Bauwerk

KALO! – KinderAbenteuerLabor! Traiskirchen
ASAP - HOOG PITRO SAMMER - Traiskirchen (A) - 2022
KALO! – KinderAbenteuerLabor! Traiskirchen, Foto: tschinkersten fotografie
KALO! – KinderAbenteuerLabor! Traiskirchen, Foto: tschinkersten fotografie

Kind sein in Traiskirchen: Hüpfen und spielen im Labor

Die Zukunft einer Gemeinde liegt im Wachstum ihrer Einwohnerzahl. Die einstige Arbeiter- und Industriestadt Traiskirchen profiliert sich als besonders familienfreundlich. Das zeigt sich auch an der Verwandlung der einstigen Zwach-Villa in das Kinderabenteuerlabor KALO!.

10. November 2023 - Isabella Marboe
Traiskirchen kennt man vor allem aufgrund des dortigen Asyl-Erstaufnahmezentrums und seines Bürgermeisters, der seit 6. Juni auch Vorsitzender der SPÖ ist. Andreas Babler hat nicht nur ein Herz für Asylwerbende und Flüchtlinge, er hat auch eines für Kinder und Familien. Die Gemeinde kaufte leerstehende Industrieareale als Reserveflächen auf, um Traiskirchen zur besonders familienfreundlichen Stadt zu entwickeln.

17 Spielplätze, sechs Schulen, 13 Kindergärten und Krabbelstuben sind am Kinderstadtplan Traiskirchen verzeichnet. Seit September 2022 kennt er einen Ort mehr: KALO! – das KinderAbenteuerLabor. Andreas Babler und Gemeinderätin Karin Blum initiierten das Projekt. „Es war definitiv Chefsache“, erzählt die Leiterin Nina Panozzo. Die engagierte Elementarpädagogin hatte die Vision eines ganzheitlichen Ortes für Kinder zwischen zwei und zwölf zum Forschen, Entdecken, Spielen und Lernen.

Die sogenannte Zwach-Villa auf dem einstigen WAERAG-Areal stand schon lange leer. Die Firma stellt lufttechnische Anlagen für die Papierindustrie her. Käthe Zwach, die Witwe des Firmengründers, verkaufte das Areal an die Stadt Traiskirchen, dort hat sich u. a. das Jugendzentrum Komet eingenistet. Es grenzt an den Garten der Zwach-Villa. Sie ist kein protziger Firmengründersitz, sondern ein sympathisches, eingeschoßiges Einfamilienhaus mit Walmdach aus den 1950er-Jahren. Es steht auf einem Eckgrundstück am Kreuzungspunkt dreier Straßen in einem dispersen Umfeld, das für Traiskirchen bezeichnend ist. Die Gürtelstraße im Norden führt durch eine begrünte Wohnbebauung, die Fabrikstraße im Südwesten bildet die Demarkationslinie zur Industrie. Hier beginnt der Gewerbepark Traiskirchen im ehemaligen Semperit-Werk, gleich gegenüber an der Einmündung der Wienersdorfer Straße steht die Zwach-Villa in einem großen Garten.

Kindgerechte Nutzung der Villa

Eine angemessene Nutzung zu finden, ist überlebenswichtig für die gedeihliche Zukunft jedes Altbaus. ASAP Architekten erstellten eine Vorstudie zur kindgerechten Nutzung der Villa. „Es war ein sehr spannender, integrativer Prozess, wir haben von Anfang an unser Raumprogramm mit dem pädagogischen Konzept mitentwickelt“, sagt Florian Sammer von ASAP. Im ständigen Austausch mit Nina Panozzo machten sie aus dem gediegenen Heim der Industriellenfamilie einen Erlebnisort, eine spielerische Forschungs- und Begegnungsstätte für Kinder, deren Eltern und pädagogisches Personal.

Die Villa hat einen hakenförmigen Grundriss, ihre beiden Gebäudeflügel – der lange, schmälere im Westen und der etwas breitere im Norden fassen eine großzügige Terrasse am Garten ein, die sowohl von der Morgensonne als auch von Süden her beschienen wird. Der frühere Haupteingang lag an der Westseite, genau in der Überschneidung der beiden Trakte. Die Miniaturausgabe der Andeutung einer Freitreppe mit vier Stufen führte hinauf zur Haustür, durch einen kleinen Windfang gelangte man zur Halle im Nordtrakt, wo eine schöne, gediegene, einläufige Treppe aus Eichenholz an der Mittelmauer vor dem terrassenseitigen Wohnzimmer nach oben ins Dachgeschoss führte.

Den Architekten war es wichtig, den wohnlichen Charakter des Hauses zu wahren. Die Holztreppe blieb erhalten, das zweite Fenster der Halle wurde zum neuen Eingang verlängert. Er liegt nun also an der Gürtelstraße und ist vollkommen barrierefrei. KALO! steht in Blau, Zinnober-, Dunkelrot und Sonnengelb in einem rotgerahmten, gläsernen Feld im Zaun, die alten Pfeiler und weiteren Latten blieben. Eine rote Rampe führt im Zick-Zack zum großzügigen Podest vor der roten Tür mit dem runden Guckloch.

Das Budget verschonte die alten Ziegelmauern und selbst das Dach vor Vollwärmeschutz, dafür sind alle Fenster ausgetauscht und thermisch verbessert. Ein paar Zwischenwände wurden abgerissen, ein paar Fensteröffnungen verändert, ein neuer Deckendurchbruch geschaffen. „Wir wollten den Bestand aufbrechen, um Überraschungselemente einzubringen“, sagt Sammer. Dieser Durchbruch erfolgte im System des Bestands. Aus dessen Fertigteildecken wurde ein Deckenfeld entfernt und stattdessen ein Netz eingehängt, von dem ein runder Netzschlauch bis in das darunterliegende Abenteuerlabor im Erdgeschoss führt.

Maulwurfsgänge in die Zwischenräume

Das Innere ist liebevoll als räumliches Umfeld zum kindlichen Empowerment gestaltet. Ein 60 cm hoher Doppelboden aus Seekiefernsperrholz macht das frühere Wohnzimmer zum Abenteuerlabor. In den Boden sind vier Öffnungen eingeschnitten, die man mit Seekiefersperrholzplatten abdecken kann. Öffnet man sie, tun sich 60 cm tiefe Mulden mit rotem Teppichboden auf, von denen Maulwurfsgänge in den Zwischenraum führen. Für die kleinen ist das ein Abenteuer, für größere macht die Sitzmulde den Boden zum Tisch. Der Netzschlauch wird zur Kindertreppe, im Netz, das über den Durchbruch gespannt ist, kann man hüpfen, springen, spielen. Im Dachraum gibt es ein Malatelier und eine Werkstatt.

„Dieses Projekt hatte sehr viele Facetten“, sagt Sammer. „Wir arbeiteten sehr rauminstallativ. Alles sollte multifunktional sein.“ Nina Panozzo und Karin Blum standen nicht nur dahinter, sie gingen mit. Natürlich erfüllt dieses Haus alle OIB-Richtlinien (OIB = Österreichisches Intitut für Bautechnik) und Sicherheitsauflagen für Kindereinrichtungen. So müssen Treppengeländer mindestens 1,10 Meter hoch sein. Alte Bestandstreppen erfüllen das so gut wie nie, ASAP spannten ein raumhohes Auffangnetz vor das Geländer und stellten in der Halle eine Bank davor. So wird das Netz zur Garderobe, auf der jedes Kind in jeder Höhe seinen Mantel aufhängen kann. Lösungen wie diese sind hier viele zu finden. Sie gelingen nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Die Stadt, die Nutzer und die Architekten.

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