Bauwerk

Media Centre Lume
Heikkinen & Komonen - Helsinki (FIN) - 2001

Tonlos in die Zukunft?

Ein Neubau auf dem «Arabia»-Gelände in Helsinki

4. Januar 2002 - Hubertus Adam
Weite Bereiche der Keramikmanufaktur Arabia in Helsinki werden zurzeit umgenutzt. Als jüngster Teil der Art and Design City Helsinki entstand das von dem renommierten Architektenteam Heikkinen & Komonen entworfene Media Centre Lume.

Die in Helsinki ansässige Keramikmanufaktur Arabia, 1873 vom schwedischen Mutterunternehmen Rörstrand gegründet, um den russischen Markt bedienen zu können, erzielte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Bekanntheit sondergleichen. Wo zuvor vornehmlich Sanitärartikel, Isolatoren und Ziegel hergestellt worden waren, verliessen nun Haushaltsgeräte in klaren Formen die Brennöfen. Kaj Franck, der neben Alvar Aalto, Tapio Wirkkala und Timo Sarpaneva massgeblich den Ruf des finnischen Designs begründete, war 1945 als künstlerischer Leiter von Arabia berufen worden. 1953 ging der grösste Erfolg der Manufaktur in Serie: das Steingutgeschirr «Kilta», das noch heute hergestellt wird. Doch die fetten Jahre von Arabia sind vorbei. In der Blütezeit arbeiteten hier 4000 Beschäftigte, heute sind es noch 300. Hauptursache war der durch die kostengünstigere ausländische Konkurrenz ausgelöste Strukturwandel im keramischen Gewerbe, der zur Einstellung der Ziegelproduktion führte - und dann zum Verkauf von Arabia an den Haushaltwarenkonzern Hackman, zu dem auch die durch die Produktion von Aaltos Savoy-Vasen bekannte Glashütte Iittala gehört.

Zu einem nicht unerheblichen Teil war die Krise selbst verschuldet: Lange Zeit wähnte man sich mit den Produkten von Kaj Franck unschlagbar, kalkulierte weder einen Geschmackswandel ein noch die Tatsache, dass geschickte Wohnungsausstatter wie Ikea das Image des skandinavischen Designs weitaus preisgünstiger zu vermarkten verstanden. Inzwischen nutzt Arabia nur noch einen kleinen Teilbereich des einstigen Industrieareals, das über mehr als einen Kilometer die vielbefahrene Strasse Hämeentie im Norden von Helsinki säumt. Attraktiv wirkt die Gegend nicht, und doch lag hier einst die Kernzelle des vom Schwedenkönig Gustav I. Wasa 1550 gegründeten Helsinki, das später auf eine wenige Kilometer weiter südlich gelegene Halbinsel verlagert wurde. Dort liess Zar Alexander I. durch seinen aus Berlin stammenden Architekten Carl Ludvig Engel zu Beginn des 19. Jahrhunderts die letzte klassizistische Planstadt errichten.

Der Reiz des Arabia-Terrains besteht in einer ufernahen Lage - der Altstadtfjord, dessen Name allein noch auf das frühere Zentrum verweist, begrenzt das Gelände Richtung Osten. Wie auch in anderen europäischen Hafenstädten - ob Rotterdam, Hamburg oder Genua - wird die Küstenlinie in Helsinki zum Motor der Stadtentwicklung. Wohnungen für 7000 Einwohner und 2000 Arbeitsplätze sollen im einstigen Industriequartier Arabiaranta in den kommenden Jahren entstehen. Die Geburtsstunde des neuen Stadtteils schlug 1995, als private Organisationen und staatliche Behörden ein gemeinsames Entwicklungsprojekt für das Areal mit seinen 85 Hektaren vorlegten. ADC heisst das ambitionierte Projekt - Art and Design City Helsinki. Unternehmen der Telekommunikation und der neuen Medien sowie Hochschul- und Bildungseinrichtungen sollen die alten Werkareale revitalisieren. Inzwischen haben die Universität für Kunst und Design Helsinki, die Schule für Pop und Jazz sowie das Institut für Kunst und Medien des Polytechnikums in den alten Fabrikbauten ihr neues Domizil bezogen. Die jüngste Institution in Arabiaranta ist das der Universität für Kunst und Design angeschlossene Media Centre Lume von Mikko Heikkinen und Markku Komonen, das seine Initiatoren als «Kulturzentrum der Informationsgesellschaft» verstehen. Mit diversen Studios, Media Labs und Veranstaltungssälen dient es der Forschung, Ausbildung und Produktion im audiovisuellen Sektor; die Einrichtungen werden von der Universität genutzt, können aber auch gemietet werden. Zum Teil liessen sich die neuen Räumlichkeiten in die aus den vierziger Jahren stammenden, die Hämeentie flankierenden Arabia-Bauten integrieren. Für die raumintensiveren Funktionen - Film- und Fernsehstudios, Black-Box-Theater sowie Auditorium - entstand ein östlich anschliessender Erweiterungsbau.

Heikkinen & Komonen, die 1987 mit ihrem Wissenschaftsmuseum «Heureka» einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden und nicht zuletzt durch den Bau der finnischen Botschaft in Washington zu den führenden Architekten des Landes zählen, wählten eine Glaspassage als Rückgrat der Erschliessung. Vom Haupteingang an der Hämeentie aus führt der lichte Gang zum Block der Produktions- und Veranstaltungssäle; er dient als Foyer, kann aber auch für Ausstellungen Verwendung finden und soll zukünftig Richtung Altstadtfjord verlängert werden. Denn die klare Rasterstruktur, welche den Grundriss des Media Centre Lume prägt, soll sich bis in das künftige Wohnviertel hinein fortsetzen. Ist dies einmal fertiggestellt, wird die zurzeit nur über eine Baustelle zugängliche Rückfront des Medienzentrums zur Hauptfassade. Heikkinen & Komonen schufen hier ein expressives Bild des Informationszeitalters: Vor die mit silbrig schimmerndem Blech verkleidete und mit dem bunten Schriftzug «lume» versehene Box, die Studios sowie das Theater und das Auditorium umfasst, treten die aufgeständerte Glaspassage und der Zylinder des Fluchttreppenhauses. Es ist wie beim Blick in das Innenleben eines Computers: Ein schillerndes Arrangement metallischer Formen und Strukturen, doch was hier geschieht, entzieht sich dem Betrachter.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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