Bauwerk

KinderKunstLabor
Schenker Salvi Weber - St. Pölten (A) - 2024

Euphorie im Baumhaus

Das neue Kinderkunstlabor in Sankt Pölten ist das erste seiner Art und begegnet seiner jungen Zielgruppe auf Augenhöhe. Das tut auch die Architektur des Hauses, die mit einem Füllhorn an Raumideen und robuster Feinheit zum aktiven Entdecken einlädt.

13. Juli 2024 - Maik Novotny, Maik Novotny
Nicht nur Wien, auch Sankt Pölten verfügt über eine Ringstraße, und auch sie ist gesäumt von großen Einzelbauten. Weniger glamourös als Staatsoper und Burgtheater, aber ebenso wichtige Gesellschaftsbausteine: Schule, Amtshaus, Versicherungszentrale. In der Regel lässt sich von außen die Funktion auf den ersten Blick erkennen.

Nicht so beim jüngsten Neuzugang. Eine Art niedriger Turm, gehüllt in Holzlamellen, hinter denen Fensterflächen dunkle Diagonalen zeichnen. Der Eingang ein Trichter aus Sichtbeton, gestaffelt wie das Stufenportal einer Kathedrale. Also eine Kirche? Wobei, die Holzfassade sieht eher nach einem Forschungszentrum aus. Aber wozu dann die riesige Loggia im zweiten Stock mit Blick auf den Park und seinen alten Baumbestand? Ein Beobachtungsposten für Eichhörnchenfans? Oder doch ein Museum? Aber was für eines?

Es ist ein bisschen von all dem, aber es ist auch etwas ganz anderes. Denn das Haus in Sankt Pölten gehört zu einem Typus, den es bisher nicht gab: Es ist ein – nein, es ist das Kinderkunstlabor. Dessen Idee ist es, junge Menschen an die bildende Kunst heranzuführen, systematisch und professionell, ernsthaft und spielerisch, und vor allem auf Augenhöhe. Die Kinder wählen selbst die Künstlerinnen und Künstler aus, die hier ausstellen, und in den Labors im selben Haus setzen sie ihre eigenen kreativen Ideen um.

Die Idee entstand, als sich Sankt Pölten als Kulturhauptstadt Europas 2024 bewarb. Das wurde dann letztendlich das Salzkammergut, doch man verzichtete aufs Beleidigtsein und führte die schon begonnenen Ideen einfach weiter: Neben dem Festival Tangente war dies das Kinderkunstlabor. Eine kluge Entscheidung, ebenso wie jene für den Standort, eine wichtige Wegmarke zwischen Altstadt und Kulturbezirk.

Beglückende Erfahrung

Den ausgelobten Architekturwettbewerb gewann das Wiener Büro Schenker Salvi Weber, und das, wie Michael Salvi erzählt, mit großer Freude. Denn wann hat man als Architekt schon Gelegenheit, einen Gebäudetyp zu entwerfen, für den es kein Vorbild, keinen Normenkatalog, kein Handbuch gibt? Hilfestellung kam vom Kinderbeirat, der den Entwurfsprozess fachlich begleitete, für die Architekten eine beglückende Erfahrung, sagt Salvi. „Wir wollten nicht didaktisch, sondern mit Freude an die Sache herangehen und die Ideen der Kinder ernst nehmen. Denn wenn Architektur den Kindern gegenüber wertschätzend ist, ist sie es auch für Erwachsene.“ Das spürt man vor Ort, von außen wie von innen. Hier ist nichts verniedlichend, nichts kindisch, nichts Rot-Gelb-Blau. Es ist ein Haus, das auf eine kantige Art behaglich ist und auf eine elegante Art robust. Kristallin in der Form, aber warm und berührbar im Material. Ein organischer, freundlicher Monolith. Die turmähnliche Form ergab sich daraus, dass die Architekten so viel wie möglich vom Park erhalten und diesem einen räumlichen Halt am Rand geben wollten.

Als Form wählten sie ein gleichseitiges Dreieck mit stumpfen Ecken, an allen drei Seiten knickt die Fassade leicht nach innen. Da der Weg durchs Haus an der Fassade entlangführt, ergibt sich so eine Sogwirkung im Bewegungsablauf, ein Kontinuum an einladenden Gesten und belohnenden Blickrichtungen, Futter für unstillbare Neugier. Es sollten, sagt Michael Salvi, euphorische, feierliche Räume werden. Das mag etwas sakral klingen, bedeutet aber einfach, dem Kind nicht eine Schrumpfversion der Welt anzubieten, sondern im Gegenteil besonders große Türen in diese zu öffnen.

Selbstbewusste Stütze

Dabei fängt es zunächst ganz ruhig an, in einem breiten, niedrigen Foyer, wo sich die Gruppen sammeln. Der Weg der Kinder zu Kunst und Labor wendet sich zunächst in eine der Dreiecksspitzen und dreht dann scharf um, um zwischen einer keilrahmenhaft holzgetäfelten Wand und der parkseitigen Fassade mit ihren luftig geschichteten Stützen und Stäben auf breiten Stiegen hinaufzueilen. Hier will man auch als Erwachsener am liebsten gleich mehrmals jauchzend hinauf- und hinunterjagen. Das passt, denn, sagt Mona Jas, die Künstlerische Leiterin des KKL, die Kinder dürfen und sollen hier „rennen, laut sprechen, neugierig sein, viele Fragen stellen. Das Signal ist: Ihr müsst euch nicht an das Museum anpassen, sondern das Museum wächst mit euch.“

Das, was das Museum zum Museum macht, der eigentliche Ausstellungsraum, bildet das Herz des Ganzen, das Dreieck im Dreieck. Nicht nur in der Kontur ein ungewöhnlicher Raum, sondern auch in der Struktur. Versuchen Architekten und Kuratoren normalerweise mit allen Mitteln, aus Museumsräumen stützenfreie White Cubes zu machen, wurde hier die Statik der komplexen Geometrie auf ganz naheliegende Weise gelöst: durch eine selbstbewusste dicke Stütze genau in der Mitte.

Die nächste euphorische Treppenflucht nach oben, jetzt etwas schmaler, fast dachbodenhaft, finden die Kinder einen ruhigen kleinen Raum des Luftholens, bevor sie in den zwei großen Laboren und auf der Loggia davor, neben den zum Greifen nahen Bäumen des Parks, malen, bauen, reden, lernen, lehren dürfen. Im obersten Stockwerk schließlich gelangt man in die Bibliothek, klein und versteckt wie ein Baumhaus im Geäst, mit Licht von oben und Fenstern zum Nach-unten-Spähen. Die Regale für die Bücher sind perfekt maßgeschneidert, wie auch das ganze Haus geradezu ein Fest des Tischlerhandwerks geworden ist. Wie ein weiches Futteral sind die Kästen, Sitzbänke, Türen, Fächer aus hellem Birkensperrholz in die eckige Geometrie hineingenäht worden. Auch das hat einen versteckten didaktischen Zweck, sagt Michael Salvi. „Wir wollen den Kindern verständlich machen, wie ein Haus entsteht und zusammengesetzt wird.“

So schafft es die Architektur, das ambitionierte Programm der Kunstvermittlung und des Kunstmachens zu begleiten, ohne sich mit simplen Botschaften einzumischen, sondern als gebauter Bildungsauftrag, der Spaß macht. Keine Frage: Aus dieser Laborerfahrung werden so einige künftige Künstlerinnen hervorgehen – und sehr wahrscheinlich auch ein paar Architektinnen.

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Stadt St. Pölten

Tragwerksplanung

Landschaftsarchitektur

wettbewerb

Das Projekt ist aus dem Verfahren KinderKunstLabor St. Pölten hervorgegangen

1. Rang, Gewinner, 1. Preis
Schenker Salvi Weber Architekten ZT GmbH


2. Rang, Preis
Franz und Sue ZT GmbH


3. Rang, Preis
rundzwei Architekten Reeg&Dufour PartGmbB


3. Runde
Johannes Friessnig


3. Runde
PPA architects, Architekt Scheibenreif ZT GmbH


2. Runde
GRAFT Gesellschaft von Architekten mbH


2. Runde
Hermann & Valentiny und Partner Architekten ZT GmbH


2. Runde
Christopher Lottersberger ZT GmbH


2. Runde
AllesWirdGut Architektur ZT GmbH


2. Runde
syntax architektur zt gmbh, YEWO LANDSCAPES GmbH, Büro Bauer


2. Runde
maul-architekten zt gmbh


2. Runde
Wolfgang Schmied


2. Runde
Ebru Simsek-Lenk


2. Runde
JAP! architektur zt gmbh


2. Runde
Kaltenbacher Architektur ZT GmbH


2. Runde
Baukooperative GmbH


2. Runde
SODA architekten


2. Runde
halm.kaschnig.wuehrer architekten


2. Runde
Christian Tonko


1. Runde
ATELIER PAP | Bence Pap Mag. Arch.


1. Runde
Erich Grasser


1. Runde
CPP Architektur ZT KG


1. Runde
maxRIEDER ZT GmbH


1. Runde
Peter Maier


1. Runde
HOLODECK architects ZT GmbH


1. Runde
ENDLOS Architektur - Bmst. Ing. Patrick Gruber GmbH


1. Runde
Core Studio ZT GmbH


1. Runde
Nikolay Hristov Ivanov


1. Runde
Hermann Karrer


1. Runde
O.H.A. Office for Heuristic Architecture | Giencke Monschein Architekten ZT GmbH


1. Runde
Caspar Wichert Architektur ZT GesmbH


1. Runde
Nerma Linsberger ZT GmbH


1. Runde
Thomas Tauber


1. Runde
asphalt-kollektiv


1. Runde
trans_city ZT GmbH


1. Runde
PUTZER ZT GmbH


1. Runde
tiburg | Tinnacher, Isele, Habsburg Architektur


1. Runde
ARTEC Architekten Bettina Götz + Richard Manahl


1. Runde
Expanded Design, Andreas Rumpfhuber


1. Runde
Hochform Architekten ZT GmbH


1. Runde
Studio Maks


Preis
Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH


Preis
Habeler & Kirchweger Architekten ZT GmbH