Bauwerk

Flusshaus Prinzersdorf
Ernst Beneder, Anja Fischer - Prinzersdorf (A) - 2024
Flusshaus Prinzersdorf, Foto: Konrad Neubauer
Flusshaus Prinzersdorf, Foto: Konrad Neubauer
12. Dezember 2024 - ORTE
Nahe dem Ortszentrum gelegen wird der Flussuferabschnitt entlang der Pielach seit jeher gerne von den Prinzersdorfer:innen als Freizeit-, Bade- und Veranstaltungsplatz genutzt. In den 1960er Jahren wurde eben dort ein einfaches Vereinshaus für den örtlichen Verschönerungsverein errichtet, das seither auch vom Blasorchester „Die Pielachtaler“ als Musikproberaum genutzt wurde.
Damals sehr einfach unter der Leitung von Leopold Bauer großteils in Eigenleistung gebaut, konnte das Haus den Anforderungen nicht mehr entsprechen, und so wurde ein neues nachhaltiges Gebäude mit multipler Nutzung an gleicher Stelle errichtet. Gleichzeitig wurden die umliegenden Aussenfächen großteils entsiegelt und ein Festplatz, öffentliche WC-Anlagen sowie ein Sommerbuffet am Ufer der Pielach neu errichtet.
Das eingeschossige Haus wurde so angelegt, dass der begrünte Freiraum der Flusslandschaft ständig in einer Innen-Aussenraumbeziehung erlebbar ist. Dem folgend wird das Haus „Flusshaus“ genannt und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Unterschiedliche Vereine aus Prinzersdorf, der Musikverein „Die Pielachtaler“ sowie mehrere private Initiativen nutzen das Haus. Dazu wird die erforderliche Infrastruktur für große und kleine Benutzer:innengruppen wie Sanitäranlagen, Küche, Besprechungsraum, Foyer, Lagerräume gemeinsam verwendet. Die Ausstattung des Gebäudes mit seiner räumlichen Vielfalt und Flexibilität sowie seiner räumlichen Konfiguration kommt den individuellen Ansprüchen entgegen.
Schlüssel dazu ist ein großzügig angelegter Saal, in dem eine in drei Segmente geteilte Rollschrankwand als beweglicher Raumteiler fungiert. In deren Randstellung ist der Saal in seiner vollen Fläche nutzbar. In der mittigen oder einer frei gewählten Teilung ergeben sich je ein kleinerer und ein größerer Saal. Im Schrank ist Stauraum für die unterschiedlichen Nutzungen und das Saalmobiliar ausreichend vorhanden. Der größere Raum wird nun ständig von den „Pielachtalern“ als Musikproberaum genutzt, zu besonderen Anlässen aber auch entsprechend angepasst. Über dem Schrank läuft die unterspannte Holzkonstruktion durch, somit ist der Raum atmosphärisch immer als Ganzes erfassbar. Diese Wirkung des Raumes erschließt sich auch aus den gestalteten Saalwänden, die vollflächig mit einer textilen Bespannung über akustisch wirksamen Füllungen Bildträger einer historischen Karte (1822) der Pielach samt Fluss-Au im Abschnitt rund um Prinzersdorf sind. Mit der Wandgestaltung des Saales mit der historischen Flusslandschaft ist auch vom visuellen her ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal entstanden, das - grafisch anspruchsvoll - vom Inhalt selbsterklärend zu einer inklusiven Identitätsstiftung des Flusshauses beiträgt.
Das Gebäude ist vollständig als Holzkonstruktion auf einem umlaufenden Sockel auf einer Fundamentplatte ausgeführt. Die Konstruktion in Brettschichtholz, gedämmt mit Holzwolle und die Deckenuntersicht (OSB lasiert), ebenso die akustisch wirksamen Jutepaneele geben eine wärmende Anmutung. Außen ist der Baukörper mit naturbelassenen Lärchenschindeln, im unteren Bereich und im Bereich der nach Norden weit über die vorgelagerte Terrasse auskragenden Dachkonstruktion mit lasierten sägerauen Lärchenbettschalungen verkleidet.
Der niedrigere Teil mit den Nebenräumen ist als begehbare Dachterrasse mit vorgelagerten Sitzstufenanlage zum Festplatz hin ausgebildet. Die höher liegende nördliche Dachfläche über dem Saal ist begrünt und mit einer PV-Anlage ausgestattet. Die Konvektor-Heizung wird mit Niedertemperatur-Nahwärme versorgt. Mit Eigengrund-Versickerung, wassergebundenem Festplatz, sickerfähigem Parkstreifen, Drain-Garden-System, Vorgärten mit Fluss-Au typischer Bepflanzung folgt die gesamte Anlage höchsten ökologischen Standards und entspricht den Kriterien für Klima aktiv Gold.
Dem Fluss zugewandt liegt ein Sommerbuffet, das die traditionelle, im Ort beliebte „Gös ́n Bar“ in neuer und erweiterter Form weiterführt. Breitangelegte Freitreppen vom Platz führen zum baumbestandenen Uferbereich. Ergänzend wurde die alte stillgelegte Trafoanlage mit zwei Anbauten zu einer öffentlichen Sanitäranlage am Übergang zum öffentlichen Flussbad und dem Spielplatz entlang der Pielach ausgebaut.
Das Projekt wurde in intensivem Austausch mit den örtlichen Vereinen entwickelt. Workshops und zahlreiche Projektpräsentationen haben letztlich dazu geführt, die Räume gemeinsam und in gegenseitigem Austausch zu benutzen, zu teilen und mit Fantasie anzunehmen. Die Eignung der Anlage sowohl für große Festivals wie für den individuellen Zugang kleiner Gruppen hat sich schon in den ersten Tagen nach der Eröffnung gezeigt. Auch die Sitzstufenanlage war vielfach schon Tribüne für das Blasorchester, wie umgekehrt auch Arena für das Publikum bei Darbietungen am Platz.
Das Projekt wurde ab Ende Oktober 2023 über den Winter in nur wenigen Monaten bis zu den ersten Veranstaltungen im Juni 2024 pünktlich fertiggestellt. Zum Einsatz kamen großteils Firmen mit lokalem Bezug. Materialien wurden nach nachhaltigen, ökologischen Kriterien ausgewählt. Die Baukosten liegen innerhalb des bereits vor Baubeginn festgelegten Kostenrahmens. (Text: Architekt:innen)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: ORTE architekturnetzwerk niederösterreich

Ansprechpartner:in für diese Seite: Heidrun Schlöglbaudatenbank[at]orte-noe.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft

Tragwerksplanung

Fotografie