Bauwerk

Hauptsitz der Caja General de Ahorros de Granada
Alberto Campo Baeza - Granada (E) - 2002

Von der Alhambra lernen

Granadas vorsichtige Annäherung an die neue Architektur

Bezüglich seiner Architekturentwicklung steht Granada auch heute im Bann der Alhambra. Die Öffnung geht nur zögerlich vonstatten. Ein zentrales Beispiel zeitgenössischer Architektur entstand nun an der südlichen Peripherie der Stadt.

1. Februar 2002 - Margit Ulama
Die berühmte Ansicht der Alhambra mit der schneebedeckten Sierra Nevada im Hintergrund muss man suchen. Denn Granada bietet eigentlich ein völlig anderes Bild - jenes einer lauten Stadt, deren Reize sich erst nach und nach erschliessen. Die maurische Burganlage verbindet die Strenge der äusseren Erscheinung mit dem gestalterischen Reichtum des Inneren. Auch wenn man auf beinahe überbordende Ornamentik trifft, so ist die Folie dafür zumeist klar und einfach. Zu Beginn der neunziger Jahre liess sich Jacques Herzog von diesen Mustern inspirieren. Rückblickend war dies ein erster Schritt, um ein langeZeit tabuisiertes Thema in die Diskussion zurückzuholen. Heute ist das Thema Ornament wieder salonfähig, beinahe sogar populär.


Wasser als Gestaltungselement

Die Alhambra liegt wie eine Stadt für sich etwas entrückt am Hügel. Dort konzentriert man sich zurzeit auf archäologische Ausgrabungen und Restaurierungen, die die Umgebung des Alhambra-Bereiches mit einschliessen. Die architektonischen Eingriffe des letzten Jahrzehnts sprecheneine reduzierte und durchaus vorbildliche Sprache. Sogar die aus der Mitte der fünfziger Jahre stammende Freilichtbühne des Generalife wirkt erstaunlich aktuell, so dass die adaptierten Ausstellungsräume im Palast Karls V. logisch daran anschliessen. Auch Details wie kleine, mobile Rampen sind entsprechend gestaltet. Entscheidend war schliesslich die Neugestaltung des Zugangsbereiches beziehungsweise der Parkplatzanlagen, um den grossen Besucherandrang organisatorisch zu bewältigen. Zuvor verstellten nämlich Autos weite Bereiche des Parkes zwischen der Alhambra und der Stadt bis hin zum Palast Karls V. Man schrieb deshalb Ende der achtziger Jahre einen Wettbewerb aus, den die Wiener Architekten Erich Hubmann und Andreas Vass gewannen. Vor vier Jahren stellte man das Projekt fertig, und heute präsentieren sich die Parkplätze selbstverständlich und beinahe unauffällig.

Die Zufahrt wurde zum einen weit abseits an die Ostseite des Alhambra-Hügels verlegt, während das Stadtzentrum an dessen Westseite liegt. Die Parkflächen folgen der Topographie, und die dicht gepflanzten, bereits stattlichen Bäumen verdecken zunehmend die Autos. So artikulieren sichdie architektonischen Massnahmen, die von Beginn an in ihrer Weitläufigkeit etwas schwer zu überblicken waren, abgesehen von einem guten Funktionsablauf immer mehr über architektonische Details. Und diese sind in ihrem Béton brutbetont minimalistisch und karg. Damit sind insbesondere die Bewässerungskanäle gemeint, die das langgestreckte Gelände in der Querrichtung durchziehen und strukturieren. Wie im Generalife ein kleiner Wasserlauf in eine Treppenbrüstung integriert ist und man die Hand in der heissen Jahreszeit im Vorbeigehen kühlen kann, so wird man auch hier vom Wasser begleitet. Doch das System ist technischer, und die Architekten wollten die Idee eines Bewässerungssystems als Metapher einer früheren agrarischen Kultur mit denParkplätzen verbinden. Aber auch die Wasserbecken der Alhambra lassen sich assoziieren.

Eine explizite Trennung von Bewässerungszonen und Parkplätzen musste schliesslich aus pragmatischen Überlegungen einer stärkeren Integration dieser Funktionen weichen. Bei genauerem Blick präsentieren sich die Anlagen als praktisch konzipierte und zugleich künstlerisch überhöhte Komposition. Dies vermittelt sich heute trotz entscheidenden Veränderungen nach Fertigstellung. Vor dem Eingang in die Alhambra verdichtet sich die skulpturale Gestaltung. Hier befindet sich neben einem Bewässerungskanal ein grosses, flaches, aufgestelztes Wasserbecken, das den Besuchern eine verschattete Zone bietet. Die plastische Modellierung der tragenden Wände des Beckens visualisieren wieder jene architektonisch-ästhetische Idee jenseits reiner Funktion, die dem Projekt insgesamt zugrunde liegt.

Die modernen Eingriffe im und um den Alhambra-Bereich belegen, dass Tradition und Neuerung unmittelbar miteinander vereinbar sind. Dennoch entzünden sich an diesem Thema heftige Kontroversen; bestes Beispiel dafür ist die Planung eines Geschäfts- und Wohnhauses von Alvaro Siza im Stadtzentrum. Es fehlt eine übergeordnete Strategie, den konträren Anforderungen von Vergangenheit und Gegenwart gleichermassen gerecht zu werden. Eine Strategie fehlt aber auch für den Stadtrand, wo die hemmende Tradition eigentlich fehlt. An der südlichen Peripherie sticht seit kurzem ein mächtiger grauer Block ins Auge, der Hauptsitz der Caja General de Ahorros de Granada, nach Alhambra und Sierra Nevada drittes und neustes Symbol der Stadt. Der strenge Kubus wirkt in sich geschlossen und abweisend, ein erratischer Block in einer Gegend von Zufälligkeiten und Spekulationen. In der Unwirtlichkeit dieser Peripherie erfreuen sich romantische Architekturmotive besonderer Beliebtheit und bilden gleichsam den Hintergrund für den Neubau des Madrider Architekten Alberto Campo Baeza, der aus einem 1992 durchgeführten Wettbewerb hervorging.

Die distanzierte und zugleich kraftvolle Geste stellt eine mögliche Reaktion auf die disparate Umgebung dar. Der graue, schwere Kubus strahlt Ruhe aus. Diagonal konzipiert, bilden die Seiten gegen Norden geschlossene, plane Flächen, die nur von schmalen, horizontalen Fensterbändern fein durchlöchert werden. Gegen Südosten und Südwesten fällt der mächtige Betonrahmen stärker auf, denn hier umfasst er ein Quadratraster mit tief innenliegenden Fenstern. Licht ist hier im Überfluss vorhanden, und so wirken die Südfassaden als Brise soleil. In die rüde und auf den ersten Blick simpel wirkende Komposition packt Campo Baeza eine Reihe architektonischer Themen. Die Referenzen des strengen Baukörpersmit dem Raster der quadratischen Öffnungen reichen vom Madrider Gewerkschaftsbau der vierziger Jahre über Aldo Rossi bis zu Max Dudler und Diener & Diener in die Gegenwart.


Monumentale Halle

Betritt man die Bank, wird man unmittelbar in das Atrium geführt und ist von dessen Weite überrascht. Vier überdimensionale Säulen ragen in die Höhe und verleihen dem Raum seine spezifische Monumentalität, die eindrucksvoll, aber nicht erdrückend wirkt. So einfach dieser Raum zunächst wirkt, so vielfältig ist er schliesslich im Gesamten. Zunächst ist das Auditorium als kleine Box hineingestellt, wohl auch um die Dimension im Eingangsgeschoss etwas zu reduzieren. Zwei der Säulen ragen aus dieser Box. Ähnlich wie die äusseren sind auch die inneren Fassaden diagonal konzipiert - zwei als geschlossene, im Licht aber changierende und sich daher als dünne Haut artikulierende Alabasterflächen, zwei als transparente Glasflächen. Eine mächtige Dachkonstruktion führt den Fassadenraster fort. Campo Baeza spielt in seinen jüngeren Projekten immer wieder mit dem Gegensatz von Stereotomie und Tektonik: Zur Caja General, deren Stützen er mit denmonumentalen Pfeilern der Kathedrale von Granada vergleicht, gibt es denn auch eine schematische Skizze, die die äussere Box als stereotomisch bezeichnet, die hineingestellten kleineren Boxen für die Büros als tektonisch.

Campo Baeza nähert sich damit einem diffizilen Thema, dessen Umsetzung um einiges komplizierter ist, als die Skizze suggeriert. Die Qualität des Baus resultiert auch aus seinen Ambivalenzen. Die Alabasterflächen im Inneren wirken sowohl massiv als auch transluzent, der tektonische Aufbau verbirgt sich. Auch die Stereotomie der äusseren Box ist keineswegs eindeutig, und die kubische Form wird vom Thema der Diagonale horizontal und vertikal überlagert. Indem die Lichtkuppeln etwas versetzt sind, wird das Licht schräg in den Innenhof geführt. Auf der obersten Ebene bietet sich eine völlig neue Perspektive. Die Bürogeschosse lassen einen Freiraum zur Dachzone; man findet sich unter anderem in einem offenen, zweigeschossigen Raum, dem nicht nur die Fenster- und die Dachkonstruktion Prägnanz verleihen, sondern auch die Endstücke der vorbeilaufenden, mächtigen Säulen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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