Bauwerk

Hort und Kindergarten Hauderweg
mia2 Architektur, Petra Stiermayr - Linz (A) - 2020
Hort und Kindergarten Hauderweg, Foto: Kurt Kuball
Hort und Kindergarten Hauderweg, Foto: Kurt Hörbst

Robustes Gehäuse mit Grün

„Aus alt mach neu“ statt „Abreißen!“: Kann dieses Vorhaben gelingen? Es kann. Ein Beispiel: Hort und Kindergarten Hauderweg in Linz-Ebelsberg – Gebäude, die sich wie selbstverständlich in den Garten einfügen.

12. September 2020 - Romana Ring
Architektur hält ewig. Leider trifft das auch auf Bauten zu, die man nicht als Werke der Baukunst bezeichnen würde. Was aber soll man mit Gebäuden tun, die noch einen guten Teil ihrer technischen Lebensdauer vor sich haben, während sie funktionell längst verschieden sind? Wie verhält man sich an einem Ort, der von Planungsentscheidungen geprägt ist, die man heute nicht mehr verstehen, geschweige denn vertreten kann? Richtig: Man macht das Beste aus der Situation. Und manchmal wird dieses Beste sogar richtig gut.

Als das in Linz ansässige Büro Mia2 Architektur eingeladen wurde, einen von der Bauherrschaft, der ILG Immobilien Linz GmbH, selbst erstellten Vorentwurf zur Sanierung einer Kinderbetreuungseinrichtung am Hauderweg im Linzer Stadtteil Ebelsberg weiterzuführen, fand es sich mit einem Bestandsgebäude aus dem Jahr 1990 konfrontiert, das mit drei sowohl im Grundriss als auch in der Dachausbildung abgeschrägten Körpern ins Auge sticht. Während ein weniger auffällig anmutender Trakt aus der unmittelbaren Nachkriegszeit weiter im Osten des Grundstückes abgebrochen werden musste, war der zweigeschoßige Westtrakt zu erhalten. Anstatt sich nun von den Fehlern der Vergangenheit möglichst weit zu distanzieren, hat sich Mia2 Architektur an die wesentlich schwierigere Aufgabe der Reparatur gemacht. Diese umfasst nicht allein die Sanierung des Westtraktes, dem das Architektenbüro mit einigen sparsam gesetzten Interventionen Tageslicht und die Funktionalität eines kindgerechten Umfeldes einhaucht. Während in dem als Kindergarten genutzten Gebäudeteil die Bauarbeiten noch im Gange sind, ist der im Osten anschließende Neubau des Hortes bereits fertiggestellt. Ihn hat Mia2 Architektur in einer Weise mit dem Vorgefundenen verknüpft, die über die physische Verbindung der beiden Trakte hinausgeht. So wurde der Beweis erbracht, dass auch baulich wenig geglückte Situationen durch die Einbindung in ein schlüssiges Gesamtkonzept doch deutlich verbessert werden können.

Der Neubau nimmt das Motiv der schrägen Schnitte in Grundriss und Dachform auf und nutzt den viel zu häufig eingesetzten Formalismus zur Verbesserung der neu geschaffenen Räume. Der Anschnitt des Bestandsgebäudes an der Straßenseite im Osten wird vom ebenfalls zweigeschoßig angelegten Neubau gespiegelt. So entsteht eine zurückgesetzte und somit geschützte, von einem Vordach beschirmte Eingangszone, die den Haupteingang des Horts und einen Nebeneingang des Kindergartens erschließt. Aus dem Übergang zum Hauderweg ergeben sich unregelmäßig fünfeckige Bodenfelder, deren additive Fortsetzung im Inneren des Hortes die Entstehung eines wie selbstverständlich fließenden Raumes begünstigt. Aus dieser in das Obergeschoß geöffneten und über runde Dachflächenfenster zusätzlich belichteten Halle gelangt man in die rechtwinkelig angelegten Hortgruppenräume. Die giebelige Dachlandschaft des Bestandes wiederum übersetzt Mia2 Architektur in mehrere parallel nebeneinander aufgereihte Satteldächer, die den winkelförmig an den Kindergarten geschobenen Hort abschließen. Da die Räume der Hybridkonstruktion aus Holz und Stahlbeton bis unter die keineswegs stereotyp gleich ausgebildeten Dächer reichen, ergibt sich aus dieser Faltung im Obergeschoß des Hortes eine abwechslungsreiche Raumlandschaft, deren Wirkung nicht dem Zufall, sondern sorgfältiger Planung geschuldet ist. Die Fähigkeit, Entwurfsentscheidungen nicht nur hinsichtlich ihrer Funktionalität, sondern auch mit Blick auf ihre räumlichen Folgen kritisch zu beurteilen, gehört zu den grundlegenden Voraussetzungen, unter denen Architektur überhaupt entstehen kann. Der Wille, diese Fähigkeit auch einzusetzen, wenn es dafür angesichts steigenden Arbeitsaufwandes bei gleichbleibendem Honorar keine pekuniären Anreize gibt, ist ebenfalls unerlässlich. Und nicht zuletzt bedarf es einer Bauherrschaft, die im Vertrauen auf die Kompetenz des von ihnen beauftragten Architekturbüros die Planung umsetzen lässt. Dann hat man sich ein Ergebnis wie die Kinderbetreuungseinrichtung am Hauderweg redlich verdient.

Nutznießer sind neben der Stadt in erster Linie die Kinder und das Betreuungspersonal; sie verbringen ja einen großen Teil ihres Lebens in diesen Räumen. Der bereits fertiggestellte Hort empfängt sie mit einem hellen, multifunktionalen, über die gesamte Gebäudehöhe offenen Eingangsbereich, der dank großzügiger Verglasungen mit dem Grünraum in Verbindung steht. Auch die Gruppenräume wenden sich mit großen Fensterelementen nach draußen. Sie werden allerdings durch schmale Zwischenbereiche von den Erschließungsflächen getrennt. In diesen etwas niedrigeren Zonen finden sich neben Stauräumen und Teeküchen Bereiche, die mit teppichbelegten Sitzstufen zum Rückzug einladen. So entsteht ein gewisses Maß an Konzentration und Intimität, ein Gefühl der Verbundenheit mit der jeweiligen Gruppe, wenngleich überall im Haus die Qualität des zusammenhängenden Ganzen spürbar bleibt.

Auch das Mobiliar des Hortes wurde von Mia2 Architektur entwickelt oder ausgesucht. Neben der daraus gewonnenen Ordnung der Räume, die sich etwa auf die diskrete Leitungsführung der haustechnischen Anlagen erstreckt, ist es der kluge Umgang mit Licht, Material und Farbe, der das Haus zu einem Ort macht, in dem man gerne lernt, spielt oder arbeitet. Die Räume sind hell, aber ihre Oberflächen blenden nicht; der Baustoff Holz wird gezeigt, aber bleibt im Hintergrund; die Farben sind sanft und sorgsam aufeinander abgestimmt. Selbst den rötlich braunen Ton der mit Hanf gedämmten verputzten Fassade hat Mia2 Architektur aus der Färbung des vorgefundenen Daches abgeleitet, die nun als Zeichen erdiger Naturverbundenheit gelesen werden kann. So wird das Haus in seiner augenzwinkernd verspielten Körperhaftigkeit zu einem Teil des Gartens, aus dem es sich erhebt. Alte Bäume und vorsichtig in die Topografie eingefügte Bereiche mit Spielgeräten, einem Sandhaufen oder einem Rodelhügel halten die Freibereiche in austarierter Balance zwischen „natürlicher“ Anmutung und vielfältiger Nutzbarkeit. Es ist nicht leicht zu erklären, wo Architektur beginnt. In der Kinderbetreuungseinrichtung Hauderweg jedenfalls lässt sie sich schon in jungen Jahren als ebenso robustes wie inspirierendes Gehäuse des Alltags erleben.

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