Bauwerk

„Televisions“ - exhibiton
VEECH X VEECH - Wien (A)
„Televisions“ - exhibiton, Foto: Christian Wachter
„Televisions“ - exhibiton © Veech

Ablaufdatum inklusive

Dem Baustellen-Container ist es unübersehbar eingeschrieben, dem „Set-Design“ eines Fernsehstudios ist es nicht unmittelbar abzulesen. Dennoch: Beide sind „temporäre Architektur“. Über die Zeit-Raum- Arbeiten von Stuart und Mascha Veech.

9. Februar 2002 - Judith Eiblmayr
Der Begriff der „temporären Architektur“ beschreibt, einfach ausgedrückt, ein Bauwerk, dem ein Ablaufdatum (in unterschiedlichen Ausformungen) impliziert ist. Das bekannteste synonyme Objekt temporärer Architektur ist wohl das Zirkuszelt: eine in ihrer Funktion spezifizierte Hülle, in kürzester Zeit aufgebaut, sich Raum nehmend und Raum gebend, über Nacht wieder abgebaut und an den nächsten Ort weitertransportiert. Im Winter unbenutzt, kann es viele Saisonen lang in Verwendung bleiben. Auch einem Baustellenbüro-Container ist das Temporäre eingeschrieben. Allein die Form signalisiert, daß das „Hüttel“ bald wieder weg und an anderer Stelle aufgebaut sein wird.

Es gibt aber noch andere als ausschließlich am Ort festgemachte Lesarten des temporär Gebauten. Ausstellungs-architektur definiert sich sowohl über den situativen als auch über den inhaltlichen Kontext für eine begrenzte Zeitspanne. Die meist speziell für einen Ort, ein Thema oder sogar ein Objekt entworfenen Gestaltungselemen- te landen nach Abbau einer Ausstellung bestenfalls in einem Depot, können aber meist nie wieder verwendet werden. Im Gegensatz zu mobiler Mehrwegarchitektur wie oben handelt es sich hierbei um meist statische Einwegarchitektur.
Auch in der Medienwelt wird selbstverständlich mit temporärer Architektur operiert. Eine regelmäßige Fernsehsendung ist für die Zuseher nicht nur über Titel, Themenbezogenheit und fixen Zeitpunkt der Ausstrahlung festzumachen, sondern auch über ihr „Set-Design“. Dieserart wird den Fernsehkonsumenten „ein gleichermaßen durch Kommunikation und Architektur bestimmter Raum“ (Stuart Veech), in einem beschränkten Zeit-Raum - wenn auch nur visuell - zugänglich gemacht. Allein durch eine divergierende Ausleuchtung können kurzzeitige Raumwirkungen von vermeintlich unterschiedlichem architektonischem Charakter in ein und demselben Raum erzeugt werden, als sozusagen temporär inszenierte Architektur der Wahrnehmung.

Die Arbeit von Stuart Veech und Mascha Veech-Kosmatschof widmet sich hauptsächlich der temporären Architektur - in all den genannten Ausformungen. Der Name veech.media.architecture. besagt dabei nicht nur, daß die Architekten (Massen-)Medien wie den ORF bedienen beziehungsweise sich der Medien, wie neuester Computertechnologie, als Arbeitsinstrumente bedienen, sondern daß sie die von ihnen erdachte Architektur selbst als Medium verstanden wissen möchten, das die Stimulierung eines Innen- oder Außenraums bewirkt.

Wenn Stuart Veech ein neues Studio-Design für „Zeit im Bild“ entwickelt - das demnächst auf dem Bildschirm zu sehen sein wird -, macht sich der durchschnittliche Fernsehkonsument keinen Begriff von der Komplexität dieser gestalterischen Aufgabe.

Abgesehen von technischen Notwendigkeiten gilt es speziell für eine Nachrichtensendung, das Studio so herzurichten, daß es nicht nur gut aussieht, sondern auch Glaubwürdigkeit vermittelt. Für die Zuseher muß ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen den Objekten (Tisch, Videowall et cetera) und der Moderatorin als aktivierendem Element, denn erst durch die Präsenz einer Person wird das Set-Design in seiner Maßstäblichkeit und räumlichen Wirkung identifizierbar.

Die Inszenierung des realen architektonischen Raums mit Hilfe von Licht, Bewegung, Kameraführung und „framing“ - der Monitor schafft den passenden Rahmen für das Bild - bedingt eine Transformation, deren Endprodukt als visuell spannende Illusion auf dem Bildschirm erscheint: On-Screen- Architecture oder, wie es Veech nennt, ein Raum in 2.5D. Insofern ist dieser Entwicklungsprozeß - der meist unter Zeitdruck einer starken kreativen Dynamik unterliegt - der konventionellen Entstehung eines architektonischen Gebildes diametral entgegengesetzt.

Ein thematisch naheliegendes Beispiel von veech.media.architecture. ist die Gestaltung der Ausstellung „Televisions - Kunst sieht fern“ in der Kunsthalle Wien, die Anfang Jänner zu Ende ging. Um die Kunst-betrachter näher an die Fernsehkunst heranzubringen, bedurfte es in der schwierig zu bespielenden Halle 1 eines prägenden architektonischen Eingriffs: Die Veechs nutzten den hohen, mit einer Tonne gedeckten Raum aus, indem sie eine mit Projek-tionsfolie bespannte Gerüstkonstruktion hineinstellten, die ei- nerseits die zwei Galerien an den Breitseiten der Halle durch einen Steg verband, andererseits als den Raum längs strukturierendes Element wirkte. Durch Ausschnitte im fast raumhohen Screen wurde der Blick in den Ausstellungsraum beziehungsweise auf die einzelnen vorgehängten Wände mit Kunstwerken freigegeben, von der unteren Ebene betrachtet schufen die über den Steg spazierenden Menschen ein „bewegtes Bild am Schirm“. Der Einbau der Brücke intendierte, eine Fluktuation durch die Ausstellung herbeizuführen, gleichzeitig wur- de der ganze Raum für die Besucher aktiviert, da sich von der Brücke aus neue räumliche Perspektiven erschlossen.

Mascha und Stuart Veech haben sich dadurch einen Namen gemacht, daß sie, ohne sich selbst in Szene zu setzen, experimentelle Projektentwicklung für jene Kunden betreiben, die sich des Wunschprodukts nicht sicher sind. Als sie vom Bundesministerium für Bildung und Kunst gebeten wurden, anläßlich des „Jahres der Sprachen“ (2001) einen interaktiven Info-terminal in Säulenform zu planen, konnten Veech & Veech die Bauherrschaft davon überzeugen, daß ein solches Objekt alleine keinen sehr hohen Aufforderungscharakter hat, ein attraktiver Raum jedoch sehr wohl.
Sie entwickelten einen Pavillon aus einer pneumatischen Klappkonstruktion, der im öffentlichen Raum aufgestellt wurde. Mit einer Zelthaut aus transluzenten Luftpolstern glich er einem gelandeten UFO, das durch eine breite Öffnung betreten werden konnte. Die „Roadshow“ war insofern perfekt inszeniert, als nach einem Tag Aufbau das über Nacht leuchtende Objekt als sein eigener Werbeträger fungierte und das Publikum für den nächsten Tag anzog. Im Inneren der „Sprachblase“ konnte man sich über Möglichkeiten der Fremdsprachenvermittlung einen Tag lang informieren.
Nebst einer Wanderbühne wie dem Sprachpavillon, der mehrere Wochen durch Österreich „tourte“, ist ein anderer von veech.media.architecture. entworfener Bühnenraum seit drei Jahren unverändert in Verwendung: das STUDIO 44, das die Österreichischen Lotterien als hauseigenen Veranstaltungssaal einrichten ließen. Stuart und Mascha Veech erhielten den Auftrag, das Inventar des technisch voll ausgestatteten Studios so flexibel wie möglich zu halten, um für Veranstaltungen verschiedenster Art in formaler und funktionaler Hinsicht gerüstet zu sein. Neben Eigenveranstaltungen wie Pressekonferenzen und Produktpräsentationen wollte man die Räumlichkeiten durch Fremdvermietung sinnvoll nutzen.

Die Lösung war ein im besten Sinne multimedial ausgerichteter Raum, der durch ein Maximum an technischer Ausstattung mit einem Minimum an Einbauten auskommt. Der anthrazitfarben ausgekleidete Veranstaltungssaal verfügt lediglich über eine Bühne mit einem konkaven Hintersetzer an der Stirnwand und zwei konvexen, seitlich flankierenden Hintersetzern, zwei Videowalls, die gegebenenfalls zu einer großen zusammengeschoben werden können, und einer mit technischem Gerät vollgepackten Decke.

Die eigentliche, individuelle Raumgestaltung erfolgt nun von der technischen Leitzentrale aus, die sich auf einer „Kommandobrücke“ im Hintergrund des Raums befindet und von dort aus alle Scheinwerfer, Projektoren und Lautsprecher steuert. Die Bühne ist aus Glas, kann durch integrierte Leuchtstoffröhren in allen Farben hinterleuchtet werden und gerät dieserart selbst zur Installation. Ihre trapezoide Form verstärkt die Perspektivwirkung und erzeugt durch einen leichten (Auf-)Schwung des Bühnenbodens als Übergang zum kon-kaven Hintersetzer räumliche Spannung, wodurch die Redner oder präsentierten Objekte zum integralen Bestandteil der Inszenierung werden.
Durch die gezielte Bespielung der Videowall und der Netz- Vinyl-Screens (Hintersetzer) mit Farben und Motiven wird die dem jeweiligen Event adäquate Raumstimmung erzeugt. Dies ist ein medial erschaffenes Environment, wo reine Projektionsträger raumbildend wahrgenommen werden. Die rasch mögliche Änderung des Raumbilds bewirkt natürlich eine praktikable Flexibilität für die Raumnutzung, wodurch die Multifunktionalität des STUDIO 44 in höchstem Maße gegeben ist.

Diese Art von Flexibilität verkörpernder Architektur entspricht auch dem ganz persönlichen, kosmopolitischen Ansatz von Architektin und Archi-tekt im abstammungsbedingten Spannungsfeld zwischen Moskau und Chicago und dem gemeinsamen Studium an der Architectural Association (AA) in London.

Vielleicht fungieren Mascha und Stuart Veech an ihrem momentanen Lebensmittelpunkt Wien auch als kreative Mediatoren zwischen unterschiedlichen Kulturen.

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