Bauwerk
Café Eiszeit
MOSER UND HAGER - Seewalchen am Attersee (A) - 2016
Eis essen am Attersee
Schöne Landschaft und Tourismus gehen am Attersee Hand in Hand – was nicht immer in fruchtbaren Ergebnissen resultiert. Ein gelungenes Beispiel von Bauen am und um den See: das Café Eiszeit in Seewalchen.
24. August 2019 - Romana Ring
Der Attersee bildet einen der reizvollsten Landschaftsräume in (Ober)Österreich. Schöne Landschaft und Tourismus: Dieses Paar geht hier schon seit mehr als hundert Jahren Hand in Hand. Der Attersee ist allerdings auch uralter Siedlungsraum. Gut dokumentierte Funde jungsteinzeitlicher Pfahlbauten belegen, wie lange Fischer und Bauern schon an seinen Ufern ansässig sind. Bauten wie das Schloss Kammer erinnern daran, dass auch die Reichen und manchmal sogar Schönen nicht auf die Erfindung der Sommerfrische gewartet haben, um sich hier niederzulassen. All diese einander ergänzenden, mitunter auch widersprechenden Formen des Zusammenlebens finden ihren Ausdruck in der Architektur rund um den See.
Gerade am Attersee sind zahlreiche Beispiele dafür zu finden, wie man Aspekte des „Ländlichen“ mit Ansprüchen gehobenen Komforts und „Bodenständigkeit“ mit temporärem Aufenthalt angemessen verbinden kann. Ernst Plischke hat mit seinem Haus Gamerith in Seewalchen ein international bekanntes Beispiel der klassischen Moderne geschaffen; Max Luger und Franz Maul haben mit ihren Arbeiten am Attersee neue Maßstäbe im Verschränken von Landschaft, Architektur und Handwerkskunst gesetzt; namhafte Architekten wie Johannes Spalt, Riepl Riepl Architekten oder Hertl Architekten haben am Attersee für private Bauherren gebaut; und auch öffentliche Auftraggeber haben, wie das von SPS Architekten geplante Gemeindezentrum von Steinbach oder die Revitalisierung des Kindergartens in Unterach von der Architektengemeinschaft Hohengasser Steiner Wirnsberger zeigen, die Bedeutung der Architektur für die Funktionstüchtigkeit eines Ortes erkannt.
Angesichts so vieler guter Beispiele fällt es schwer zu verstehen, warum sich Gemeinden als Baubehörde für die Genehmigung von Projekten hergeben, von deren Errichtung mit Ausnahme des Bauträgers niemand profitiert. Auch von Bauwerken dieser Art gibt es rund um den Attersee eine viel zu große Zahl. Ein Teil dieser in Maßstab und Gestaltung gleichermaßen misslungenen Objekte mag der euphorischen Unkultur des sogenannten Wirtschaftswunders und seiner Fortsetzung im Massentourismus geschuldet sein. Heute ist es das billige Geld auf seiner fieberhaft Suche nach Rendite, das auf den letzten verbliebenen Flecken nicht verbauten Bodens zu „Betongold“ wird. Bei der Vermarktung dieser Objekte brüstet man sich gerne, wie das Beispiel einer derzeit entstehenden Wohnanlage „in erster Reihe“ im Schlosspark von Kammer zeigt, mit unverbaubarem Seeblick. Dass jeder Blick zwei Richtungen hat, dass man selbst einen Beitrag zur Verbesserung des Orts- und Landschaftsbildes leisten könnte oder sich zumindest bemühen sollte, es nicht zu stören, kommt den tüchtigen Projektentwicklern nicht in den Sinn. Der Schaden, den diese auf maximales Bauvolumen ausgelegten Anlagen in mehr als einer Beziehung anrichten, wird von der Allgemeinheit geschultert und ist für ihre Betreiber daher nicht besonders interessant.
Es geht nicht darum zu sagen: „Das Boot“ – diesfalls das Seeufer – „ist voll“, obwohl diese Aussage nicht übertrieben wäre. In jenem Zwickel am Nordufer des Sees etwa, wo unweit des Strandbades Seewalchen die Promenade in die Bundesstraße 151 mündet, hätte man die Existenz eines freien Bauplatzes nicht vermutet. Wohlgemerkt: Das hier errichtete Objekt, ein Café namens „Eiszeit“, liegt angesichts seiner Größe für echte Investoren weit unter der Wahrnehmungsschwelle. Dennoch hat sein Bau eine Veränderung bewirkt. Es ist den jungen, in Linz ansässigen Moser und Hager Architekten zu verdanken, dass diese für den Ort gut ausgegangen ist.
Auf der Suche nach einer angemessenen Formensprache für den eingeschoßigen Pavillon haben Anna Moser und Michael Hager mit ihrem Team auf das Naheliegende zurückgegriffen: den See. Wer will, kann sogar die Geometrie des Grundrisses mit den ausgerundeten Ecken als Analogie zu seinen Buchten sehen. Das Café schließt mit seiner Nordseite unmittelbar an ein Blumengeschäft, das der erwähnten Gabelung von Atterseestraße und Promenade städtebaulich nachvollziehbar einen halbkreisförmigen Vorbau zuwendet. Dieses Motiv der Rundung haben Moser und Hager Architekten mit der parallel zur Promenade verlaufenden südlichen Außenwand des Cafés aufgegriffen, ein wenig deutlicher im Osten, mit kleinerem Radius an der südwestlichen Ecke des Gebäudes. Der Eingang in das Café liegt an der im Osten weiter werdenden Promenade. Er wird durch das Zurückschwingen der Wand hinter die Kante des Dachs betont und gleichzeitig vor der Witterung geschützt.
So werden Passanten in einem logischen Bewegungsablauf in ein Haus gezogen, das als gebaute Interpretation des Außenraums dessen Qualitäten erst so richtig zur Geltung bringt. Der Innenraum des Eiscafés ist in einen Bereich für den Gassenverkauf und in das Café geteilt, die beide zur Promenade hin orientiert sind. Dahinter befinden sich die Sanitäranlagen, der Abgang in den Keller und die Küche. Während der Raum hinter dem einfachen grauen Verkaufspult mit kleinformatigen weißen Wandfliesen und einigen sparsam eingesetzten schwarzen Elementen von Sauberkeit und den italienischen Eisdielen der Kindheit erzählen, spricht das Café eine andere Sprache. Eine Sitzbank, den gesamten Raum in sanfter Kurve umfassend, setzt jenes Zeichen, das für den Befund von „Gemütlichkeit“ so wichtig ist. Das Graublau der lasierten Holzlatten ihrer Rückwand ist wie die Farbe der Polsterung dem Farbspektrum des Sees entlehnt. Die Latten setzen die mit gehobelten Brettern geschalte Betonwand fort und unterstreichen so die „natürliche“ Anmutung dieses außerhalb der Architektenschaft häufig als „kalt“ empfundenen Baustoffes. Die Deckenuntersicht aus hellen Eschenholzlatten wiederum greift das Motiv der Bootsstege auf und belegt mit ihrem im Bereich des Dachvorsprungs ungestört in den Außenraum geführten Fugenbild, wie sorgsam Moser und Hager Architekten dieses Gebäude detailliert haben.
Zwei verspiegelte Lichtbrunnen öffnen die Decke des Cafés zu den Kronen der mächtigen, die Promenade säumenden Bäume und spenden der Zimmerpflanze das nötige Licht. Im Süden weitet sich der Raum über seine vom Eingang bis zur westlichen Außenwand geführten Faltschiebefenster hinaus zum See. In der nördlichen Nische aber haben Moser und Hager Architekten die Wand über der Sitzbank mit Streifen aus Spiegelglas verkleidet. Hier ist er wieder, der Attersee: die Natur und was wir Menschen daraus machen, im wechselnden Licht, gebrochen durch Hunderte von Kanten, ein fragiler, ein bleibender Wert.
Gerade am Attersee sind zahlreiche Beispiele dafür zu finden, wie man Aspekte des „Ländlichen“ mit Ansprüchen gehobenen Komforts und „Bodenständigkeit“ mit temporärem Aufenthalt angemessen verbinden kann. Ernst Plischke hat mit seinem Haus Gamerith in Seewalchen ein international bekanntes Beispiel der klassischen Moderne geschaffen; Max Luger und Franz Maul haben mit ihren Arbeiten am Attersee neue Maßstäbe im Verschränken von Landschaft, Architektur und Handwerkskunst gesetzt; namhafte Architekten wie Johannes Spalt, Riepl Riepl Architekten oder Hertl Architekten haben am Attersee für private Bauherren gebaut; und auch öffentliche Auftraggeber haben, wie das von SPS Architekten geplante Gemeindezentrum von Steinbach oder die Revitalisierung des Kindergartens in Unterach von der Architektengemeinschaft Hohengasser Steiner Wirnsberger zeigen, die Bedeutung der Architektur für die Funktionstüchtigkeit eines Ortes erkannt.
Angesichts so vieler guter Beispiele fällt es schwer zu verstehen, warum sich Gemeinden als Baubehörde für die Genehmigung von Projekten hergeben, von deren Errichtung mit Ausnahme des Bauträgers niemand profitiert. Auch von Bauwerken dieser Art gibt es rund um den Attersee eine viel zu große Zahl. Ein Teil dieser in Maßstab und Gestaltung gleichermaßen misslungenen Objekte mag der euphorischen Unkultur des sogenannten Wirtschaftswunders und seiner Fortsetzung im Massentourismus geschuldet sein. Heute ist es das billige Geld auf seiner fieberhaft Suche nach Rendite, das auf den letzten verbliebenen Flecken nicht verbauten Bodens zu „Betongold“ wird. Bei der Vermarktung dieser Objekte brüstet man sich gerne, wie das Beispiel einer derzeit entstehenden Wohnanlage „in erster Reihe“ im Schlosspark von Kammer zeigt, mit unverbaubarem Seeblick. Dass jeder Blick zwei Richtungen hat, dass man selbst einen Beitrag zur Verbesserung des Orts- und Landschaftsbildes leisten könnte oder sich zumindest bemühen sollte, es nicht zu stören, kommt den tüchtigen Projektentwicklern nicht in den Sinn. Der Schaden, den diese auf maximales Bauvolumen ausgelegten Anlagen in mehr als einer Beziehung anrichten, wird von der Allgemeinheit geschultert und ist für ihre Betreiber daher nicht besonders interessant.
Es geht nicht darum zu sagen: „Das Boot“ – diesfalls das Seeufer – „ist voll“, obwohl diese Aussage nicht übertrieben wäre. In jenem Zwickel am Nordufer des Sees etwa, wo unweit des Strandbades Seewalchen die Promenade in die Bundesstraße 151 mündet, hätte man die Existenz eines freien Bauplatzes nicht vermutet. Wohlgemerkt: Das hier errichtete Objekt, ein Café namens „Eiszeit“, liegt angesichts seiner Größe für echte Investoren weit unter der Wahrnehmungsschwelle. Dennoch hat sein Bau eine Veränderung bewirkt. Es ist den jungen, in Linz ansässigen Moser und Hager Architekten zu verdanken, dass diese für den Ort gut ausgegangen ist.
Auf der Suche nach einer angemessenen Formensprache für den eingeschoßigen Pavillon haben Anna Moser und Michael Hager mit ihrem Team auf das Naheliegende zurückgegriffen: den See. Wer will, kann sogar die Geometrie des Grundrisses mit den ausgerundeten Ecken als Analogie zu seinen Buchten sehen. Das Café schließt mit seiner Nordseite unmittelbar an ein Blumengeschäft, das der erwähnten Gabelung von Atterseestraße und Promenade städtebaulich nachvollziehbar einen halbkreisförmigen Vorbau zuwendet. Dieses Motiv der Rundung haben Moser und Hager Architekten mit der parallel zur Promenade verlaufenden südlichen Außenwand des Cafés aufgegriffen, ein wenig deutlicher im Osten, mit kleinerem Radius an der südwestlichen Ecke des Gebäudes. Der Eingang in das Café liegt an der im Osten weiter werdenden Promenade. Er wird durch das Zurückschwingen der Wand hinter die Kante des Dachs betont und gleichzeitig vor der Witterung geschützt.
So werden Passanten in einem logischen Bewegungsablauf in ein Haus gezogen, das als gebaute Interpretation des Außenraums dessen Qualitäten erst so richtig zur Geltung bringt. Der Innenraum des Eiscafés ist in einen Bereich für den Gassenverkauf und in das Café geteilt, die beide zur Promenade hin orientiert sind. Dahinter befinden sich die Sanitäranlagen, der Abgang in den Keller und die Küche. Während der Raum hinter dem einfachen grauen Verkaufspult mit kleinformatigen weißen Wandfliesen und einigen sparsam eingesetzten schwarzen Elementen von Sauberkeit und den italienischen Eisdielen der Kindheit erzählen, spricht das Café eine andere Sprache. Eine Sitzbank, den gesamten Raum in sanfter Kurve umfassend, setzt jenes Zeichen, das für den Befund von „Gemütlichkeit“ so wichtig ist. Das Graublau der lasierten Holzlatten ihrer Rückwand ist wie die Farbe der Polsterung dem Farbspektrum des Sees entlehnt. Die Latten setzen die mit gehobelten Brettern geschalte Betonwand fort und unterstreichen so die „natürliche“ Anmutung dieses außerhalb der Architektenschaft häufig als „kalt“ empfundenen Baustoffes. Die Deckenuntersicht aus hellen Eschenholzlatten wiederum greift das Motiv der Bootsstege auf und belegt mit ihrem im Bereich des Dachvorsprungs ungestört in den Außenraum geführten Fugenbild, wie sorgsam Moser und Hager Architekten dieses Gebäude detailliert haben.
Zwei verspiegelte Lichtbrunnen öffnen die Decke des Cafés zu den Kronen der mächtigen, die Promenade säumenden Bäume und spenden der Zimmerpflanze das nötige Licht. Im Süden weitet sich der Raum über seine vom Eingang bis zur westlichen Außenwand geführten Faltschiebefenster hinaus zum See. In der nördlichen Nische aber haben Moser und Hager Architekten die Wand über der Sitzbank mit Streifen aus Spiegelglas verkleidet. Hier ist er wieder, der Attersee: die Natur und was wir Menschen daraus machen, im wechselnden Licht, gebrochen durch Hunderte von Kanten, ein fragiler, ein bleibender Wert.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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Akteure
ArchitekturBauherrschaft
Astrid Mayer
Tragwerksplanung
Fotografie