Ensemble

BUS:STOP Krumbach
BUS:STOP Krumbach, Foto: Adolf Bereuter

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In Vorarlberg hat naturverbundene, zeitgenössische Architektur eine Heimstatt bekommen. Sogar die Buswartehäuschen in Krumbach erregen Aufregung in der Architekturszene.

31. Mai 2014 - Simone Lucas
Der Himmel ist gesprenkelt, in Grau, Weiß und Blassblau. Über dem Bodensee hängt eine Wolke wie ein überdimensionierter Zeppelin. Grau ist das Wasser, weiß die Berggipfel. Der nächste Regenguss kommt bestimmt.

Bei so einem Wetter ist man froh über jeden trockenen Unterstand. In Krumbach im Bregenzerwald gibt’s davon gleich sieben. Bus:Stop nennt sich das Projekt, zu dem sieben internationale Architekturbüros mit oft extravaganten Ideen beigetragen haben. Der Kurator für diese „Buswartehüsli“ habe „lauter Verrückte“ ausgesucht, sagt Bürgermeister Arnold Hirschbühl, „keine Architekten, sondern Künstler“.

Dietmar Steiner vom Architekturzentrum Wien hat die Architekten angeschrieben, die allesamt „auf dem Sprung in eine große Karriere sind“. Als man vor eineinhalb Jahren ins kalte Wasser sprang, sei die Skepsis im Ort groß gewesen, sagt der Bürgermeister. Aber inzwischen seien auch die Kritiker verstummt. „Es ist ein Projekt entstanden, das halbwegs verträglich ist, weil es auch von Sensibilität für unseren Kulturraum zeugt“, sagt Hirschbühl und führt seine Besucher dorthin, wo alles begann. Zur Kirche.

Hier, im Herzen Krumbachs, steht „eigentlich das achte Wartehäuschen“, die zentrale Bushaltestelle in Form eines Riesentisches. „Die haben wir vor vier Jahren geplant.“ Umgesetzt haben die Ideen die Krumbacher Architekten Rene Bechter, Hermann Kaufmann und Bernardo Bader. Für den Bürgermeister war die Landbus-Station die Initialzündung zum Projekt Bus:Stop.

Die Krumbacher haben Erfahrung mit moderner Architektur. Das Gemeindehaus aus dem Holz der heimischen Weißtanne, schön und schlicht, holt durch große Fenster die Tradition in Form der Kirche ins Innere. Der Pavillon nimmt den Dialog mit der Landschaft auf. Alle sieben Architekturbüros ließen sich davon inspirieren. Auf höchst unterschiedliche Art, wie ein Rundgang zu den Bushäuschen zeigt.

Da stellten die belgischen Architekten Jan de Vylder, Inge Vinck und Jo Taillieu eine Art weißes Zelt in die Landschaft, das auf der schiefen Ebene das Außen reflektiert und mit einem spitzwinkligen Dreieck das Innen abschottet. Gleich gegenüber ein wie zufällig aufgeschichteter Holzstoß, mit dem die Spanier Anton Garcia-Abril und Debora Mesa an die Trockenlager der Holzwerkstätten erinnern wollen. Nicht ganz so funktional wie die Zeltstruktur der Belgier, weil der Stapel nur bedingt vor Regen schützt.

Aber, so sagt der Bürgermeister, man dürfe die Funktionalität nicht überbewerten.

Das Glashaus mit den drei Stühlen und einem Vogelhäuschen, das der Chilene Smiljan Radic konzipiert hat, erfüllt nicht nur die Schutzfunktion, es erinnert mit seiner schwarzen Beton-Kassettendecke und den Holzstühlen auch an die Tradition der Vorarlberger Stube. Ganz andere Assoziationen weckt der Russe Alexander Brodsky mit seinem schlanken Holzbau. Mit der blauen Bank samt Tisch erinnert er an einen Wachturm. Dem widersprechen die teilweise verglasten Öffnungen nach allen Seiten und die kleinen Fensteröffnungen oben, durch die „die Vögel frei fliegen können sollen“.

Einen zweistöckigen Schindelbau mit Wartebank im unteren Bereich und Tribüne im oberen Teil haben die norwegischen Architekten Sami Rintala und Dagur Eggertsson gebaut. Die chinesischen Prizker-Preisträger Wang Shu und Lu Wenyu haben eine hölzerne Camera Obscura errichtet, die mit einem Fenster in der Rückwand die Berge in den Warteraum holt.

Der Japaner Sou Fujimoto hat ein Raumgerüst an die Straße gestellt, einen Wald aus weißen Stahlstangen, in dem sich eine Stiege in die Höhe windet und so neue Dimensionen eröffnet. Wer hier warten muss, der kann die Welt mit anderen Augen sehen, sollte aber den Regenschirm nicht vergessen. Wobei die Wartezeiten human sind, wie der Bürgermeister versichert.
Zuerst die Fußgänger

Die gelben Busse, die den Bregenzerwald erschließen, seien „bestens vertaktet“. „Unsere Philosophie ist ganz klar“, erläutert Hirschbühl, „zuerst kommt der Fußgänger, dann der Radfahrer – und ganz am Ende der Autofahrer.“

„Ziel war, dass jedem zumindest ein Buswartehäuschen gefällt. Es gibt viele, denen viele gefallen.“ Krumbach hat mit den Wartehäuschen, die heimische Handwerker verwirklicht haben, eine Attraktion nicht nur für Architektur-Fans. Ach ja, auch die Architekten kommen wieder, um ihre Gage abzuwohnen: Eine Woche mit Partner im Fünfsternehotel mit Flug und Transfer.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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