Bauwerk

Wohnhausanlage Cassinonestrasse
wurnig / kljajic / architekten - Wien (A) - 2002
Wohnhausanlage Cassinonestrasse, Foto: Margherita Spiluttini
Wohnhausanlage Cassinonestrasse, Foto: Margherita Spiluttini

Klare Formen und hoher Nutzwert

Wohnungsbau bedeutet meist planen für unbekannte Nutzer. Die Kunst besteht darin, deren Wünsche zu erahnen und es möglichst allen recht zu machen.

9. April 2002 - Franziska Leeb
Es sind oft die auf den ersten Blick nicht gleich sichtbaren Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, wie praktisch und brauchbar sich das Geplante im Lauf der Zeit bewährt. Mitbestimmen können die zukünftigen Mieter von Wohnhausanlagen nur selten, da der Planungs-, Beratungs-und Koordinationsaufwand bei partizipatorischen Projekten mühsam und zu aufwändig ist.

Für Architekt Martin Wurnig ist es dennoch wichtig, nicht schon von vornherein den zukünftigen, noch unbekannten Bewohnern ein zu enges Korsett an Gegebenheiten vorzusetzen. Die Leute sollen auch im Nachhinein noch Veränderungen, sprich interne Adaptionen wie Raumteilungen oder -vergrößerungen, vornehmen können. Geprägt durch die Arbeit im Büro von Ottokar Uhl - einem Pionier des partizipatorischen Bauens - und durch Erfahrungen mit einem Selbstausbau-Projekt am Leberberg weiß er um Mieterwünsche und -probleme gut Bescheid.

Doch wie gesagt - meist kennt der Planer die zukünftigen Mieter nicht, und im besten Fall schafft er ein Raumangebot, das so vielfältig nutzbar ist, dass es für viele Lebenssituation adaptierbar ist.

Bei der soeben fertig gestellten Siedlung Cassinonestraße für den Bauträger Gewog versuchten die Architekten Wurnig und Klajic diesen Anspruch möglichst gut zu erfüllen. Die 42 Wohnungsgrundrisse sind so strukturiert, dass sich nach Süden zu den Terrassen oder Gärten jeweils ein großer - eventuell teilbarer - Wohnraum über die ganze Wohnungsbreite erstreckt. Zwei bis drei kleinere Zimmer liegen nach Norden. Dazwischen sind entlang eines Ganges Vorraum, Nasszellen und Küchen angeordnet, wobei Letztere sowohl als abgeschlossene Raumeinheiten als auch zum Wohnraum hin offen gestaltet werden können.

Um Neustrukturierungen zu ermöglichen, gibt es natürlich keine tragenden Wände im Inneren der Wohnungen. Jede Wohnung hat einen individuellen Freiraum und einige besonders begünstigte sogar einen Dachgarten.

Reizüberflutung kann sich auf das Wohlgefühl unangenehm auswirken. Wurnig/ Klajic trachteten daher nach klaren Raumkonzepten und pflegten eine Ästhetik der Reduktion. Die Lage an der Stadtkante im 22. Bezirk verlangte nach einem Konzept, das in dieser exponierten Situation projektintern für Zusammenhalt sorgt. Nach Osten schließen bereits Felder an, und in nächster Umgebung gibt es vom Geschoßwohnbau bis zu frei stehenden Kleinhäusern alles.

Eine übergeordnete Siedlungsstruktur ist nicht erkennbar. Die drei Zeilen aus einfachen kubischen Baukörpern in schlichtem Weiß sind in jeweils drei einzelne Blöcke aufgelöst, um eine der Umgebung entsprechende Bebauung zu schaffen. Für bunte Kleckse sorgen die Terrassentrennwände aus farbigen Gläsern. Ein Fußwegenetz durchdringt die Anlage und macht sie durchlässig. Die Zugänge zu den Wohnungen liegen in den engen Seitengassen und sind für die oberen zwei Geschoße in einer leichten Stahl-Glas-Konstruktion untergebracht.

Zu den Gassen hin verfügen die halb offenen Stiegenhäuser über „Aussichtskanzeln“, die in den öffentlichen Raum hinausragen. Die einzelnen Häuser sind so gesetzt, dass die „Seitengassen“ jeweils um eine Achse verschwenkt sind und so von den Terrassen der hinteren Hausreihen der Blick durch die transparenten Stiegenhäuser möglich ist.

Trotz aller gebotenen Sparsamkeit - bei Details und Materialen durfte wie üblich kein besonderer Aufwand getrieben werden - bietet die Anlage hinsichtlich Gesamterscheinung, Raumstimmungen und Nutzwert hochwertigen Lebensraum.

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