit Glasplatten abgedeckt – was zu einem weiteren Detail führt, einem Mechanismus, mit dem die Gläser zur Reinigung heruntergeklappt werden können. Auch das gehört zu guter Architektur.
Ein wichtiges Gestaltungselement der Anlage sind fünf Atrien, die an strategischen Punkten in die Baukörper geschnitten sind. Diese Atrien dienen nicht zum Aufenthalt von Nutzern. Sie sind als kleine Landschaftsausschnitte angelegt, mit dichter Bepflanzung auf einem Miniaturhügel in der Mitte. Ihre Aufgabe ist es, gewissermaßen als Akkumulatoren von Achtsamkeit, die umliegenden Räume atmosphärisch zu beruhigen. Das mag seltsam klingen, passt aber sehr gut zur Aufgabe, der sich diese Gesundheitseinrichtung verschrieben hat. Hierher kommt man nämlich nicht, wenn man krank ist, sondern aus Gründen der Prophylaxe. Es geht um „stationäre Gesundheitsförderung“, bei der Versicherte eine Woche lang lernen, gesünder zu leben, vom Essen über die Bewegung bis zur Rauchentwöhnung. Deshalb gibt es hinter dem Speisesaal eine Lehrküche, in der die Gäste in die Welt abseits von Stelze und Schnitzel eingeführt werden. Die Gäste gehören zum größten Teil zur Altersgruppe jenseits der 50, wobei es eigene Angebote für die Zeit unmittelbar nach der Pensionierung gibt sowie für Pensionisten zwischen 65 und 75 Jahren. Die Kosten übernimmt die Versicherung, berufstätige Gäste müssen für die Zeit im „Josefhof“ ihren Urlaub konsumieren.
Die Atmosphäre des Hauses passt perfekt zu den Themen Entschleunigung und Achtsamkeit, die hier vermittelt werden sollen. Die Architektur der Moderne hatte einen ihrer Ursprünge in ähnlichen Ideen, man denke an Josef Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf, dessen reduzierte Ornamentik sich als Psychotherapie verstand, oder an die kalifornischen „Case Study Houses“. Diesen Geist mithilfe der Versicherungen für Eisenbahnen und Bergbau in die Gegenwart zu tragen ist keine geringe Leistung.
In einem Punkt ist der Anlage eine Nachbesserung aber dringend anzuraten. Der Pkw-Parkplatz, der auf dem ebenen Areal des abgebrochenen Altbaus angelegt wurde, ist ein einziger Affront gegen den Geist des Hauses. Gelände wäre genug da, ihn unter ein grünes Dach zu verlagern.
Das Zentrum für stationäre Gesundheitsförderung und Prävention, das Dietger Wissounig in Graz für die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau geplant hat, bietet dafür einigen Anlass. Es ist ein sehr großes Gebäude in einer sehr schönen, freien Landschaft, von der man kaum annehmen würde, dass sie noch im Grazer Stadtgebiet liegt.
Die Versicherung betrieb hier unter dem Namen „Josefhof“ eine Gesundheitseinrichtung mit 71 Zimmern, die nicht mehr sanierbar war und abgebrochen wurde. Der Neubau mit 120 Zimmern besteht aus drei lang gestreckten parallelen Baukörpern, die sich in einen leicht nach Süden abfallenden Hang schmiegen. Teils scheinen sie über dem Boden zu schweben, an den Rändern verschwinden sie im Gelände. Das oberste Schiff ist das breiteste und enthält im Erdgeschoß die Eingangshalle, Speisesäle und die Verwaltung, im Obergeschoß an einem Mittelgang aufgereihte 50 Zimmer, die teilweise nach Süden hangabwärts orientiert sind, teilweise nach Norden zum Schöckl, dem Grazer Hausberg. Das mittlere und das untere Schiff sind schmaler, da sie je nur eine Reihe von südseitig orientierten Zimmern enthalten.
Die Schiffe liegen so im Gelände, dass sie jeweils um eineinhalb Geschoße versetzt angeordnet sind, wodurch sich vom oberen Geschoß aus ein freier Blick über das Dach des unteren ergibt. Ein entsprechend gestaffeltes Treppenhaus, annähernd in der Mittelachse der Anlage gelegen, verbindet diese Niveaus. Was dem Hang an Fläche entzogen wird, bekommt er auf den Dächern der Schiffe zurück: Auf den unteren beiden, die von oben einsehbar und daher als fünfte Fassade gestaltet sind, befindet sich eine üppige Bepflanzung, auf dem Dach des obersten Schiffs ein Rasendach.
Um seinen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, ist das Haus zu einem überwiegenden Teil in Holz konstruiert, in einem Modulsystem der Firma Kaufmann Bausysteme, bei dem selbsttragende Boxen aus Brettsperrholz im Werk gefertigt und an der Baustelle montiert werden. Bis auf den Fernseher und die Vorhänge sind diese stapelbaren Einheiten inklusive der Sanitärbereiche fertig installiert. Serielle Fertigung kann leicht dazu führen, dass die Ergebnisse schematisch und barackenartig aussehen. Der „Josefhof“ ist der Beweis, dass es auch anders geht. Das liegt einerseits daran, dass nicht die gesamte Konstruktion aus präfabrizierten Boxen besteht. Die erdberührenden Bauteile im Hang sind aus Stahlbeton, was größere Stützweiten und unterschiedliche Raumhöhen erlaubt, wie sie für Gymnastik- und Speisesäle benötigt werden. Am spannendsten werden die Räume, wenn sich Konstruktionssysteme überlagern, etwa dort, wo das große Schwimmbecken im untersten Geschoß von einem raumhohen Träger überspannt wird, der die Hotelboxen trägt, aber zugleich ein Oberlicht ermöglicht, durch das Licht von oben auf das Becken fällt. Ein besonders raffiniertes Detail mit einem eigenen Rhythmus sind die Balkonbrüstungen, die aus horizontalen Aluminium-Lamellen gebildet werden und die Beschattung übernehmen: Ihre Breite verhindert direkte Sonneneinstrahlung im Sommer und erlaubt sie im Winter. Auf eine Klimatisierung der Zimmer konnte so verzichtet werden. Allerdings brauchen die Lamellen, um als Absturzsicherung zugelassen zu werden, eine Ergänzung: Damit Kinder die Brüstungen nicht mit einer Leiter zum Hochklettern verwechseln, sind diese zusätzlich mit Glasplatten abgedeckt – was zu einem weiteren Detail führt, einem Mechanismus, mit dem die Gläser zur Reinigung heruntergeklappt werden können. Auch das gehört zu guter Architektur.
Ein wichtiges Gestaltungselement der Anlage sind fünf Atrien, die an strategischen Punkten in die Baukörper geschnitten sind. Diese Atrien dienen nicht zum Aufenthalt von Nutzern. Sie sind als kleine Landschaftsausschnitte angelegt, mit dichter Bepflanzung auf einem Miniaturhügel in der Mitte. Ihre Aufgabe ist es, gewissermaßen als Akkumulatoren von Achtsamkeit, die umliegenden Räume atmosphärisch zu beruhigen. Das mag seltsam klingen, passt aber sehr gut zur Aufgabe, der sich diese Gesundheitseinrichtung verschrieben hat. Hierher kommt man nämlich nicht, wenn man krank ist, sondern aus Gründen der Prophylaxe. Es geht um „stationäre Gesundheitsförderung“, bei der Versicherte eine Woche lang lernen, gesünder zu leben, vom Essen über die Bewegung bis zur Rauchentwöhnung. Deshalb gibt es hinter dem Speisesaal eine Lehrküche, in der die Gäste in die Welt abseits von Stelze und Schnitzel eingeführt werden. Die Gäste gehören zum größten Teil zur Altersgruppe jenseits der 50, wobei es eigene Angebote für die Zeit unmittelbar nach der Pensionierung gibt sowie für Pensionisten zwischen 65 und 75 Jahren. Die Kosten übernimmt die Versicherung, berufstätige Gäste müssen für die Zeit im „Josefhof“ ihren Urlaub konsumieren.
Die Atmosphäre des Hauses passt perfekt zu den Themen Entschleunigung und Achtsamkeit, die hier vermittelt werden sollen. Die Architektur der Moderne hatte einen ihrer Ursprünge in ähnlichen Ideen, man denke an Josef Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf, dessen reduzierte Ornamentik sich als Psychotherapie verstand, oder an die kalifornischen „Case Study Houses“. Diesen Geist mithilfe der Versicherungen für Eisenbahnen und Bergbau in die Gegenwart zu tragen ist keine geringe Leistung.
In einem Punkt ist der Anlage eine Nachbesserung aber dringend anzuraten. Der Pkw-Parkplatz, der auf dem ebenen Areal des abgebrochenen Altbaus angelegt wurde, ist ein einziger Affront gegen den Geist des Hauses. Gelände wäre genug da, ihn unter ein grünes Dach zu verlagern.
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Akteure
ArchitekturBauherrschaft
Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau
Tragwerksplanung
Fotografie
wettbewerb
Das Projekt ist aus dem Verfahren Neubau Gesundheitseinrichtung Josefhof hervorgegangen1. Rang, Gewinner, 1. Preis
Dietger Wissounig Architekten ZT GmbH
2. Rang, 2. Preis
Kohlmayer & Oberst GmbH
3. Rang, Preis
Bodamer Faber Architekten
4. Rang, Anerkennung
Nussmüller Architekten ZT GmbH
5. Rang, Anerkennung
Glaser Architekten GmbH
6. Rang, Anerkennung
ZT Arquitectos LDA
1. Stufe
mOve architecture laboratory
1. Stufe
Romain Miller
1. Stufe
Neugebauer+Rösch Architekten
1. Stufe
Lusin Architektur
1. Stufe
msp Architekten Gesellschaft für Bauplanung mbH
1. Stufe
Ernst Steiner
1. Stufe
Roland Heyszl
1. Stufe
PSLA Architekten ZT KG
1. Stufe
Heidl Architekten ZT GmbH
1. Stufe
Marie Luise Fuxjäger
1. Stufe
Hansjörg Tschom
1. Stufe
mfgarchitekten Moßhammer ZT- KEG für Architektur
1. Stufe
Chybik + Kristof Associated Architects
1. Stufe
Norbert Müller
1. Stufe
PBP-Eger Planungsgesellschaft mbH
1. Stufe
Caramel architekten zt-gesellschaft m.b.H.
1. Stufe
Architects Collective ZT-GmbH
1. Stufe
DI Ott ZT GmbH
1. Stufe
DEUTSU Architektur & planungs GbR
1. Stufe
halm.kaschnig.wuehrer architekten
1. Stufe
Martin Strobl Sr.
1. Stufe
Architekt Goltnik ZT GmbH
1. Stufe
Ferdinand Certov
1. Stufe
Stefan Prodinger
1. Stufe
Architekturbox ZT GmbH
1. Stufe
dreiplus Architekten ZT GmbH
1. Stufe
1. Stufe
Wolfgang Ceh
1. Stufe
VIV-A Vienna 4-Architects ZT GmbH
1. Stufe
Croce - Klug
1. Stufe
Glückarchitektur
1. Stufe
Markku Hyttinen
1. Stufe
Architektur Consult ZT GmbH
1. Stufe
Hohensinn Architektur ZT GmbH
1. Stufe
gaft&onion ZT-KG
1. Stufe
eep architekten ZT - GmbH
1. Stufe
KFR ZT GesmbH, Pyffrader Architektur
1. Stufe
epps Ploder Simon ZT GmbH
1. Stufe
WGA ZT GmbH
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Peter Scherzer
1. Stufe
TREUSCH architecture ZT GMBH
1. Stufe
Elisabeth Lechner
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Büro DAISYS - Arch. DI Barbara Engl
1. Stufe
Li-PE Architects
1. Stufe
Ewald Wastian
1. Stufe
YF architekten zt gmbh
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Roberto Scarsato Architetto
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thp architekten ZT KG
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koba.architektur ZT GmbH
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Sir Solutions LTD
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Petra Roth-Pracher
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Schulz Architektur ZT GmbH
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Riegler Riewe Architekten ZT GmbH
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pmp Architekten Anton Meyer Generalplaner Stadtplaner Architekt BDA
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Karl Langer
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Architekt DI Tinchon ZT GmbH, Fabian Wallmüller
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Michael Zaic
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pbp Architekten Patzelt Barth + Partner zt-gmbh
1. Stufe
Stephan Neumair
1. Stufe
Soyka Silber Soyka Architekten
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MEISSL ARCHITECTS ZT GMBH