Bauwerk
Henriette-Herz-Park
Bruno Doedens, Maike van Stiphout - Berlin (D) - 2002
Ein Park als Erdskulptur
Eine der grossen Erfolgsstories in der Geschichte der Gartenkunst ist die Entwicklung des Parks.
1. August 2002 - Udo Weilacher
Von den exklusiven Gärten der italienischen Renaissance und des französischen Barock bis zu den malerischen englischen Landschaftsgärten des 18. und den öffentlichen Volksparks des 20. Jahrhunderts, den grünen Herzen der steinernen Städte. Bis heute verbindet sich mit dem Begriff Stadtpark die tiefe Sehnsucht nach einem Stück harmonisch gestalteter Natur als wohltuendem Ausgleich zum hektischen urbanen Leben.
Als vor wenigen Wochen der neue Henriette-Herz-Park zwischen Potsdamer Platz und Tiergarten in Berlin eröffnet wurde, sahen sich viele Besucher vor ein Rätsel gestellt, denn dieser kleine Park hat formal nichts mehr mit jenem historisch gewachsenen Bild der Parklandschaft zu tun, das sich in vielen Köpfen als das Idealbild der Natur schlechthin festgesetzt hat. Die niederländischen Landschaftsarchitekten Maike van Stiphout und Bruno Doedens (DS), die gemeinsam mit dem Bildhauer Shlomo Koren die neue Anlage entwarfen, sind der Überzeugung, dass der Park von heute nicht mehr als Ersatznatur und Gegenbild zur Stadt, sondern als ihr integraler Bestandteil zu betrachten sei und deshalb Formen annehmen könne, die nicht den jahrhundertealten Vorbildern entlehnt sein müssen.
Dass die Grösse der Fläche für die Ausdruckskraft einer Park- oder Gartenanlage keine Rolle spielt, ist zwar längst bekannt, wird aber an Projekten wie dem Henriette-Herz-Park besonders augenfällig. Eingespannt zwischen den architektonischen Wahrzeichen mächtiger Wirtschaftskonzerne, wirkt die 9000 Quadratmeter grosse, dreieckige Grünfläche auf dem Plan wie ein versprengtes urbanes Fragment, welches über flankierende Baumreihen und Alleen wieder Anschluss an den angrenzenden Tiergarten sucht. Nur mit dessen Hilfe kann es sich offensichtlich gegen den Bedeutungsüberschuss der Baumassen am Potsdamer Platz behaupten.
Anstatt sich aber der Parkgestaltung von Peter Joseph Lenné aus Mitte des 19. Jahrhunderts vollkommen anzupassen, setzten die Landschaftsarchitekten auf kraftvollen Kontrast und verhalfen dem Henriette-Herz-Park mit einer überraschend grosszügigen abstrakten Geste sowie mit einer subtilen Manipulation der Topographie zu ausdrucksstarker Identität. Der grüne Zwischenraum verwandelte sich auf diese Weise in einen respektablen Dialogpartner für die umgebenden architektonischen Kolosse.
Es scheint, als habe eine gewaltige tektonische Kraft das Zentrum der Fläche um fast zwei Meter in die Höhe gedrückt und dabei so viel Oberflächenspannung erzeugt, dass man mit einem kreuzförmigen Entlastungsschnitt die grüne Rasenhaut vor dem unkontrollierten gewaltsamen Zerreissen bewahren wollte. Die Einschnitte wurden als vertiefte Wege ausgebildet, die den Betrachter zum erhöhten Zentrum führen, während die Schnitt- oder Bruchränder mit schweren Platten aus rotem finnischem Granit errichtet wurden. Indem man alle Bodenbeläge in der Anlage dem Granit farblich anglich, erzielte man einen einheitlichen Charakter der Wege- und Mauerflächen.
Im Zentrum angelangt, bietet sich vom erhöhten Standpunkt ein Überblick über die städtische Gesamtsituation. Zugleich wird man an dieser Schlüsselstelle mit den aufragenden rötlichen Schnittkanten und damit mit jener eigentümlichen Kraft konfrontiert, die den Park in eine minimalistische, begehbare Bodenskulptur transformiert hat.
Es ist nicht nur der farbliche Kontrast zwischen grünem Rasen und rotem Gestein, der der Anlage ihre Ausdruckskraft verleiht. Vielmehr verursachen die schrägen Erdoberflächen im Kontrast zu den umliegenden Bauwerken ein Gefühl, als ob sich der Boden unter den eigenen Füssen bewegen und die Statik der Umgebung erschüttern würde. Oder ist das Gewicht der umliegenden Bauten die Ursache für die tektonische Hebung der Erdoberfläche im angrenzenden Park?
Viele Assoziationen werden angesichts der gekippten Rasenplatten wach, und manchem mag sogar plötzlich Caspar David Friedrichs Gemälde «Das Eismeer» vor Augen sein, in dem sich der Mensch mit Naturgewalten konfrontiert sieht, die den Glauben an dauerhafte Beständigkeit erschüttern. Der Henriette-Herz-Park bezieht zwar einen erheblichen Teil seiner assoziativen Kraft aus dem mehr oder minder bewussten Bezug zum erhabenen Landschaftserlebnis, ist jedoch in seinem abstrakten ästhetischen Ausdruck weniger der romantischen Malerei des 19. als vielmehr der amerikanischen Land-Art des 20. Jahrhunderts verpflichtet.
Während die jungen Pioniere dieser einflussreichen Kunsttendenz aus Protest gegen die Welt des grenzenlosen Konsums und der globalen Vermarktung die Städte in den sechziger Jahren als Inbegriff der Entfremdung verliessen, um in abgelegenen Wüstengebieten ihre erlebbaren Raum- und Erdskulpturen zu schaffen, kehrt die Land-Art im Projekt von DS Landschaftsarchitekten und Shlomo Koren in verwandelter Form wieder in den urbanen Kontext zurück, um ihre subversive Kraft inmitten scheinbar festgefügter Konsumwelten zu entfalten.
Dem lauten Reklamegebaren der schnelllebigen städtischen Umwelt setzen die Gestalter einen ausdrucksvollen skulpturalen Ort entgegen, der durch seine Beschränkung auf sehr einfache abstrakte, aber umso kraftvollere Elemente das Tempo verlangsamt, einen Ruheraum schafft und ganz nebenbei auch noch dem städtischen Bewohner den alltäglichen Luxus bietet, es sich für eine Weile auf den Rasenflächen bequem machen und die Gedanken schweifen lassen zu können.
Als vor wenigen Wochen der neue Henriette-Herz-Park zwischen Potsdamer Platz und Tiergarten in Berlin eröffnet wurde, sahen sich viele Besucher vor ein Rätsel gestellt, denn dieser kleine Park hat formal nichts mehr mit jenem historisch gewachsenen Bild der Parklandschaft zu tun, das sich in vielen Köpfen als das Idealbild der Natur schlechthin festgesetzt hat. Die niederländischen Landschaftsarchitekten Maike van Stiphout und Bruno Doedens (DS), die gemeinsam mit dem Bildhauer Shlomo Koren die neue Anlage entwarfen, sind der Überzeugung, dass der Park von heute nicht mehr als Ersatznatur und Gegenbild zur Stadt, sondern als ihr integraler Bestandteil zu betrachten sei und deshalb Formen annehmen könne, die nicht den jahrhundertealten Vorbildern entlehnt sein müssen.
Dass die Grösse der Fläche für die Ausdruckskraft einer Park- oder Gartenanlage keine Rolle spielt, ist zwar längst bekannt, wird aber an Projekten wie dem Henriette-Herz-Park besonders augenfällig. Eingespannt zwischen den architektonischen Wahrzeichen mächtiger Wirtschaftskonzerne, wirkt die 9000 Quadratmeter grosse, dreieckige Grünfläche auf dem Plan wie ein versprengtes urbanes Fragment, welches über flankierende Baumreihen und Alleen wieder Anschluss an den angrenzenden Tiergarten sucht. Nur mit dessen Hilfe kann es sich offensichtlich gegen den Bedeutungsüberschuss der Baumassen am Potsdamer Platz behaupten.
Anstatt sich aber der Parkgestaltung von Peter Joseph Lenné aus Mitte des 19. Jahrhunderts vollkommen anzupassen, setzten die Landschaftsarchitekten auf kraftvollen Kontrast und verhalfen dem Henriette-Herz-Park mit einer überraschend grosszügigen abstrakten Geste sowie mit einer subtilen Manipulation der Topographie zu ausdrucksstarker Identität. Der grüne Zwischenraum verwandelte sich auf diese Weise in einen respektablen Dialogpartner für die umgebenden architektonischen Kolosse.
Es scheint, als habe eine gewaltige tektonische Kraft das Zentrum der Fläche um fast zwei Meter in die Höhe gedrückt und dabei so viel Oberflächenspannung erzeugt, dass man mit einem kreuzförmigen Entlastungsschnitt die grüne Rasenhaut vor dem unkontrollierten gewaltsamen Zerreissen bewahren wollte. Die Einschnitte wurden als vertiefte Wege ausgebildet, die den Betrachter zum erhöhten Zentrum führen, während die Schnitt- oder Bruchränder mit schweren Platten aus rotem finnischem Granit errichtet wurden. Indem man alle Bodenbeläge in der Anlage dem Granit farblich anglich, erzielte man einen einheitlichen Charakter der Wege- und Mauerflächen.
Im Zentrum angelangt, bietet sich vom erhöhten Standpunkt ein Überblick über die städtische Gesamtsituation. Zugleich wird man an dieser Schlüsselstelle mit den aufragenden rötlichen Schnittkanten und damit mit jener eigentümlichen Kraft konfrontiert, die den Park in eine minimalistische, begehbare Bodenskulptur transformiert hat.
Es ist nicht nur der farbliche Kontrast zwischen grünem Rasen und rotem Gestein, der der Anlage ihre Ausdruckskraft verleiht. Vielmehr verursachen die schrägen Erdoberflächen im Kontrast zu den umliegenden Bauwerken ein Gefühl, als ob sich der Boden unter den eigenen Füssen bewegen und die Statik der Umgebung erschüttern würde. Oder ist das Gewicht der umliegenden Bauten die Ursache für die tektonische Hebung der Erdoberfläche im angrenzenden Park?
Viele Assoziationen werden angesichts der gekippten Rasenplatten wach, und manchem mag sogar plötzlich Caspar David Friedrichs Gemälde «Das Eismeer» vor Augen sein, in dem sich der Mensch mit Naturgewalten konfrontiert sieht, die den Glauben an dauerhafte Beständigkeit erschüttern. Der Henriette-Herz-Park bezieht zwar einen erheblichen Teil seiner assoziativen Kraft aus dem mehr oder minder bewussten Bezug zum erhabenen Landschaftserlebnis, ist jedoch in seinem abstrakten ästhetischen Ausdruck weniger der romantischen Malerei des 19. als vielmehr der amerikanischen Land-Art des 20. Jahrhunderts verpflichtet.
Während die jungen Pioniere dieser einflussreichen Kunsttendenz aus Protest gegen die Welt des grenzenlosen Konsums und der globalen Vermarktung die Städte in den sechziger Jahren als Inbegriff der Entfremdung verliessen, um in abgelegenen Wüstengebieten ihre erlebbaren Raum- und Erdskulpturen zu schaffen, kehrt die Land-Art im Projekt von DS Landschaftsarchitekten und Shlomo Koren in verwandelter Form wieder in den urbanen Kontext zurück, um ihre subversive Kraft inmitten scheinbar festgefügter Konsumwelten zu entfalten.
Dem lauten Reklamegebaren der schnelllebigen städtischen Umwelt setzen die Gestalter einen ausdrucksvollen skulpturalen Ort entgegen, der durch seine Beschränkung auf sehr einfache abstrakte, aber umso kraftvollere Elemente das Tempo verlangsamt, einen Ruheraum schafft und ganz nebenbei auch noch dem städtischen Bewohner den alltäglichen Luxus bietet, es sich für eine Weile auf den Rasenflächen bequem machen und die Gedanken schweifen lassen zu können.
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