Veranstaltung
Wohnmodelle.
Ausstellung
16. Dezember 2008 bis 22. Februar 2009
Künstlerhaus Wien
Karlsplatz 5
Karlsplatz 5
Veranstalter:in: Künstlerhaus Wien, MVD Austria, TU Wien. Abteilung Wohnbau + Entwerfen
Eröffnung: Montag, 15. Dezember 2008
Wohnen. Wo, wie?
Wohnmodelle aus drei Kontinenten, Experimente abseits des Mainstreams: Eine Ausstellung im Wiener Künstlerhaus zeigt Strategien, die sich zur Wiederholung eignen.
20. Dezember 2008 - Christian Kühn
Eine Wiener Ausstellung über Wohnmodelle: Unter diesem Titel war eine weitere Nabelschau zu befürchten, konzipiert von Architekten für Architekten und Funktionäre des geförderten Wohnbaus, präsentiert auf hochglänzenden Schautafeln, die Wiener Wohnbauten im Urzustand nach ihrer Eröffnung zeigen.
Die aktuelle Ausstellung im Künstlerhaus ist anders. Sie beschränkt sich nicht auf Wien, sondern zeigt ein Dutzend Wohnbauten aus Europa, Japan, Südamerika und den USA. Die Fotos stammen von den Bewohnern der Häuser und wurden auch nicht bei der Eröffnung, sondern mindestens zwei Jahre nach der Fertigstellung aufgenommen.
Von „Modellen“ handelt die Ausstellung in mehrerer Hinsicht. Einerseits wurden nur Beispiele aufgenommen, die sich als Experiment abseits des Mainstreams verstehen, aber zugleich Modellcharakter haben, also Strategien verfolgen, die sich zur Wiederholung eignen. Andererseits geht es in der Ausstellung auch um das Thema des Architekturmodells im engeren Sinn. Modelle gibt es in mehreren Varianten und Maßstäben, von eins zu fünf bis eins zu eins, etwa beim Modell eines chilenischen Wohnbaus in der Haupthalle. Beim Eingang finden sich kleine Modelle aus dem Grundkurs für Gestaltungslehre an der Technischen Universität Wien, die dasselbe Volumen in 300 verschiedenen Varianten im Raum anordnen. Daneben bietet ein Tisch die Möglichkeit, aus Zündholzschachteln im Schnellverfahren Wohngebäude zusammenzubauen – und dann darüber nachzudenken, ob der Wohnbau als Addition von Einzelräumen wirklich noch zeitgemäß ist.
In der Ausstellung finden sich Alternativen, etwa die Balance-Typen der Schweizer Architekten Haerle-Hubacher, fünfgeschoßige Wohnregale mit 300 Quadratmeter Geschoßfläche, die als Alternative zu Einfamilienhäusern verkauft werden. 70 Quadratmeter davon sind umlaufende Terrassen, und wie die Käufer diese Fläche einteilen, bleibt ihnen überlassen. Vom Loft bis zur Kombination kleinerer Einheiten für mehrere Generationen ist hier alles möglich. Das Konzept war so erfolgreich, dass bereits vier Siedlungen nach diesem Muster entstanden sind, jeweils mit vier bis fünf Einzelhäusern.
Das originellste Modell der Ausstellung haben die Kuratoren Michael Rieper und Oliver Elser aber von der Wiener Niederlassung einer Werbeagentur übernommen. Es handelt sich um das Durchschnittswohnzimmer mit Durchschnittseinrichtung, das die Agentur bei sich aufgebaut hat, um ein „Feeling“ für ihre Zielgruppen zu entwickeln. Durch diesen – der Statistik entsprechend genau 24,6 Quadratmeter großen – Raum, ausgestattet mit den meistverkauften Möbeln, Haushaltsgetränken und Spirituosen, gelangen die Besucher in den Hauptteil der Ausstellung. Zu jedem Projekt finden sich neben den durchgängig aus Wellpappe gebauten Modellen Diaprojektionen, die Ausschnitte aus Interviews mit den Bewohnern als kurze Statements mit Alltagsfotos kombinieren.
Die Kartonmodelle sind trotz ihrer Größe in einigen Fällen enttäuschend, da sich nicht jeder Wohnbau für die gewählte Abstraktion eignet und die Beleuchtung der Modelle etwas spartanisch ausgefallen ist. Wer die Projekte verstehen möchte, ist gut beraten, sich den exzellenten und mit 29 Euro erschwinglichen Katalog zu besorgen, der als Bonusmaterial Reportagen über die allgemeine Situation des Wohnbaus in den jeweiligen Herkunftsländern der Projekte enthält.
Die Auswahl der Beispiele mag auf den ersten Blick willkürlich erscheinen. Sie geht auf ein Symposium zurück, das die Kuratoren mit Unterstützung der Wohnbau-Abteilung der Technischen Universität Wien 2007 organisierten. Teilnehmer aus zehn Ländern berichteten dabei über je ein innovatives Wohnbauprojekt. Charakteristisch ist für die meisten der Projekte, dass Architekten dabei nicht nur als Planer auftreten, sondern zusätzlich andere Rollen übernehmen, etwa als Projektentwickler oder Sozialarbeiter.
Ein Beispiel aus Chicago zeigt, wie die Architekten Landon Bone Baker einen sozialen Wohnbau aus den 1950er-Jahren nicht wie geplant abreißen, sondern sanieren, um die gewachsene Sozialstruktur nicht zu zerstören. Aus Chile stammt ein Projekt, das unter dem Namen „Elemental“ mit der maximalen Förderung von 7500 Dollar pro Wohneinheit „halbe Häuser“ errichtet, die von den Bewohnern im Selbstbau erweitert werden können. Aus Frankreich werden Reihenhäuser in Mulhouse vorgestellt, bei der die Architekten Lacaton & Vassal im geförderten Wohnbau Nutzflächen von 175 Quadratmetern anbieten, die möglich werden, weil die Konstruktion des Obergeschoßes mit industriell gefertigten Gewächshäusern erfolgt.
Aus Japan stammen zwei konträre Projekte: ein Wohnregal von Riken Yamamoto mit einer innovativen Kombinationsmöglichkeit von Wohn- und Arbeitsräumen sowie ein kleines Einfamilienhaus von Ryue Nishizawa, das aus noch kleineren weißen Kuben für die Wohn- und Schlafräume besteht, die nur über den Garten miteinander verbunden sind. Einziges Wiener Beispiel ist die Sargfabrik, die ihren Modellcharakter insofern beweist, als sie hier mit ihrem „Ableger“, der Miss Sargfabrik, gezeigt wird.
Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, ehemaliger Vorsitzender des Verbands Wiener Volksbildung, hat die Ausstellung gefördert und sie einer Veranstaltungsreihe, „Wiener Wohnbaufestwochen“, einverleibt, die bis Ende März die Auseinandersetzung mit dem Wiener Wohnbau beleben möchte. Als Optimist darf man darin eine Aufforderung an die Wohnungssuchenden in Wien zum selbstständigen Denken verstehen, zur Lust auf Alternativen, vom Raumprogramm bis zur Art der Bauträgerschaft, etwa in Form von autonomen Baugruppen. Ob diese Botschaft auch die anderen Akteure, von den Genossenschaften bis zum Grundstücksbeirat, erreicht, bleibt abzuwarten.
Die aktuelle Ausstellung im Künstlerhaus ist anders. Sie beschränkt sich nicht auf Wien, sondern zeigt ein Dutzend Wohnbauten aus Europa, Japan, Südamerika und den USA. Die Fotos stammen von den Bewohnern der Häuser und wurden auch nicht bei der Eröffnung, sondern mindestens zwei Jahre nach der Fertigstellung aufgenommen.
Von „Modellen“ handelt die Ausstellung in mehrerer Hinsicht. Einerseits wurden nur Beispiele aufgenommen, die sich als Experiment abseits des Mainstreams verstehen, aber zugleich Modellcharakter haben, also Strategien verfolgen, die sich zur Wiederholung eignen. Andererseits geht es in der Ausstellung auch um das Thema des Architekturmodells im engeren Sinn. Modelle gibt es in mehreren Varianten und Maßstäben, von eins zu fünf bis eins zu eins, etwa beim Modell eines chilenischen Wohnbaus in der Haupthalle. Beim Eingang finden sich kleine Modelle aus dem Grundkurs für Gestaltungslehre an der Technischen Universität Wien, die dasselbe Volumen in 300 verschiedenen Varianten im Raum anordnen. Daneben bietet ein Tisch die Möglichkeit, aus Zündholzschachteln im Schnellverfahren Wohngebäude zusammenzubauen – und dann darüber nachzudenken, ob der Wohnbau als Addition von Einzelräumen wirklich noch zeitgemäß ist.
In der Ausstellung finden sich Alternativen, etwa die Balance-Typen der Schweizer Architekten Haerle-Hubacher, fünfgeschoßige Wohnregale mit 300 Quadratmeter Geschoßfläche, die als Alternative zu Einfamilienhäusern verkauft werden. 70 Quadratmeter davon sind umlaufende Terrassen, und wie die Käufer diese Fläche einteilen, bleibt ihnen überlassen. Vom Loft bis zur Kombination kleinerer Einheiten für mehrere Generationen ist hier alles möglich. Das Konzept war so erfolgreich, dass bereits vier Siedlungen nach diesem Muster entstanden sind, jeweils mit vier bis fünf Einzelhäusern.
Das originellste Modell der Ausstellung haben die Kuratoren Michael Rieper und Oliver Elser aber von der Wiener Niederlassung einer Werbeagentur übernommen. Es handelt sich um das Durchschnittswohnzimmer mit Durchschnittseinrichtung, das die Agentur bei sich aufgebaut hat, um ein „Feeling“ für ihre Zielgruppen zu entwickeln. Durch diesen – der Statistik entsprechend genau 24,6 Quadratmeter großen – Raum, ausgestattet mit den meistverkauften Möbeln, Haushaltsgetränken und Spirituosen, gelangen die Besucher in den Hauptteil der Ausstellung. Zu jedem Projekt finden sich neben den durchgängig aus Wellpappe gebauten Modellen Diaprojektionen, die Ausschnitte aus Interviews mit den Bewohnern als kurze Statements mit Alltagsfotos kombinieren.
Die Kartonmodelle sind trotz ihrer Größe in einigen Fällen enttäuschend, da sich nicht jeder Wohnbau für die gewählte Abstraktion eignet und die Beleuchtung der Modelle etwas spartanisch ausgefallen ist. Wer die Projekte verstehen möchte, ist gut beraten, sich den exzellenten und mit 29 Euro erschwinglichen Katalog zu besorgen, der als Bonusmaterial Reportagen über die allgemeine Situation des Wohnbaus in den jeweiligen Herkunftsländern der Projekte enthält.
Die Auswahl der Beispiele mag auf den ersten Blick willkürlich erscheinen. Sie geht auf ein Symposium zurück, das die Kuratoren mit Unterstützung der Wohnbau-Abteilung der Technischen Universität Wien 2007 organisierten. Teilnehmer aus zehn Ländern berichteten dabei über je ein innovatives Wohnbauprojekt. Charakteristisch ist für die meisten der Projekte, dass Architekten dabei nicht nur als Planer auftreten, sondern zusätzlich andere Rollen übernehmen, etwa als Projektentwickler oder Sozialarbeiter.
Ein Beispiel aus Chicago zeigt, wie die Architekten Landon Bone Baker einen sozialen Wohnbau aus den 1950er-Jahren nicht wie geplant abreißen, sondern sanieren, um die gewachsene Sozialstruktur nicht zu zerstören. Aus Chile stammt ein Projekt, das unter dem Namen „Elemental“ mit der maximalen Förderung von 7500 Dollar pro Wohneinheit „halbe Häuser“ errichtet, die von den Bewohnern im Selbstbau erweitert werden können. Aus Frankreich werden Reihenhäuser in Mulhouse vorgestellt, bei der die Architekten Lacaton & Vassal im geförderten Wohnbau Nutzflächen von 175 Quadratmetern anbieten, die möglich werden, weil die Konstruktion des Obergeschoßes mit industriell gefertigten Gewächshäusern erfolgt.
Aus Japan stammen zwei konträre Projekte: ein Wohnregal von Riken Yamamoto mit einer innovativen Kombinationsmöglichkeit von Wohn- und Arbeitsräumen sowie ein kleines Einfamilienhaus von Ryue Nishizawa, das aus noch kleineren weißen Kuben für die Wohn- und Schlafräume besteht, die nur über den Garten miteinander verbunden sind. Einziges Wiener Beispiel ist die Sargfabrik, die ihren Modellcharakter insofern beweist, als sie hier mit ihrem „Ableger“, der Miss Sargfabrik, gezeigt wird.
Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, ehemaliger Vorsitzender des Verbands Wiener Volksbildung, hat die Ausstellung gefördert und sie einer Veranstaltungsreihe, „Wiener Wohnbaufestwochen“, einverleibt, die bis Ende März die Auseinandersetzung mit dem Wiener Wohnbau beleben möchte. Als Optimist darf man darin eine Aufforderung an die Wohnungssuchenden in Wien zum selbstständigen Denken verstehen, zur Lust auf Alternativen, vom Raumprogramm bis zur Art der Bauträgerschaft, etwa in Form von autonomen Baugruppen. Ob diese Botschaft auch die anderen Akteure, von den Genossenschaften bis zum Grundstücksbeirat, erreicht, bleibt abzuwarten.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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