Bauwerk

Winzer Krems
Erwin Krammer - Krems an der Donau (A) - 2023
Winzer Krems, Foto: Andreas Buchberger
Winzer Krems, Foto: Andreas Buchberger
Winzer Krems, Foto: Andreas Buchberger

Vom Löss inspiriert

6. September 2024 - ORTE
Die schon im Mittelalter erstmals erwähnte Kremser Sandgrube ist eine der berühmtesten Weinlagen Österreichs. Eingebettet in ihre Lössterrassen betreibt hier seit 1938 die damals neugegründete Winzergenossenschaft Krems ihre Kellerei. Erst 80 Jahre später wurde die unrühmliche Gründungsgeschichte, an deren Beginn die Arisierung des Weinguts des jüdischen Unternehmers Paul Robitschek stand, aufgearbeitet. Auch wenn es keinen ursächlichen Zusammenhang gibt, so fühlt sich diese wissenschaftliche Aufarbeitung im Nachhinein ein wenig wie ein Befreiungsschlag an, um auch die jüngste bauliche Erneuerung leichter von der Hand gehen zu lassen.
An historischen Luftbildern lässt sich erkennen, wie der historische Ursprungsbau, der als U-förmige Anlage mit Walmdach in die Lössterrassen gesetzt wurde, ab den 1960er Jahren sukzessive erweitert wurde. Mit der Zeit entstand eine Ansammlung an Baulichkeiten, die weder miteinander noch mit der Landschaft harmonierten. „Wahrzeichen“ für den Tiefpunkt der Entwicklung waren wohl die beiden je eine Million Liter Wein fassenden Tanks, die ab den 1980ern als Sinnbild für die damalige Massenproduktion und das herrschende Bauverständnis am Gelände in die Höhe ragten.
Heute sind die Winzer Krems der größte Qualitätsweinproduzent Österreichs. Über 700 Mitgliedswinzerbetriebe produzieren auf 1200 Hektar Vertragsfläche die Trauben, aus denen an der Adresse Sandgrube 13 der Wein hergestellt, abgefüllt und in die ganze Welt exportiert wird.
Die Riesentanks verschwanden beim ersten Umbau durch Baumeister Erwin Krammer, der 2005 abgeschlossen war. Damals entstanden ein neuer Gär- und Lagerkeller und ein neues Presshaus mit markant geschwungenem Dach. Der Altbau wurde revitalisiert und eine Weinerlebniswelt geschaffen, die in den Betrieb integriert, Besuchern und Besucherinnen aus aller Welt Geschichte und Gegenwart des Kremser Weins vermittelt.
2014 wurde ein aus sieben seit längerer Zeit ungenutzten Weinkellern bestehendes Ensemble in der Kellergasse – oder besser ehemaligen Kellergasse – Bründlgraben angekauft, unter der Federführung von Erwin Krammer revitalisiert. Die Presshäuser wurden mit einem internen Steg barrierefrei miteinander verbunden und ebenso wie die Kellerräume als Vinothek und Veranstaltungsräume nutzbar gemacht. Sie sind sozusagen Teil des Kundenbindungsprogramms und ein Indiz für den Wandel in der Weinwirtschaft, der die althergebrachten Weinkeller obsolet machte. Dank neuer Nutzungen können die Keller zumindest als bauliche Struktur erhalten werden.
Richtig groß investiert wurde schließlich in die Erneuerung des Betriebsareals westlich des Ursprungsgebäudes. Es ging dabei nicht um eine Erweiterung oder einen Ausbau der Kapazitäten, denn quantitativ spielt die Kellerei schon längst in der Oberliga, sondern um qualitative Verbesserungen: Anpassung an die sich ändernden klimatischen Bedingungen, bessere Arbeitsbedingungen für die Belegschaft und mehr Effizienz lauteten die Ziele, sodass die Produktionsgebäude mit der Qualität des produzierten Weins gleichziehen.
Die Grundidee für den Planungsansatz der umfangreichsten Bauarbeiten in der Geschichte der Winzer Krems lieferte Erwin Krammer eine historische Aufnahme aus den 1960ern. Auf ihr ist ersichtlich, wie anlässlich der damaligen Betriebserweiterung die Lössterrasse abgetragen wurde. Der Neubau nimmt Form und Farbigkeit dieser Kulturlandschaft auf und duckt sich nicht höher als der Bestand ins Gelände. Für den weiteren Gär- und Lagerkeller, die neue Abfüllhalle und die Logistikhalle mit vorgelagertem Ladehof musste keine zusätzliche Fläche versiegelt werden.
Dank einer Recyclinganlage vor Ort fand der abgebrochene Beton im Unterbau erneut Verwendung. Oberirdisch überspannen mächtige Träger aus Brettschichtholz die beeindruckenden Dimensionen der neuen Hallen, die in ein Betonfassadenkleid in den Farben der Lösshänge gehüllt sind. Konstruiert ist es aus 24 Zentimeter starken vorgehängten Ortbetonscheiben.
An der fünften Fassade, dem Dach wird der Ausstieg aus Gas in Form einer 377-kWp-Photovoltaikanlage, die ergänzt durch biogene Fernwärme die Energie liefert. Extensiv begrünte Dachflächen machen nicht nur optisch etwas her, sie speichern auch Regenwasser.
Innen fällt die großzügige Tageslichtführung auf, die Bedacht darauf nimmt, sommerliche Überwärmung zu vermeiden. Die Fensterbänder der großen Dachlaternen bringen viel Licht von oben, immer wieder wird Ausblick in die Umgebung gewährt. Die Wege vom Keller in die Abfüllanlage sind kürzer geworden. Den Geräuschpegel der wie ein riesiges mechanisches Ballett anmutenden Flaschenfüllanlage, die mit 15.000 Flaschen pro Stunde 20 Prozent mehr erledigt als die Vorgängerin, mindert eine Lärmschutzdecke.
So wie innen eines in das andere greift, alles klar strukturiert und übersichtlich, hell und luftig ist, präsentiert sich nun das neu arrondierte Ensemble auch von außen kompakt und aufgeräumt. So, wie es einem Betrieb, der mit sich ins Reine gekommen ist, eben gut zu Gesicht steht. (Text: Franziska Leeb)

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Für den Beitrag verantwortlich: ORTE architekturnetzwerk niederösterreich

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Architektur

Bauherrschaft
Winzer Krems eG

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