Bauwerk
Wohnhausanlage Laaerbergstrasse
Günter Lautner - Wien (A)
Laubenkolonie in der Vertikale
Wohnbau, insbesondere jener mit dem Vorsatz „sozialer“, dient elementaren Bedürfnissen. Am Laaer Berg in Wien hat Günter Lautner diese Ansprüche mit Sorgfalt und Augenmaß eingelöst.
16. März 2002 - Walter Zschokke
Weder lassen sich Grundfragen der Architektur ein für alle Mal beantworten, noch ist die Antwort jedes Mal komplett neu zu erfinden. Vielmehr muß ein Architekt in seiner Zeit um richtige Antworten ringen, denn das Diktat verinnerlichter Mode und die Kostenschere lassen oft wenig Spielraum. Besonders schmal wird diese Bandbreite beim mengenmäßig vorherrschenden Wohnungsbau für jene, deren Einkommen knapp und deren Freiheiten massenmedial definiert werden. Dieser Bevölkerungsgruppe ist weder mit formalistischen Experimenten noch mit geschmäcklerischen Behübschungen gedient. Was diese Menschen brauchen, sind vernünftige Grundrisse und ein sinnvolles Dienstleistungsangebot im Wohnumfeld.
Auf dem Laaer Berg ist der Wind Dauergast, und die Fahrzeugströme in beiden Richtungen der gleichnamigen Straße reißen selten ab. Aus einem städtebaulichen Wettbewerb resultierte 1996 das generelle Konzept von Architekt Ernst Hofmann, das im oberen Teil, entlang der Laaer-Berg-Straße, von Architekt Günter Lautner und seinem Mitarbeiter Nicolaj Kirisits umgesetzt und präzisiert wurde. Errichtet wurde die Wohnanlage in der Verantwortung der MA 17, „Wiener Wohnen“.
Die städtebauliche Figur entlang der Laaer-Berg-Straße, deren leichte Kurve von der Abfolge radial gesetzter Wohntrakte paraphrasiert wird, erreicht vorstädtische Qualität und erinnerbare Zeichenhaftigkeit. Die sieben Stirnseiten erzeugen eine aufgelockerte Straßenflucht, die in der Perspektive zusammenrückt. Die Gebäudehöhen wirken im Verhältnis zur Breite der vierspurigen Straße weder zu hoch noch zu niedrig. Zwei Geschoße mehr, wie ursprünglich vorgesehen, würden die Maßstäblichkeit kippen lassen, und der Rest an Ortbarkeit verlöre sich in der Vielzahl.
Straßen- wie hangseitig kragen die scheibenartigen Baukörper zwei Geschoße hoch aus, gestützt von jeweils zwei kräftigen Rundstützen aus Stahlbeton. Die nicht unpathetisch wirkende Maßnahme definiert zwei Fußgängerwege. Entlang der Straße fassen die hohen Vorhallen einen zurückversetzten Gehsteig, an dem die Hauseingänge liegen sowie - in kleinen Baukörpern zwischen den Wohntrakten - mehrere Dienstleistungsnutzungen. Rückseitig handelt es sich eher um einen Weg, auf dem Kinder ungefährdet ihren Bewegungsdrang auf Rädern und Rollen ausleben können.
Die beiden ungleichen und doch ähnlichen Bewegungsachsen sind architektonisch mit den Wohntrakten verschränkt und bilden mit diesen eine Leiterstruktur. Wegen des Straßenlärms sind die stirnseitigen Fenster im Westen klein gehalten, und zwischen die Gebäude wurden viergeschoßige Glaswände gespannt. Angenehmerweise bremsen sie auch den Wind, was Kinder und Eltern in den Höfen dahinter wahrscheinlich zu schätzen wissen. Ein Streifenmuster hilft, daß Vögel die Glaswand nicht übersehen.
So vervollständigen wenige Elemente mit durchaus funktionalem Hintergrund die städtebauliche Figur der sieben Wohn- häuser, deren Gleichmaß dank der radialen Fächerung und der nach dem Konzept von Michaela Pammer zart differenzierenden Farbgebung in Pastelltönen relativiert wird. Die Kraft, die aus der Wiederholung des Elements geschöpft werden kann, wird genützt, um identitätsbildend zu wirken - aber so weit gezügelt, daß dem Individuum ausreichend Ansätze geboten werden, seinen Platz zu finden.
Von der gedeckten Vorhalle gelangt man jeweils ins Stiegenhaus und zum Lift. Der gerade Treppenlauf macht diesen Bereich großzügiger, denn hier führt der Weg durch zum kurzen Laubengang, an dem vier Wohnungstüren liegen. Die einzelnen Einheiten sind nicht sehr groß, dafür grundrißlich klug organisiert, sodaß auf einem Geschoß keine zwei Wohnungen gleich sind. Die Differenzierung und die Überschaubarkeit sichern den hohen Gebrauchswert. Denn es ist nicht egal, ob man durch einen engen, finsteren Stiegenschluf zur Wohnung vordringen muß oder ob genug Licht und Raum zur Verfügung stehen, daß eine Begegnung nicht zum peinlichen Anein-andervorbeidrängen verkommt.
Es ist eine altbekannte Tatsache - und darauf basieren etwa auch die Notenlinien -, daß bei fünf gleichen Elementen eine Unterscheidung noch ohne zu zählen möglich ist. Das mag der Grund sein, warum die Gebäudetrakte mit den jeweils fünf Wohngeschoßen so übersichtlich wirken, was auch wieder bedeutet, daß man sich von außen an ihnen zurechtfindet. Dies gilt selbst für die glatten Nordfassaden, wo das große Profilglasfeld vor den Laubengängen von zufällig verteilten Lüftungs- und Ausblicksfenstern durchbrochen wird.
Wesentlich stärker wurde das Spiel mit dem Zufall an den südorientierten Fassaden betrieben. Vor die Wohnräume sind hier kleine Loggien gehängt, die als vertikale Laubenkolonie das Außenwohnen in minimaler und doch tauglicher Größe möglich machen. Seitenwände aus Rohglas schirmen Wind und Blicke ab, Breite und Tiefe erlauben es, gemütlich zu viert an einem Tisch zu sitzen. Die zum gedrungenen Rechteck geschnittene Fläche bringt wesentlich mehr als die meist zu seichten Balkone, die sich oft nutzlos über die gesamte Fassade ziehen, zur Abstellfläche verkommen und wo man Wind und Blicken ausgesetzt ist.
Eine vom Zufall bestimmte Verteilung erzeugt an jeder Südfront ein anderes Bild. Nicht daß der Aufenthalt in der einzelnen Loggia dadurch ein anderer würde, aber das Bild nach außen zeugt von unangestrengter Individualität in der Vielzahl gleicher Formen.
Die Loggien sind auf dünnen, nach vorn sich noch verjüngenden Stahlbetonplatten aufgebaut und wirken luftig wie Schwalbennester. Sogar das schirmende Welleternit ist nicht bloß billig, sondern erinnert an selbstgebaute Hütten und Häuschen in Laubenkolonien. Diese Lockerheit verleiht den Fassaden eine sympathische Anmutung. Die Loggien bieten Freiraum im doppelten Sinn und werten die Wohnungen auf. Dennoch soll das Wohnen in einer durchaus dichten, aber differenzierten Anlage wie der beschriebenen dem Wohnen im Reihenhaus - oder im Hochhaus - für jene, die das für sich wünschen, nicht entgegengestellt werden. Aber die Menschen müssen wählen dürfen. Und dafür bilden Günter Lautners Feinkonzept und Architektur ein überzeugendes Angebot.
Auf dem Laaer Berg ist der Wind Dauergast, und die Fahrzeugströme in beiden Richtungen der gleichnamigen Straße reißen selten ab. Aus einem städtebaulichen Wettbewerb resultierte 1996 das generelle Konzept von Architekt Ernst Hofmann, das im oberen Teil, entlang der Laaer-Berg-Straße, von Architekt Günter Lautner und seinem Mitarbeiter Nicolaj Kirisits umgesetzt und präzisiert wurde. Errichtet wurde die Wohnanlage in der Verantwortung der MA 17, „Wiener Wohnen“.
Die städtebauliche Figur entlang der Laaer-Berg-Straße, deren leichte Kurve von der Abfolge radial gesetzter Wohntrakte paraphrasiert wird, erreicht vorstädtische Qualität und erinnerbare Zeichenhaftigkeit. Die sieben Stirnseiten erzeugen eine aufgelockerte Straßenflucht, die in der Perspektive zusammenrückt. Die Gebäudehöhen wirken im Verhältnis zur Breite der vierspurigen Straße weder zu hoch noch zu niedrig. Zwei Geschoße mehr, wie ursprünglich vorgesehen, würden die Maßstäblichkeit kippen lassen, und der Rest an Ortbarkeit verlöre sich in der Vielzahl.
Straßen- wie hangseitig kragen die scheibenartigen Baukörper zwei Geschoße hoch aus, gestützt von jeweils zwei kräftigen Rundstützen aus Stahlbeton. Die nicht unpathetisch wirkende Maßnahme definiert zwei Fußgängerwege. Entlang der Straße fassen die hohen Vorhallen einen zurückversetzten Gehsteig, an dem die Hauseingänge liegen sowie - in kleinen Baukörpern zwischen den Wohntrakten - mehrere Dienstleistungsnutzungen. Rückseitig handelt es sich eher um einen Weg, auf dem Kinder ungefährdet ihren Bewegungsdrang auf Rädern und Rollen ausleben können.
Die beiden ungleichen und doch ähnlichen Bewegungsachsen sind architektonisch mit den Wohntrakten verschränkt und bilden mit diesen eine Leiterstruktur. Wegen des Straßenlärms sind die stirnseitigen Fenster im Westen klein gehalten, und zwischen die Gebäude wurden viergeschoßige Glaswände gespannt. Angenehmerweise bremsen sie auch den Wind, was Kinder und Eltern in den Höfen dahinter wahrscheinlich zu schätzen wissen. Ein Streifenmuster hilft, daß Vögel die Glaswand nicht übersehen.
So vervollständigen wenige Elemente mit durchaus funktionalem Hintergrund die städtebauliche Figur der sieben Wohn- häuser, deren Gleichmaß dank der radialen Fächerung und der nach dem Konzept von Michaela Pammer zart differenzierenden Farbgebung in Pastelltönen relativiert wird. Die Kraft, die aus der Wiederholung des Elements geschöpft werden kann, wird genützt, um identitätsbildend zu wirken - aber so weit gezügelt, daß dem Individuum ausreichend Ansätze geboten werden, seinen Platz zu finden.
Von der gedeckten Vorhalle gelangt man jeweils ins Stiegenhaus und zum Lift. Der gerade Treppenlauf macht diesen Bereich großzügiger, denn hier führt der Weg durch zum kurzen Laubengang, an dem vier Wohnungstüren liegen. Die einzelnen Einheiten sind nicht sehr groß, dafür grundrißlich klug organisiert, sodaß auf einem Geschoß keine zwei Wohnungen gleich sind. Die Differenzierung und die Überschaubarkeit sichern den hohen Gebrauchswert. Denn es ist nicht egal, ob man durch einen engen, finsteren Stiegenschluf zur Wohnung vordringen muß oder ob genug Licht und Raum zur Verfügung stehen, daß eine Begegnung nicht zum peinlichen Anein-andervorbeidrängen verkommt.
Es ist eine altbekannte Tatsache - und darauf basieren etwa auch die Notenlinien -, daß bei fünf gleichen Elementen eine Unterscheidung noch ohne zu zählen möglich ist. Das mag der Grund sein, warum die Gebäudetrakte mit den jeweils fünf Wohngeschoßen so übersichtlich wirken, was auch wieder bedeutet, daß man sich von außen an ihnen zurechtfindet. Dies gilt selbst für die glatten Nordfassaden, wo das große Profilglasfeld vor den Laubengängen von zufällig verteilten Lüftungs- und Ausblicksfenstern durchbrochen wird.
Wesentlich stärker wurde das Spiel mit dem Zufall an den südorientierten Fassaden betrieben. Vor die Wohnräume sind hier kleine Loggien gehängt, die als vertikale Laubenkolonie das Außenwohnen in minimaler und doch tauglicher Größe möglich machen. Seitenwände aus Rohglas schirmen Wind und Blicke ab, Breite und Tiefe erlauben es, gemütlich zu viert an einem Tisch zu sitzen. Die zum gedrungenen Rechteck geschnittene Fläche bringt wesentlich mehr als die meist zu seichten Balkone, die sich oft nutzlos über die gesamte Fassade ziehen, zur Abstellfläche verkommen und wo man Wind und Blicken ausgesetzt ist.
Eine vom Zufall bestimmte Verteilung erzeugt an jeder Südfront ein anderes Bild. Nicht daß der Aufenthalt in der einzelnen Loggia dadurch ein anderer würde, aber das Bild nach außen zeugt von unangestrengter Individualität in der Vielzahl gleicher Formen.
Die Loggien sind auf dünnen, nach vorn sich noch verjüngenden Stahlbetonplatten aufgebaut und wirken luftig wie Schwalbennester. Sogar das schirmende Welleternit ist nicht bloß billig, sondern erinnert an selbstgebaute Hütten und Häuschen in Laubenkolonien. Diese Lockerheit verleiht den Fassaden eine sympathische Anmutung. Die Loggien bieten Freiraum im doppelten Sinn und werten die Wohnungen auf. Dennoch soll das Wohnen in einer durchaus dichten, aber differenzierten Anlage wie der beschriebenen dem Wohnen im Reihenhaus - oder im Hochhaus - für jene, die das für sich wünschen, nicht entgegengestellt werden. Aber die Menschen müssen wählen dürfen. Und dafür bilden Günter Lautners Feinkonzept und Architektur ein überzeugendes Angebot.
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