Bauwerk
Privatgarten in Aarau
Josef Schmidlin, Ernst Cramer - Aarau (CH) - 1961
Die Unnatur im Garten
Wer an einen schönen Garten denkt, denkt sicher nicht an Beton.
1. November 2001 - Udo Weilacher
«Wer an einen schönen Garten denkt, denkt sicher nicht an Beton. Im Gegenteil - das harte, graue, künstlich hergestellte Steinmaterial erscheint vielen Menschen als Inbegriff der „Unnatur“», hiess es unter der Überschrift «Beton macht den Garten wohnlich» in «Schöner Wohnen» 1967. Darin wurde ein radikal modern gestalteter Privatgarten in Aarau beschrieben, den der renommierte Zürcher Gartenarchitekt Ernst Cramer 1961 in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten Josef Schmidlin erbaut hatte.
Die stilistische Vorliebe des Architekten für Werke von Frank Lloyd Wright und Richard Neutra dokumentiert sich in dem eleganten, einfach gehaltenen Einfamilienhaus, das er in moderner Flachbauweise in Beton errichtete. Auf dem Lageplan hat man zunächst Mühe, den orthogonal organisierten Hausgrundriss mit seinen fliessenden Raumkonstellationen vom Grundriss des Gartens zu unterscheiden. Haus und Garten bilden auf einer Fläche von nur gerade 900 m² bis heute eine untrennbare Einheit, die durch vielfältig gestaltete Raumsequenzen eine unerwartete Grosszügigkeit ausstrahlt.
Am nördlichen Eingang des Gebäudes unterstützte der Gartenarchitekt die Geschlossenheit der Fassaden mit einer Wacholderpflanzung, die den Zugang verengt. Eine geschnittene Hainbuchenhecke fasst die westliche Grundstücksgrenze, riegelt den südexponierten Garten aber nicht etwa hermetisch ab, sondern markiert präzise wie ein L-förmiger Paravent die Raumkante. Die südliche Raumbegrenzung des Gartens bildet dagegen eine freistehende, skulptural gestaltete Sichtschutzwand.
Aus einzeln angefertigten Sichtbetonstelen verschiedener rechteckiger Querschnitte setzte Cramer die etwa sechs Meter lange Wand zusammen. Durch die unterschiedlichen Vorsprünge der einzelnen Stelen sowie durch die breiten Fugen zwischen den Elementen ergibt sich ein reizvolles Schattenspiel, welches den räumlichen Abschluss eines atriumartigen Gartenraumes bildet, den Cramer mit einem einzigen, handverlesenen Trompetenbaum akzentuierte. Um die Tiefe des Raumes zu betonen, wurden quer zur Blickrichtung aus dem Esszimmer in unterschiedlichen Abständen zwei massive, etwa zwei Meter lange Sichtbetonblöcke gesetzt.
Ein vier Meter langer dritter Block befindet sich gegenüber dem Trompetenbaum als Sitzmöglichkeit im Inneren des dreiseitig umschlossenen Hofes. Der Bodenbelag dieser zentralen Aufenthaltsfläche besteht aus grossen, vor Ort gegossenen Betonplatten. In einige rechteckige Aussparungen wurden entweder dekorative Stauden gepflanzt oder im Sinne eines Trockengartens grosse Kieselsteine eingefüllt. Der kleine Gartenraum, errichtet mit minimalen Mitteln und einfachsten, rohen Materialien, wirkt wie ein abstraktes Bühnenbild.
Nach dem Prinzip der Überlagerung ergab sich aus dem Layout des Hausgrundrisses und des Gartenhofes das Format eines dreissig Quadratmeter grossen, unbepflanzten Wasserbassins an der Südwestfassade des Hauses. Es dient dem Kinderspiel und reflektiert bewegte Lichtspiegelungen an die Hauswand sowie in den angrenzenden Sitzplatz beim Wohnzimmer. Zugleich trennt die Wasserfläche den zentralen Rasenbereich vom überdachten Gartensitzplatz beim Haus, den man über eine einfache Brücke aus Beton erreicht. In die aufgeständerte Überdachung wurde eine etwa dreimal drei Meter grosse, unverglaste Öffnung geschnitten, die den Blick in den Himmel rahmt und ein quadratisches, dekorativ mit Blütenstauden bepflanztes Beet belichtet. Den gesamten L-förmigen Gartenraum begrenzt auf der Ostseite eine Reihe mit drei Platanen, die nach Cramers Konzept kastenförmig zu einem grünen Schirm geschnitten werden sollten. Hinter diesem Schirm befindet sich am Fusse einer kleinen Böschung der Platz zum Wäschetrocknen und der Sandkasten für die Kinder. Kreisrunde Stufen und Betonplatten führen hinunter in diesen zweckgebundenen Bereich des Gartens.
Ernst Cramer brach bereits zu Beginn der fünfziger Jahre mutig mit der traditionellen malerischen Gartengestaltung und fand seine Inspiration in der modernen Kunst und Architektur. Nach den erschütternden Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges schloss er sich der Suche des Schweizerischen Werkbundes nach der guten Form an und entwickelte die Vision, neue Gärten für den modernen Menschen zu schaffen. Der kleine Garten Schmidlin ist als einer der gelungensten Gärten aus dieser Phase bis heute erhalten geblieben, und es ist kein Zufall, dass er in Teilen noch heute den Charakter einer bewohnbaren, skulptural gestalteten Landschaft trägt: Auf der Suche nach Neuem war Cramer 1960 nach Brasilia gereist, verarbeitete in den folgenden Jahren seine Begeisterung für moderne Architektur und entwickelte einige seiner markantesten Elemente wie etwa den Reflection Pool oder die skulpturale Setzung kubischer Betonelemente in aufsehenerregenden Projekten konsequent weiter.
In der Schweizer Gartenarchitektur setzte der Zürcher vor allem durch seinen vorbehaltlosen Umgang mit Beton neue Massstäbe. Mit dem Garten in Aarau erbrachte er zudem den Beweis, dass es möglich ist, mit modernen Materialien und einer abstrakten Formensprache einen lebenswerten, architektonischen Garten zu schaffen, der nicht den bürgerlichen Klischeevorstellungen eines pittoresken Hausgartens entsprechen muss.Vielen Landschaftsarchitekten gilt Cramers Schaffen deshalb heute, wo das Dogma der einseitig ökologisch orientierten Gartengestaltung offenbar überwunden ist, wieder als besonders vorbildlich.
[Diesen Monat erscheint von Udo Weilacher der Band «Visionäre Gärten. Die modernen Landschaften von Ernst Cramer» im Birkhäuser Verlag, Basel. ISBN 3-7643-6567-6.]
Die stilistische Vorliebe des Architekten für Werke von Frank Lloyd Wright und Richard Neutra dokumentiert sich in dem eleganten, einfach gehaltenen Einfamilienhaus, das er in moderner Flachbauweise in Beton errichtete. Auf dem Lageplan hat man zunächst Mühe, den orthogonal organisierten Hausgrundriss mit seinen fliessenden Raumkonstellationen vom Grundriss des Gartens zu unterscheiden. Haus und Garten bilden auf einer Fläche von nur gerade 900 m² bis heute eine untrennbare Einheit, die durch vielfältig gestaltete Raumsequenzen eine unerwartete Grosszügigkeit ausstrahlt.
Am nördlichen Eingang des Gebäudes unterstützte der Gartenarchitekt die Geschlossenheit der Fassaden mit einer Wacholderpflanzung, die den Zugang verengt. Eine geschnittene Hainbuchenhecke fasst die westliche Grundstücksgrenze, riegelt den südexponierten Garten aber nicht etwa hermetisch ab, sondern markiert präzise wie ein L-förmiger Paravent die Raumkante. Die südliche Raumbegrenzung des Gartens bildet dagegen eine freistehende, skulptural gestaltete Sichtschutzwand.
Aus einzeln angefertigten Sichtbetonstelen verschiedener rechteckiger Querschnitte setzte Cramer die etwa sechs Meter lange Wand zusammen. Durch die unterschiedlichen Vorsprünge der einzelnen Stelen sowie durch die breiten Fugen zwischen den Elementen ergibt sich ein reizvolles Schattenspiel, welches den räumlichen Abschluss eines atriumartigen Gartenraumes bildet, den Cramer mit einem einzigen, handverlesenen Trompetenbaum akzentuierte. Um die Tiefe des Raumes zu betonen, wurden quer zur Blickrichtung aus dem Esszimmer in unterschiedlichen Abständen zwei massive, etwa zwei Meter lange Sichtbetonblöcke gesetzt.
Ein vier Meter langer dritter Block befindet sich gegenüber dem Trompetenbaum als Sitzmöglichkeit im Inneren des dreiseitig umschlossenen Hofes. Der Bodenbelag dieser zentralen Aufenthaltsfläche besteht aus grossen, vor Ort gegossenen Betonplatten. In einige rechteckige Aussparungen wurden entweder dekorative Stauden gepflanzt oder im Sinne eines Trockengartens grosse Kieselsteine eingefüllt. Der kleine Gartenraum, errichtet mit minimalen Mitteln und einfachsten, rohen Materialien, wirkt wie ein abstraktes Bühnenbild.
Nach dem Prinzip der Überlagerung ergab sich aus dem Layout des Hausgrundrisses und des Gartenhofes das Format eines dreissig Quadratmeter grossen, unbepflanzten Wasserbassins an der Südwestfassade des Hauses. Es dient dem Kinderspiel und reflektiert bewegte Lichtspiegelungen an die Hauswand sowie in den angrenzenden Sitzplatz beim Wohnzimmer. Zugleich trennt die Wasserfläche den zentralen Rasenbereich vom überdachten Gartensitzplatz beim Haus, den man über eine einfache Brücke aus Beton erreicht. In die aufgeständerte Überdachung wurde eine etwa dreimal drei Meter grosse, unverglaste Öffnung geschnitten, die den Blick in den Himmel rahmt und ein quadratisches, dekorativ mit Blütenstauden bepflanztes Beet belichtet. Den gesamten L-förmigen Gartenraum begrenzt auf der Ostseite eine Reihe mit drei Platanen, die nach Cramers Konzept kastenförmig zu einem grünen Schirm geschnitten werden sollten. Hinter diesem Schirm befindet sich am Fusse einer kleinen Böschung der Platz zum Wäschetrocknen und der Sandkasten für die Kinder. Kreisrunde Stufen und Betonplatten führen hinunter in diesen zweckgebundenen Bereich des Gartens.
Ernst Cramer brach bereits zu Beginn der fünfziger Jahre mutig mit der traditionellen malerischen Gartengestaltung und fand seine Inspiration in der modernen Kunst und Architektur. Nach den erschütternden Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges schloss er sich der Suche des Schweizerischen Werkbundes nach der guten Form an und entwickelte die Vision, neue Gärten für den modernen Menschen zu schaffen. Der kleine Garten Schmidlin ist als einer der gelungensten Gärten aus dieser Phase bis heute erhalten geblieben, und es ist kein Zufall, dass er in Teilen noch heute den Charakter einer bewohnbaren, skulptural gestalteten Landschaft trägt: Auf der Suche nach Neuem war Cramer 1960 nach Brasilia gereist, verarbeitete in den folgenden Jahren seine Begeisterung für moderne Architektur und entwickelte einige seiner markantesten Elemente wie etwa den Reflection Pool oder die skulpturale Setzung kubischer Betonelemente in aufsehenerregenden Projekten konsequent weiter.
In der Schweizer Gartenarchitektur setzte der Zürcher vor allem durch seinen vorbehaltlosen Umgang mit Beton neue Massstäbe. Mit dem Garten in Aarau erbrachte er zudem den Beweis, dass es möglich ist, mit modernen Materialien und einer abstrakten Formensprache einen lebenswerten, architektonischen Garten zu schaffen, der nicht den bürgerlichen Klischeevorstellungen eines pittoresken Hausgartens entsprechen muss.Vielen Landschaftsarchitekten gilt Cramers Schaffen deshalb heute, wo das Dogma der einseitig ökologisch orientierten Gartengestaltung offenbar überwunden ist, wieder als besonders vorbildlich.
[Diesen Monat erscheint von Udo Weilacher der Band «Visionäre Gärten. Die modernen Landschaften von Ernst Cramer» im Birkhäuser Verlag, Basel. ISBN 3-7643-6567-6.]
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