Bauwerk

FUZI - Fussgängerzone Innichen
AllesWirdGut - Innichen (I) - 2002
FUZI - Fussgängerzone Innichen, Foto: Hertha Hurnaus
FUZI - Fussgängerzone Innichen, Foto: Hertha Hurnaus

FUZI – Fußgängerzone Innichen

15. Dezember 2004
Innichen (San Candido) liegt in den Dolomiten an der Grenze zwischen Österreich und Italien und ist aufgrund seiner Infrastruktur der wichtigste Ferienort des Hochpustertals. Das Dorf entstand am Kreuzungspunkt von mehreren Verkehrswegen; Personen und Güter wurden einst über drei Brücken in den Ort transportiert. Dieser Knotenpunkt markiert bis heute eindeutig das Zentrum des Dorfes. Wie viele Tourismusgemeinden hat sich auch Innichen dafür entschieden, den Kraftfahrzeugverkehr im Zentrum zu reduzieren und die Verkehrsflächen zu ausschließlich fußläufig zugängigen Freiräumen umzugestalten.

Die Atmosphäre der Fußgängerzone verändert sich sehr stark in Abhängigkeit von den Hauptreisezeiten. Die Freiräume und Platzoberflächen wurden »reaktiv« gestaltet, so dass die Gemeinde auf saisonale Schwankungen reagieren und das Erscheinungsbild des Dorfes mehrmals jährlich verändern kann. In der Hochsaison werden die multifunktionalen Oberflächen frei gehalten und stehen den Gästen und Bewohnern zur Verfügung. Das angebotene Netz von Infrastrukturanschlüssen fördert Veranstaltungen, Feste, Konzerte, Vorführungen, Märkte, Messen und Ausstellungen. In der Nachsaison, wenn sich das Dorf leert und die Dichte an Menschen und Aktivitäten stark abnimmt, werden Teile der Oberfläche abgehoben und durch in den Boden eingelassene Blumenbeete ersetzt. Am langgestreckten Hauptplatz, dem Michaelsplatz, werden zudem im Frühling und Herbst einzelne Flächen geflutet, so dass kleine geometrische Seen den graugrünen Serpentin bedecken. Der begehbare Freiraum wird verkleinert und verdichtet.
Eine Plattform am Michaelsplatz aus perlweiß gestrichenem Beton dient als Aufenthaltsbereich. Sie kragt leicht abgehoben über den Rand des Steinfeldes und geht niveaugleich in den Park über. Ein offenes Baumraster schafft ein dichtes Grün und eine ruhige Atmosphäre. Die vorhandene Topographie wird dramatisiert und zu Hügeln, Tälern und Stufen ausgebaut. Der Bereich zwischen dem Hauptausgang der Kirche, des Friedhofs und des Stiftsarchivs wurde zum traditionellen Kirchplatz mit Linde, Sitzbank und Brunnen umgestaltet – als Versammlungsort und Treffpunkt. Die Proportion entspricht einem intimen Dorfplatz, der Brunnen fasst die offene Nordseite, die Oberfläche ist grau gepflastert.

Ein Rückgrat aus in die Oberfläche eingelassenen Linien stärkt gestalterisch und funktional den längs gerichteten Straßenraum der P.P.Rainer-Herzog Tassilo Straße, der eigentlichen Geschäfts- und Gastronomiestraße. Eine Entwässerungsrinne bildet eine markante längsgerichtete Fuge, die den Straßenverlauf kennzeichnet. Quer verlaufende Linien markieren die Eingänge zu den angrenzenden Geschäften und verstärken die perspektivische Wirkung des Straßenraumes. Das Beleuchtungskonzept hält den Straßen und Platzraum nach oben offen.

Die Strahlung verläuft durchgehend von unten nach oben beziehungsweise horizontal entlang der Oberfläche von fest montierten Möbeln aus. Die Beleuchtung erfolgt somit indirekt, Fassaden und Boden wirken als Reflektoren. Nach oben hin nimmt die Lichtintensität ab und geht in den Abendhimmel über.
Die Umgestaltung hat aufgrund der historisch wertvollen Bausubstanz und der Dorfstruktur große Sensibilität erfordert. Durch die ausschließliche Verwendung ortsgebundener Materialien und durch das Beachten historischer Referenzen ist es gelungen, die neue Fußgängerzone homogen und zurückhaltend in das Dorf und in die landschaftliche Kulisse einzubetten. Alle Maßnahmen gehen über eine rein gestalterische Aufwertung hinaus: Sie haben eine soziale und psychologische Komponente, die das Zusammenleben in der Dorfgemeinschaft positiv beeinflusst hat.

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Für den Beitrag verantwortlich: Architektur + Wettbewerbe

Ansprechpartner:in für diese Seite: Arne Barthaw[at]kraemerverlag.com