Bauwerk
Generalsanierung LKH Tamsweg
X ARCHITEKTEN - Tamsweg (A) - 2020
Aussicht ins Gebirg
Ein Spitalsumbau ist eine heikle Angelegenheit – vor allem bei laufendem Betrieb. Das Büro X Architekten zeigt vor, wie das gelingen kann, und beweist, dass räumliche Qualität kein Luxus sein muss. Zur Sanierung des Landeskrankenhauses Tamsweg.
1. Juni 2019 - Romana Ring
Gibt es eine Bauaufgabe, die noch anspruchsvoller wäre als der Neubau eines Krankenhauses mit all seinen funktionalen, technischen und logistischen Zusammenhängen, mit seiner Fülle an Vorschriften und Standards? Gewiss: Eine noch größere Herausforderung ist der Umbau eines Krankenhauses bei laufendem Betrieb. Und welchen Stellenwert hat da die Architektur? Es ist wohl – paradoxerweise – den hohen Ansprüchen der Aufgabe geschuldet, dass diese Frage, wenn überhaupt, nur selten gestellt wird.
Mit ihrer noch bis Ende dieses Jahres andauernden Sanierung des Landeskrankenhauses Tamsweg zeigen die in Linz, Wien und Lambach ansässigen X Architekten, wie viel mehr als die zur Bewältigung einer komplexen Aufgabe zweifellos notwendigen technischen und organisatorischen Fähigkeiten die Entwicklung eines angemessen gestalteten Raumgefüges erfordert. Und sie weisen gleichzeitig nach, dass räumliche Qualität niemals Luxus ist – auf keinen Fall aber dort, wo die Nutzerinnen und Nutzer eines Hauses Menschen in Ausnahmesituationen sind.
Nach einem Bewerbungsverfahren im Jahr 2016 mit der Generalsanierung des ursprünglich noch zu Kaisers Zeiten errichteten und seither zweimal erweiterten Krankenhauses beauftragt arbeiten sich die X Architekten über eine geplante Bauzeit von 29 Monaten von oben nach unten fortschreitend durch die Geschoße der unvermindert in Betrieb stehenden Anlage. Erst vor Kurzem wurde der dem Haupteingang nachgeschaltete Empfang mitsamt einem heiter gestimmten Wartebereich vor den Ambulanzen in Betrieb genommen. Andere Abschnitte des Erdgeschoßes sind noch Baustelle. Doch in den weitgehend fertiggestellten Obergeschoßen ist die Grundhaltung der Generalsanierung schon ablesbar und wird auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft. Diese Haltung ist ebenso leicht mit einem Satz – mithilfe der Architektur allen den Aufenthalt im Krankenhaus so angenehm wie möglich zu machen – umrissen wie anspruchsvoll in der Umsetzung. Haben ja schon die Nutzerinnen und Nutzer des Hauses, die Patienten, ihre Angehörigen, die Ärzteschaft, das Pflegepersonal, die Verwaltungsangestellten sowie die Instandhaltungs- und Reinigungskräfte, ganz unterschiedliche, einander mitunter widersprechende Vorstellungen eines angenehmen Umfeldes. Allen gedient ist zweifellos mit einem klaren Auftritt der Anlage nach außen, die einer logischen Ordnung der einzelnen Nutzungsbereiche im Inneren entspricht und sich in einer leicht nachvollziehbaren Wegführung und Orientierung im Haus fortsetzt.
Auch wenn die Kubatur der einzelnen Trakte nicht veränderbar ist, so hat sich das Erscheinungsbild des Krankenhauses durch das Begradigen seiner Fassaden und eine unaufdringliche, den Bauepochen folgende Farbgebung zweifellos verbessert. Deutlich von dunklen Fassadenelementen betont sind Haupteingang und Rettungszufahrt, denen im Inneren die kommunikativ gestaltete Empfangs- und Wartezone auf der einen und ein geschützter Erstbehandlungsraum auf der anderen Seite des Ambulanzbereichs zugeordnet sind.
Ein weiteres Zeichen der Verwandlung sind die dunkel gerahmten Körper der „Schaufenster“, mit denen die X Architekten, wo immer es die Funktionsabläufe erlauben, den Innenraum ein Stück weit nach außen stülpen und so mit dem Umfeld verbinden. Tamsweg liegt inmitten einer höchst reizvollen Landschaft, die nun gezielt über neue, großzügige Fensterelemente und die raumseitig in Zirbenholz gefassten Erker zur Steigerung der Raumqualität wahrgenommen wird. Generell wird Holz als ein landläufig mit Gedanken an Natur und Behaglichkeit verbundener Baustoff eingesetzt, wo dies ohne Bedenken hinsichtlich der Hygienevorschriften, etwa zur Rahmung eines Empfangspultes oder einer Sitznische, möglich ist.
In Bereichen, die mit starken Chemikalien gereinigt werden müssen, haben die X Architekten wenig zimperlich auf Holzimitation aus Kunststoff zurückgegriffen. So finden die Betten in den Patientenzimmern nun in einer der Wand vorgesetzten L-förmigen Blende ihren Halt, die zwar alle notwendigen technischen Leitungen und Anschlüsse (ver)birgt, in ihrer Anmutung aber viel eher Möbel als Maschine ist. Die Grundsatzentscheidung, das Krankenhaus seinem hohen Technisierungsgrad und den weitgehend genormten Abläufen zum Trotz nicht als Fremdkörper, sondern als einen in die Lebenswelt der Nutzerinnen und Nutzer integrierten Ort zu begreifen, kommt allen zugute. Denn wenngleich ein Panoramafenster im Operationssaal fehl am Platz wäre, so tut auch einer viel beschäftigten Chirurgin beim Diktieren von Protokollen die Aussicht in ein Gebirgstal wohl.
Der klugen Anordnung der einzelnen Zonen unter der Prämisse, die Wege kurz zu halten und gegenseitige Störungen zu vermeiden, haben die X Architekten naturgemäß große Aufmerksamkeit gewidmet. Da jeder Nutzungsbereich seinen eigenen Spielregeln folgt – eine Geburtshilfestation funktioniert nun einmal anders als der Schockraum in der Ambulanz –, unterscheiden sich auch die einzelnen, über das rein Organisatorische stets hinausführenden Gestaltungsmaßnahmen voneinander. Dennoch geht nie der Blick auf das Ganze verloren, das ja nicht zuletzt durch die Vorstellung einer harmonischen Zusammenarbeit vieler Einzelner eine beruhigende Wirkung entfaltet. Damit kommt jenen Elementen, die im gesamten Haus wiederkehrend eingesetzt werden, große Bedeutung zu. So ist etwa die Formensprache von Anmeldungs- oder Wartebereichen stets eine ähnliche. Wo Ornamente zum Einsatz kommen – im Bereich von Wandschonern etwa oder dort, wo Glasflächen aus Gründen der Sicherheit und zur Wahrung der Intimität teilweise mattiert sein müssen –, werden sie durch Abbilder von Höhenschichtenlinien und stilisierten Gämsen erzeugt. Die Geschoße wiederum unterscheiden sich durch eigene, nach oben hin dunkler werdende Schmuckfarben voneinander, die sich, sparsam und in unterschiedlicher Intensität eingesetzt, selbst in den sorgsam ausgewählten Fotografien an den Wänden wiederfinden.
Wohlüberlegte Raumfolgen, eine mit vielen kleinen Maßnahmen auf die jeweiligen Abläufe abgestimmte Ausstattung, das sorgsam austarierte Gleichgewicht zwischen gebotenem Schutz und offener Kommunikation sowie die deutlichen Bezüge zum Ort Tamsweg schaffen ein angenehmes Arbeitsumfeld für die Beschäftigten. Gleichzeitig stellt die stets auf das Sanfte, Informelle und Vertraute fallende Wahl der Mittel die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und ihrer Familien in den Mittelpunkt. Denn auch die Angehörigen sind Teil des Lebens im Landeskrankenhaus Tamsweg. In den Palliativ-Zimmern etwa haben sie die Möglichkeit, sich auf einer wie selbstverständlich in den Raum integrierten Liege auszuruhen, wenn sie ihre Lieben in schweren Zeiten nicht allein lassen wollen.
Mit ihrer noch bis Ende dieses Jahres andauernden Sanierung des Landeskrankenhauses Tamsweg zeigen die in Linz, Wien und Lambach ansässigen X Architekten, wie viel mehr als die zur Bewältigung einer komplexen Aufgabe zweifellos notwendigen technischen und organisatorischen Fähigkeiten die Entwicklung eines angemessen gestalteten Raumgefüges erfordert. Und sie weisen gleichzeitig nach, dass räumliche Qualität niemals Luxus ist – auf keinen Fall aber dort, wo die Nutzerinnen und Nutzer eines Hauses Menschen in Ausnahmesituationen sind.
Nach einem Bewerbungsverfahren im Jahr 2016 mit der Generalsanierung des ursprünglich noch zu Kaisers Zeiten errichteten und seither zweimal erweiterten Krankenhauses beauftragt arbeiten sich die X Architekten über eine geplante Bauzeit von 29 Monaten von oben nach unten fortschreitend durch die Geschoße der unvermindert in Betrieb stehenden Anlage. Erst vor Kurzem wurde der dem Haupteingang nachgeschaltete Empfang mitsamt einem heiter gestimmten Wartebereich vor den Ambulanzen in Betrieb genommen. Andere Abschnitte des Erdgeschoßes sind noch Baustelle. Doch in den weitgehend fertiggestellten Obergeschoßen ist die Grundhaltung der Generalsanierung schon ablesbar und wird auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft. Diese Haltung ist ebenso leicht mit einem Satz – mithilfe der Architektur allen den Aufenthalt im Krankenhaus so angenehm wie möglich zu machen – umrissen wie anspruchsvoll in der Umsetzung. Haben ja schon die Nutzerinnen und Nutzer des Hauses, die Patienten, ihre Angehörigen, die Ärzteschaft, das Pflegepersonal, die Verwaltungsangestellten sowie die Instandhaltungs- und Reinigungskräfte, ganz unterschiedliche, einander mitunter widersprechende Vorstellungen eines angenehmen Umfeldes. Allen gedient ist zweifellos mit einem klaren Auftritt der Anlage nach außen, die einer logischen Ordnung der einzelnen Nutzungsbereiche im Inneren entspricht und sich in einer leicht nachvollziehbaren Wegführung und Orientierung im Haus fortsetzt.
Auch wenn die Kubatur der einzelnen Trakte nicht veränderbar ist, so hat sich das Erscheinungsbild des Krankenhauses durch das Begradigen seiner Fassaden und eine unaufdringliche, den Bauepochen folgende Farbgebung zweifellos verbessert. Deutlich von dunklen Fassadenelementen betont sind Haupteingang und Rettungszufahrt, denen im Inneren die kommunikativ gestaltete Empfangs- und Wartezone auf der einen und ein geschützter Erstbehandlungsraum auf der anderen Seite des Ambulanzbereichs zugeordnet sind.
Ein weiteres Zeichen der Verwandlung sind die dunkel gerahmten Körper der „Schaufenster“, mit denen die X Architekten, wo immer es die Funktionsabläufe erlauben, den Innenraum ein Stück weit nach außen stülpen und so mit dem Umfeld verbinden. Tamsweg liegt inmitten einer höchst reizvollen Landschaft, die nun gezielt über neue, großzügige Fensterelemente und die raumseitig in Zirbenholz gefassten Erker zur Steigerung der Raumqualität wahrgenommen wird. Generell wird Holz als ein landläufig mit Gedanken an Natur und Behaglichkeit verbundener Baustoff eingesetzt, wo dies ohne Bedenken hinsichtlich der Hygienevorschriften, etwa zur Rahmung eines Empfangspultes oder einer Sitznische, möglich ist.
In Bereichen, die mit starken Chemikalien gereinigt werden müssen, haben die X Architekten wenig zimperlich auf Holzimitation aus Kunststoff zurückgegriffen. So finden die Betten in den Patientenzimmern nun in einer der Wand vorgesetzten L-förmigen Blende ihren Halt, die zwar alle notwendigen technischen Leitungen und Anschlüsse (ver)birgt, in ihrer Anmutung aber viel eher Möbel als Maschine ist. Die Grundsatzentscheidung, das Krankenhaus seinem hohen Technisierungsgrad und den weitgehend genormten Abläufen zum Trotz nicht als Fremdkörper, sondern als einen in die Lebenswelt der Nutzerinnen und Nutzer integrierten Ort zu begreifen, kommt allen zugute. Denn wenngleich ein Panoramafenster im Operationssaal fehl am Platz wäre, so tut auch einer viel beschäftigten Chirurgin beim Diktieren von Protokollen die Aussicht in ein Gebirgstal wohl.
Der klugen Anordnung der einzelnen Zonen unter der Prämisse, die Wege kurz zu halten und gegenseitige Störungen zu vermeiden, haben die X Architekten naturgemäß große Aufmerksamkeit gewidmet. Da jeder Nutzungsbereich seinen eigenen Spielregeln folgt – eine Geburtshilfestation funktioniert nun einmal anders als der Schockraum in der Ambulanz –, unterscheiden sich auch die einzelnen, über das rein Organisatorische stets hinausführenden Gestaltungsmaßnahmen voneinander. Dennoch geht nie der Blick auf das Ganze verloren, das ja nicht zuletzt durch die Vorstellung einer harmonischen Zusammenarbeit vieler Einzelner eine beruhigende Wirkung entfaltet. Damit kommt jenen Elementen, die im gesamten Haus wiederkehrend eingesetzt werden, große Bedeutung zu. So ist etwa die Formensprache von Anmeldungs- oder Wartebereichen stets eine ähnliche. Wo Ornamente zum Einsatz kommen – im Bereich von Wandschonern etwa oder dort, wo Glasflächen aus Gründen der Sicherheit und zur Wahrung der Intimität teilweise mattiert sein müssen –, werden sie durch Abbilder von Höhenschichtenlinien und stilisierten Gämsen erzeugt. Die Geschoße wiederum unterscheiden sich durch eigene, nach oben hin dunkler werdende Schmuckfarben voneinander, die sich, sparsam und in unterschiedlicher Intensität eingesetzt, selbst in den sorgsam ausgewählten Fotografien an den Wänden wiederfinden.
Wohlüberlegte Raumfolgen, eine mit vielen kleinen Maßnahmen auf die jeweiligen Abläufe abgestimmte Ausstattung, das sorgsam austarierte Gleichgewicht zwischen gebotenem Schutz und offener Kommunikation sowie die deutlichen Bezüge zum Ort Tamsweg schaffen ein angenehmes Arbeitsumfeld für die Beschäftigten. Gleichzeitig stellt die stets auf das Sanfte, Informelle und Vertraute fallende Wahl der Mittel die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und ihrer Familien in den Mittelpunkt. Denn auch die Angehörigen sind Teil des Lebens im Landeskrankenhaus Tamsweg. In den Palliativ-Zimmern etwa haben sie die Möglichkeit, sich auf einer wie selbstverständlich in den Raum integrierten Liege auszuruhen, wenn sie ihre Lieben in schweren Zeiten nicht allein lassen wollen.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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