Bauwerk
Transparenz und Simulation
Eine «Gläserne Manufaktur» in Dresden als Showroom der Fahrzeugherstellung
«Frohe Zukunft», dieser Schriftzug prangte noch vor wenigen Jahren am Bahnhof der Pioniereisenbahn vor dem Ausstellungsgelände am Fucikplatz im Osten des Dresdner Stadtzentrums. Der Bahnhof der nun «Parkeisenbahn» genannten Kleinbahn wurde inzwischen verlegt, der Platz heisst jetzt Strassburger Platz, und an der Stelle des einstigen Schlachthofs erhebt sich nun die «Gläserne Manufaktur» des VW-Konzerns, ein für 365 Millionen Mark errichtetes Renommierprojekt des Volkswagen-Konzerns. So hatte man sich vor der Wende in der DDR die frohe Zukunft nicht vorstellen können.
Der Name «Gläserne Manufaktur» erlaubt Assoziationen: Man mag an den «gläsernen Menschen» denken, das hervorragende Exponat des nahebei von Wilhelm Kreis in den monumentalisierten Formen einer Neuen Sachlichkeit errichteten Deutschen Hygiene-Museums, aber auch an die Meissner Porzellanmanufaktur. Bewusst suchte sich Konzernchef Ferdinand Piëch für die Produktion des neuen Edelgefährts nicht die proletarische Kulisse des Hauptstandorts Wolfsburg, sondern eine Stadt, die sich mental immer noch im Barock wähnt. Gunter Henn, Architekt des neuen Komplexes, spricht vom «Zwinger des 21. Jahrhunderts». Stilgemäss wohnen die künftigen Käufer auf VW-Kosten im rekonstruierten und nun von Kempinski betriebenen Taschenberg-Palais, um - sich zerstreuend mit Besuchen in der «Gläsernen Manufaktur» und in der Semperoper - die Übergabe ihres Phaeton abzuwarten.
Wirken die jeweils 150 Meter langen Glasfassaden zur Stübelallee im Norden und zum Anlieferungshof im Osten alles andere als einladend, so zündete das Münchner Büro Henn Architekten an der zur Lennéstrasse und zum historischen Grossen Garten hin orientierten Südwestecke ein formales Feuerwerk. Hier befinden sich der Besuchereingang und das Foyer, das auch Restaurant, VIP-Lounge, Museum, Konferenzräume und Kinosäle umfasst. Vertikale Dominante bildet ein gläserner Autoturm, wie man ihn von der «Autostadt» Wolfsburg kennt (NZZ 28. 7. 00), dazu treten ein in den Boden gerammter Kegel, ein aufgestelztes blasenartiges Gebilde und eine Kugel aus Drahtgeflecht; verbunden wird alles durch ein weit ausgreifendes Dach. Zweifellos besitzt dieses Ensemble einen gewissen Unterhaltungswert, doch wirkt alles wie aus zweiter Hand. Fragmente aus dem Arsenal der Moderne bilden ein munteres Pasticcio - hier ein wenig Nouvel, dort etwas Ito, gewürzt mit einer Prise Archigram und einem Hauch des in den zwanziger Jahren auf dem Terrain errichteten Kugelhauses.
In der überaus erfolgreichen, ebenfalls von Henn Architekten entworfenen «Autostadt» in Wolfsburg mit ihrem Freizeitpark aus spektakulär inszenierten Markenpavillons lässt VW den Akt der Übergabe des Neuwagens zu einem sakralisierten Event werden - ein Konzept, das andere Autohersteller (beispielsweise BMW) inzwischen zu kopieren versuchen. Die «Gläserne Manufaktur» treibt diesen Prozess ein Stück weiter voran, indem die Schranken zwischen Produktion und Verkauf verschoben werden.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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