Bauwerk
Kinofassade in Amsterdam
Christian de Portzamparc - Amsterdam (NL) - 2001
Tor in den Lichtspielkosmos
Christian de Portzamparcs Kinofassade in Amsterdam
5. Oktober 2001 - Hubertus Adam
Multiplexkinos lassen sich nur schwer in innerstädtische Kontexte integrieren. Doch Christian de Portzamparc beweist mit einem Kino innerhalb des Amsterdamer Grachtengürtels, dass die Fassade mit der Nachbarbebauung zu harmonieren vermag.
Auch wenn mancherorts schon jetzt ein Überangebot besteht: Der Boom der Multiplexkinos hält an. Bevorzugt werden von den Betreibern verkehrsgünstige Standorte mit vergleichsweise geringen Geländekosten, beispielsweise Gewerbegebiete in der Nähe von Autobahnkreuzen. Da die Neustrukturierung und Konzentration der Kinolandschaft sich schwerlich verhindern lässt, versuchen die Verantwortlichen in den Stadtverwaltungen vielerorts, die Betreiber der Multiplexanlagen an innerstädtische Standorte zu locken oder zu zwingen, um einer weiteren Verödung der Stadtzentren zu begegnen. So gestattete die Stadt Amsterdam dem Film- und Kinokonzern Pathé die Errichtung zweier Kinokomplexe lediglich unter der Bedingung, dass einer in der historischen Innenstadt errichtet werde.
Daraufhin liess Pathé Projekte erarbeiten: Frits van Dongen von de Architecten Cie. entwarf einen plastisch geformten Solitär, der an Koen van Velsens Pathé-Kino auf dem Rotterdamer Schouwburgplein erinnert, das Büro G. J. Van Delft bearbeitete das Projekt «De Munt» für einen Standort im Blockinnenraum direkt neben dem (heute ebenfalls von Pathé betriebenen) Tuschinski-Kinotheater. Der exotische Filmpalast mit seinen beiden Türmen, 1921 an der Reguliersbreestraat im Herzen der Stadt eingeweiht (NZZ Nr. 213, 1996), zeigt im Inneren eine phantastische Traumwelt, eine Legierung aus Jugendstil, Amsterdamer Schule und Art déco. Einen anderen Meilenstein der Kinoarchitektur stellt das schräg gegenüber vom Tuschinski gelegene, längst aufgelöste und heute ungenutzte Kino «Cineac» dar, bei dem der Architekt Johannes Duiker sich von der Formensprache des russischen Konstruktivismus inspirieren liess.
Insgesamt 13 Säle mit knapp 2500 Plätzen sind nach dem Willen von Pathé versteckt hinter der historischen Bebauung entstanden. Der Einspruch eines an der Reguliersbreestraat ansässigen Geschäftes führte dazu, dass der Eingang vom Tuschinski weg auf die Westseite des Komplexes, an die weniger begangene Vijzelstraat, verlegt wurde. Der phantasielose und ungeschlachte Fassadenaufriss, mit dem das Kino sich im Stadtbild präsentiert hätte, führte schliesslich zur Intervention der «Welstandscommissie», welcher es obliegt, die architektonische Qualität und Stadtbildverträglichkeit von Neubauten zu begutachten. Die Bewilligung für Ben van Berkels Komplex «De Kolk» im Zentrum von Amsterdam beweist, dass «Welstand» keineswegs als Verhinderer des Neuen auftritt; und auch bei der Kinofassade führte die Intervention zu einer architektonisch bemerkenswerten Lösung.
Christian de Portzamparc, der von Pathé mit dem Neuentwurf beauftragt wurde, ist es gelungen, die nicht unerhebliche Baumasse in das kleinteilige Strassenbild einzufügen, ohne sich an die Anschlussbebauung anzubiedern. Durch abgeschrägte Wandflächen erzielte er eine Reliefstruktur, die durch eine scheinbare Trennung in Dach und Wand plastischer wirkt, als sie in Wahrheit ist. Mit Hilfe silbrig glasierte Steine und Leuchtvierecke in den beigefarbenen Ziegelflächen wird der einwärts fluchtende Charakter verstärkt. Vertikale Einschnitte gliedern die Wände, lassen turmartige Körper entstehen und reagieren somit auf die Proportionen der Nachbarhäuser. Portzamparc, der seine Anleihen bei der Plastizität des späten Corbusier nie ganz zu verleugnen vermag, hat ein Entrée entworfen, das das Motiv des Eingangs kulissenhaft-theatralisch inszeniert, ohne ins Marktschreierische zu verfallen und die Nachbarschaft zu beherrschen.
Auch wenn mancherorts schon jetzt ein Überangebot besteht: Der Boom der Multiplexkinos hält an. Bevorzugt werden von den Betreibern verkehrsgünstige Standorte mit vergleichsweise geringen Geländekosten, beispielsweise Gewerbegebiete in der Nähe von Autobahnkreuzen. Da die Neustrukturierung und Konzentration der Kinolandschaft sich schwerlich verhindern lässt, versuchen die Verantwortlichen in den Stadtverwaltungen vielerorts, die Betreiber der Multiplexanlagen an innerstädtische Standorte zu locken oder zu zwingen, um einer weiteren Verödung der Stadtzentren zu begegnen. So gestattete die Stadt Amsterdam dem Film- und Kinokonzern Pathé die Errichtung zweier Kinokomplexe lediglich unter der Bedingung, dass einer in der historischen Innenstadt errichtet werde.
Daraufhin liess Pathé Projekte erarbeiten: Frits van Dongen von de Architecten Cie. entwarf einen plastisch geformten Solitär, der an Koen van Velsens Pathé-Kino auf dem Rotterdamer Schouwburgplein erinnert, das Büro G. J. Van Delft bearbeitete das Projekt «De Munt» für einen Standort im Blockinnenraum direkt neben dem (heute ebenfalls von Pathé betriebenen) Tuschinski-Kinotheater. Der exotische Filmpalast mit seinen beiden Türmen, 1921 an der Reguliersbreestraat im Herzen der Stadt eingeweiht (NZZ Nr. 213, 1996), zeigt im Inneren eine phantastische Traumwelt, eine Legierung aus Jugendstil, Amsterdamer Schule und Art déco. Einen anderen Meilenstein der Kinoarchitektur stellt das schräg gegenüber vom Tuschinski gelegene, längst aufgelöste und heute ungenutzte Kino «Cineac» dar, bei dem der Architekt Johannes Duiker sich von der Formensprache des russischen Konstruktivismus inspirieren liess.
Insgesamt 13 Säle mit knapp 2500 Plätzen sind nach dem Willen von Pathé versteckt hinter der historischen Bebauung entstanden. Der Einspruch eines an der Reguliersbreestraat ansässigen Geschäftes führte dazu, dass der Eingang vom Tuschinski weg auf die Westseite des Komplexes, an die weniger begangene Vijzelstraat, verlegt wurde. Der phantasielose und ungeschlachte Fassadenaufriss, mit dem das Kino sich im Stadtbild präsentiert hätte, führte schliesslich zur Intervention der «Welstandscommissie», welcher es obliegt, die architektonische Qualität und Stadtbildverträglichkeit von Neubauten zu begutachten. Die Bewilligung für Ben van Berkels Komplex «De Kolk» im Zentrum von Amsterdam beweist, dass «Welstand» keineswegs als Verhinderer des Neuen auftritt; und auch bei der Kinofassade führte die Intervention zu einer architektonisch bemerkenswerten Lösung.
Christian de Portzamparc, der von Pathé mit dem Neuentwurf beauftragt wurde, ist es gelungen, die nicht unerhebliche Baumasse in das kleinteilige Strassenbild einzufügen, ohne sich an die Anschlussbebauung anzubiedern. Durch abgeschrägte Wandflächen erzielte er eine Reliefstruktur, die durch eine scheinbare Trennung in Dach und Wand plastischer wirkt, als sie in Wahrheit ist. Mit Hilfe silbrig glasierte Steine und Leuchtvierecke in den beigefarbenen Ziegelflächen wird der einwärts fluchtende Charakter verstärkt. Vertikale Einschnitte gliedern die Wände, lassen turmartige Körper entstehen und reagieren somit auf die Proportionen der Nachbarhäuser. Portzamparc, der seine Anleihen bei der Plastizität des späten Corbusier nie ganz zu verleugnen vermag, hat ein Entrée entworfen, das das Motiv des Eingangs kulissenhaft-theatralisch inszeniert, ohne ins Marktschreierische zu verfallen und die Nachbarschaft zu beherrschen.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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