Bauwerk

Kaiser-Franz-Josef-Spital Geriatrisches Zentrum
Anton Schweighofer - Wien (A) - 2003

Was heißt schon Residenz?

Was kann Architektur beitragen, um ein „Altern in Würde“ zu ermöglichen? Neue Antworten darauf bietet Anton Schweighofers geriatrisches Zentrum im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital.

4. Juli 2003 - Christian Kühn
Übers Altwerden spricht man nicht gern. Auch wenn Altern an sich keine Krankheit ist, so wird doch im Alter die Welt kleiner, stiller und einsamer. Wohnformen für das Alter müssen daher vieles kompensieren: den Verlust an Mobilität und sozialem Umfeld, an Selbstbestimmung und an Prestige. Es ist kein Zufall, dass die Immobilienbranche den Begriff der „Seniorenresidenz“ erfunden hat, in dem altersbedingte Unbeweglichkeit eine Art imperialer Aufwertung erfährt.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Wer je die geriatrische Station eines Krankenhauses besucht hat, weiß, wie schwer es ist, die Idealvorstellung von einem Altern in Würde zu realisieren. Das Gesundheitssystem hat auf den Wohnbedarf der immer größer werdenden Zahl alter Menschen, die zusätzliche medizinische Betreuung brauchen, nur langsam und unter dem Druck der hohen Kosten reagiert, die dadurch anfallen, dass teure Spitalsbetten von Pflegepatienten belegt werden.

Als die Gemeinde Wien 1996 über ihren Krankenanstaltenverbund einen Wettbewerb für die Planung eines geriatrischen Zentrums im Franz-Josef-Spital ausschrieb, ging es nicht nur um 240 neue Pflegeplätze, sondern auch um die Suche nach einem Bautyp, der zwar kein Spital sein sollte, aber auch mehr als ein reines Pflegeheim.

Wie immer im Krankenhausbau waren hohe Dichte, niedrige Baukosten und ein effizienter Betrieb maßgebliche Kriterien. Die Komplexität der Aufgabe wurde im konkreten Fall noch dadurch gesteigert, dass auf dem knappen Grundstück neben den Bettentrakten auch eine Großküche unterzubringen war, die mit 2200 Mahlzeiten pro Tag das gesamte Spital versorgen kann, sowie eine neue Haupteinfahrt mit angeschlossener Tiefgarage. Die Gesamtkosten lagen bei knapp 50 Millionen Euro.

Als Sieger aus dem Wettbewerb ging Anton Schweighofer hervor. Er ist kein „Krankenhausexperte“, auch wenn er Ende der 1970er Jahre mit dem Krankenhaus in Zwettl einen der wichtigsten, auch international nachgeahmten Beiträge zu diesem Thema geliefert hat. (Wie sich überhaupt zeigt, dass die herausragenden Krankenhausprojekte in Österreich nicht von den sogenannten Spezialisten stammen: Man denke etwa an die Krankenhäuser von Klaus Kada in Hartberg, von Günther Domenig in Bruck an der Mur oder von Katzberger und Loudon in Innsbruck.)

Hervorzuheben ist auch, dass Schweighofer im Franz-Josef-Spital als Generalplaner mit seinem leitenden Mitarbeiter Peter Weber für die Gesamtkoordination verantwortlich war, bei einem Projekt dieser Komplexität eine höchst strapaziöse Aufgabe. Aber ohne die Übernahme der planerischen Gesamtverantwortung wären viele zentrale Anliegen des Projekts nicht durchzusetzen gewesen.

Nähert man sich heute der Geriatrie über die neue Einfahrt ins Franz-Josef-Spital, erscheint - auch wenn das wohl kaum beabsichtigt war - der Begriff „Residenz“ nicht unangemessen. Es gibt eine imposante Auffahrt mit einer Pergola und einer Reihe großer Bäume (für die in der Tiefgarage entsprechender Wurzelraum geschaffen wurde) und eine insgesamt symmetrische Gliederung des Baukörpers. Konterkariert wird dieser Eindruck von den verwendeten Materialien: Die Pergola besteht aus verzinktem Stahl, die Fassade aus Holzpaneelen, die mit großen Glasflächen abwechseln. Als zusätzliche Schicht ist ein schmaler, durchlaufender Balkon mit Geländern ebenfalls aus verzinktem Stahl vorgeschaltet, der dem Schutz der Holzfassade und der Reinigung der Fenster dient. Die meisten Zimmer verfügen über kleine Wintergärten, deren Türen auf den Balkon aufgehen und damit im Sommer einen erweiterten Freiraum bilden.

Da es sich um den neuen Hauptzugang zum Franz-Josef-Spital handelt, hat Schweighofer besonderes Augenmerk auf die städtebauliche Situierung und die Ausformung der Freiflächen gelegt. Das geriatrische Zentrum orientiert sich nicht am Raster des Krankenhauses, sondern an der angrenzenden Wohnbebauung.

Als Drehpunkt zwischen den Systemen dient der Aufgang von der Tiefgarage, der als verglaster Pavillon ausgeführt ist. Die Bettenstationen sind in einem sechs-geschoßigen, rund 120 Meter langen Baukörper untergebracht, dem ein niedriges, von der begrünten Pergola überspanntes Sockelgeschoß vorgelagert ist. Im Erdgeschoß sind die beiden Trakte verbunden und nehmen Speisesäle, einen Andachtsraum und Räume für die ambulante Betreuung auf.

Eine besondere Innovation des Projekts liegt in der Raumaufteilung der Bettenstationen. Sie bietet den Bewohnern in der Diktion des Architekten nicht nur Zimmer und ein paar abgetrennte Sozialräume, sondern ein „Milieu“, einen erweiterten Lebensraum mit breiter Mittelzone als Gemeinschaftsraum, die ein gutes Drittel der Baukörpertiefe einnimmt und sich an einigen Stellen bis zur Fassade aufweitet. Umgekehrt ragen Nebenräume als niedrige, schrankartige Elemente in diese Mittelzone hinein und geben ihr eine rhythmische Gliederung.

Die Idee, die Wände der Zimmer zu dieser Mittelzone aus Glaselementen herzustellen, konnte Schweighofer nach langen Kämpfen mit den Betreibern zumindest teilweise durchsetzen. Auch bettlägrige Patienten sollten ursprünglich die Möglichkeit haben, ihr Zimmer in den halböffentlichen Raum zu erweitern, indem sie vom Bett aus per Knopfdruck die Wand ihres Zimmers öffnen. Jetzt kann zumindest von gehfähigen Patienten oder von den Schwestern eine vor das Glas gesetzte Faltwand aus Holz geöffnet werden, um einen Sichtkontakt herzustellen.

Auch die kleinen Wintergärten an der Fassade waren beim Bauherren - der stets das Kontrollamt der Gemeinde Wien als Kontrollinstanz gegen jede Art der Verschwendung hinter sich fühlte - nicht leicht durchzusetzen. Ausschlaggebend waren schließlich sehr pragmatische bauphysikalische Argumente. Dass für die Bewohner hier eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen wurde, sich ihren Lebensraum durch Pflanzen zu gestalten, konnte allein nicht überzeugen.

Gerade die Aktivierung der Bewohner war für den Architekten aber ein zentrales Anliegen. Architektur kann das naturgemäß nicht allein leisten, aber sie kann die Möglichkeit dazu anbieten, und das bedeutet vor allem, Bereiche zu schaffen, deren Nutzung nicht von vornherein festgelegt ist.

Ein Beispiel dafür sind die lichtdurchfluteten Vorbereiche vor den Stationen direkt neben Treppe und Aufzügen: Ob dort in Zukunft Sitzgarnituren Hotelatmosphäre verbreiten werden oder ob es Arbeitstische für Gärtnerei und andere Hobbys geben wird, steht noch zur Debatte. Aber gerade im Angebot solcher Offenheiten liegt wie bei vielen anderen Bauten Schweighofers eine besondere Qualität.

Die Gemeinde Wien als Bauherr kann stolz sein, mit diesem Projekt eine außergewöhnliche, offene Architektur für alte Menschen realisiert zu haben. Jetzt muss sie deren Potenzial nur noch nutzen.

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