Bauwerk

Grüner Markt, Sonnwendviertel Ost
sandbichler architekten - Wien (A) - 2019
Grüner Markt, Sonnwendviertel Ost, Foto: Rupert Steiner
Grüner Markt, Sonnwendviertel Ost, Foto: Rupert Steiner
4. April 2022 - newroom
Der in Wien neue Begriff „Quartiershaus“ tauchte im Wettbewerb auf und wurde durch dieses Projekt mitgeprägt. Das Konzept vereint Wohnen und Arbeiten gleichwertig und ermöglicht neue Modelle und Strategien für urbanes Leben.

Der kreative Freiraum, den die reale Architekturproduktion trotz aller Restriktionen bietet, wurde maximal genutzt. So wurden die Vermarktungsprozesse der Wohnungen und gewerblichen Flächen zwar grundsätzlich getrennt voneinander geführt, aber auch immer wieder vereint, um Synergien und gemeinsame Aktivitäten zu fördern. Die Lösungen wurden in enger Zusammenarbeit mit Bauträger und Soziologen entwickelt und verbinden Flexibilität mit technischer und finanzieller Machbarkeit.

Nach dem Zuschlag für das Quartiershauskonzept stieg die Baugruppe „Wohnen im Grünen Markt“ in das Projekt ein und das Prinzip der Partizipation in Organisation und Planung wurde zum wesentlichen Element der Weiterentwicklung. In mehreren Workshops mit vorbereitenden Befragungen wurden zunächst die Gemeinschaftsbereiche definiert, dann die Wohnungen vergeben und individuell geplant und die Gewerbeflächen zusammen mit den künftigen Nutzern optimiert. Die soziokratische Organisation des Vorgehens ermöglichte tragfähige Entscheidungen und sparte viel Diskussionszeit.

Der Gesamtbaukörper besteht aus einem neungeschossigen Turm und einem viereinhalbgeschossigen Bauteil, getrennt durch den Eingangshof, der die Fußgängerpromenade um einen halbprivaten Bereich erweitert und zum Aufenthalt einlädt. Die Geschäftslokale im Erdgeschoss sind zur Promenade hin orientiert und somit im Quartier präsent. Der Doppelschwung der Fassade ermöglicht gleichwertige Belichtung für alle Wohnungen.
Die Außenwände des Stahlbetongebäudes sind weiß verputzt. Die an den Ecken gerundeten Brüstungsflächen der Balkone fassen die Loggien und Fenster zu schlichten horizontalen Bändern zusammen. Die gewerblichen und gemeinschaftlichen Bereiche sind durch großzügige Glasfassaden nach innen und außen transparent gestaltet.

Eine viergeschossige Halle und der offene Eingangshof strukturieren den Grundriss des Gebäudes und bieten abwechslungsreiche, lebendige Außen- und Innenräume. Im vierten und im achten Obergeschoss finden sich jeweils Gemeinschaftsbereiche; zusammen mit großzügigen Dachgärten bilden sie Treffpunkte und Rückzugsorte für die Bewohner. Die Scala Publica, eine vertikale Erschließung mit Vortragssaal und Bibliothek erstreckt sich als „vertikaler Dorfplatz“ am Scharnier der beiden Gebäudeteile vom Hof aus bis hinauf zum Gemeinschaftsdeck im vierten Obergeschoss. Die Gemeinschaftsbereiche bilden zusammen mit den zu den Gleisanlagen des Hauptbahnhofs hin angelagerten Gewerbenutzungen ein transparent gestaltetes Raukontinuum.

Die beiden eher privaten Stiegenhäuser sind von der Promenade und auch von der bahnseitigen Maria-Lassnig-Straße aus zugänglich. Besucher können über die offen geführte Scala Publica bis hinauf zur Dachterrasse im vierten Obergeschoss gelangen und die Bereiche mit Öffentlichkeitscharakter erreichen. Sitztreppen und Podeste bieten Gelegenheit zu informeller Kommunikation und individueller Aneignung und lassen sich auch für Kino, Vorträge oder Veranstaltungen nutzen.

Die unterschiedlichen Wohnungstypen lassen sich gegebenenfalls ohne oder mit nur geringfügigen Umbauten an sich ändernde Situationen der Bewohner anpassen. (Autor: Achim Geissinger, nach einem Text der Architekten)

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