Veranstaltung
Häuser für Menschen
Kino
Donnerstag, 17. Oktober 2013, 19:30 bis 23:30 Uhr
Gartenbaukino
Parkring 12
A-1010 Wien
Parkring 12
A-1010 Wien
Veranstalter:in: ZV der ArchitektInnen Österreichs, Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten
Wie Menschen wohnen wollen
Ein Film des Urbanisten Reinhard Seiß macht sich auf die Suche nach dem Geheimnis glücklichen Wohnens abseits der Häuslbauer-Siedlungen.
13. Oktober 2013 - Maik Novotny
Der Wohnbau ist die älteste und doch komplizierteste Aufgabe der Architektur. Über die Frage, was genau der Mensch wirklich braucht, um glücklich zu hausen, herrscht zwischen Häuserl im Grünen und Wohnblocks von der Stange keineswegs Einigkeit.
Vier Wohnbauten sind es, die der Stadtplaner und Autor Reinhard Seiß in seinem Film Häuser für Menschen - Humaner Wohnbau in Österreich porträtiert. Darunter vermeintlich Bekanntes wie Harry Glücks Wohnpark Alt-Erlaa in Wien und Roland Rainers Gartenstadt Puchenau bei Linz sowie die „Sargfabrik“ in Wien-Penzing von BKK-2/BKK-3 Architekten und die Wohnanlage Guglmugl in Linz von Fritz Matzinger, die beide unter Beteiligung der Bewohner entstanden.
Bewohner, die sich im Film rundum zufrieden zeigen. Reinhard Seiß erklärt im Interview, was das Wohnen in diesen Bauten so besonders human macht.
STANDARD: Ein zweistündiger Film, der sich vier Wohnbauten widmet. Was macht gerade diese Beispiele so besonders?
Seiß: Ich wollte Best Practices zeigen, die etwas Ikonenhaftes haben, und Architekten, die Pioniere waren und eine eigene Philosophie entwickelten. Und ehrlich gesagt: Sehr viele andere Beispiele wären mir da nicht eingefallen. Natürlich haben auch andere Architekten den einen oder anderen guten Wohnbau gemacht, aber nicht in dieser Konsequenz wie die vier porträtierten Wohnbau-Überzeugungstäter.
STANDARD: Was macht das Wohnen in diesen Häusern so besonders human?
Seiß: Ganz wesentlich sind qualitätsvolle private und gemeinschaftliche Freiräume. Die Sargfabrik hat zum Beispiel einen Dachgarten für alle Bewohner. Ebenso wichtig scheint die Förderung sozialer Kontakte sowie die Möglichkeit, das Wohnumfeld selbst gestalten zu können. Bei Rainer und Matzinger kann das jeder Bewohner in seinem kleinen, aber eigenen Garten tun, Harry Glück stellte den Mietern große Pflanztröge auf die Terrassen - und in der Sargfabrik gestaltet jeder seinen Abschnitt des Laubengangs.
STANDARD: Harry Glück begründet das mit elementaren Bedürfnissen wie der Nähe zur Natur. Verändern sich die menschlichen Grundbedürfnisse nie?
Seiß: Ich halte es schon für etwas hysterisch, wenn es heißt: „Wir leben im Internetzeitalter und brauchen daher einen neuen Typus von Haus, eine neue Form von Stadt!“ Der technische und gesellschaftliche Fortschritt im 20. Jahrhundert vor Einzug des Internets war viel gravierender als das, was seither passiert ist. Unser Versagen heute liegt darin, dass wir es nicht schaffen, diese Modelle entsprechend weiterzuentwickeln.
STANDARD: Fritz Matzinger hat sich von Exkursionen nach Afrika inspirieren lassen, Roland Rainer vom informellen Bauen. Sind diese anthropologischen Zugänge zur Architektur heute selten geworden?
Seiß: Nicht viele Architekten verfolgen einen breiteren philosophischen Ansatz. Forderungen wie „Architektur muss brennen“ zielen eher auf baukünstlerische Effekte ab und lassen Architektur als Selbstzweck erscheinen. Das ist allen vier Architekten im Film fremd, für sie ist das äußere Erscheinungsbild ihrer Bauten zweitrangig. Wobei etwa Roland Rainer trotzdem ein begnadeter Ästhet war, der unglaubliche Raumatmosphären geschaffen hat.
STANDARD: Die Zersiedlung wird von allen Beteiligten im Film stark kritisiert. Ist das Einfamilienhaus also inhuman?
Seiß: Inhuman würde ich es nicht nennen. Es ist eher eine finanzielle Falle, in die viele hineintappen. Das Fatale an den vielen Einfamilienhäusern betrifft ja nicht deren Bewohner, sondern unsere Gesellschaft und vor allem die nachfolgenden Generationen. Sprich, die volkswirtschaftlichen Kosten der ineffizienten Infrastruktur, die ökologischen Folgen der Autoabhängigkeit oder der horrende Bodenverbrauch durch Zersiedlung.
STANDARD: Fritz Matzinger sagt im Film: „Wenn es ordentlichen Wohnbau gäbe, bräuchten wir keine Einfamilienhaussiedlungen.“ Wo muss man da ansetzen?
Seiß: Leider bietet der Immobilienmarkt qualitätvolles Wohnen in verdichteter Form so gut wie nicht an. Die Politik könnte und müsste dies forcieren. Unsere Städte zerfallen mehr und mehr in monofunktionale Wohn-, Konsum-, Büro- und Gewerbegebiete und verlieren damit an Lebensqualität.
STANDARD: Ist der Trend zu Baugruppen wie in der Seestadt Aspern ein Schritt in die richtige Richtung?
Seiß: Ja, und es ist ein bedenkliches Zeugnis für die Wohnbauträger, dass immer mehr Menschen dazu bereit sind, mehrere Jahre lang Zeit und Engagement in die Entwicklung eines Wohnbaus zu investieren, anstatt eine schlüsselfertige Wohnung zu übernehmen.
STANDARD: Zeigen die vier Beispiele, dass Tucholskys „Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße“ doch kein Ding der Unmöglichkeit ist?
Seiß: In substituierter Form, ja. Alt-Erlaa ist vielleicht das eindrucksvollste Beispiel für die Möglichkeit einer solchen Synthese aus Stadt und Land. Es handelt sich weder um ein klassisches urbanes Grätzel noch um das herkömmliche Wohnen im Grünen, aber beides wird hier mit nur geringen Abstrichen geboten.
STANDARD: An welche Zielgruppe richtet sich der Film - angehende Häuslbauer oder Fachpublikum?
Seiß: Zuerst hatte ich die Dokumentation für ein breites Publikum konzipiert. Mittlerweile denke ich aber, dass der Film auch den professionellen Wohnbau-Akteuren etwas zu sagen hat. Die Kritik der im Film interviewten Architekten zumindest zielt nicht so sehr auf die Häuslbauer als auf den eigenen Berufsstand ab.
Vier Wohnbauten sind es, die der Stadtplaner und Autor Reinhard Seiß in seinem Film Häuser für Menschen - Humaner Wohnbau in Österreich porträtiert. Darunter vermeintlich Bekanntes wie Harry Glücks Wohnpark Alt-Erlaa in Wien und Roland Rainers Gartenstadt Puchenau bei Linz sowie die „Sargfabrik“ in Wien-Penzing von BKK-2/BKK-3 Architekten und die Wohnanlage Guglmugl in Linz von Fritz Matzinger, die beide unter Beteiligung der Bewohner entstanden.
Bewohner, die sich im Film rundum zufrieden zeigen. Reinhard Seiß erklärt im Interview, was das Wohnen in diesen Bauten so besonders human macht.
STANDARD: Ein zweistündiger Film, der sich vier Wohnbauten widmet. Was macht gerade diese Beispiele so besonders?
Seiß: Ich wollte Best Practices zeigen, die etwas Ikonenhaftes haben, und Architekten, die Pioniere waren und eine eigene Philosophie entwickelten. Und ehrlich gesagt: Sehr viele andere Beispiele wären mir da nicht eingefallen. Natürlich haben auch andere Architekten den einen oder anderen guten Wohnbau gemacht, aber nicht in dieser Konsequenz wie die vier porträtierten Wohnbau-Überzeugungstäter.
STANDARD: Was macht das Wohnen in diesen Häusern so besonders human?
Seiß: Ganz wesentlich sind qualitätsvolle private und gemeinschaftliche Freiräume. Die Sargfabrik hat zum Beispiel einen Dachgarten für alle Bewohner. Ebenso wichtig scheint die Förderung sozialer Kontakte sowie die Möglichkeit, das Wohnumfeld selbst gestalten zu können. Bei Rainer und Matzinger kann das jeder Bewohner in seinem kleinen, aber eigenen Garten tun, Harry Glück stellte den Mietern große Pflanztröge auf die Terrassen - und in der Sargfabrik gestaltet jeder seinen Abschnitt des Laubengangs.
STANDARD: Harry Glück begründet das mit elementaren Bedürfnissen wie der Nähe zur Natur. Verändern sich die menschlichen Grundbedürfnisse nie?
Seiß: Ich halte es schon für etwas hysterisch, wenn es heißt: „Wir leben im Internetzeitalter und brauchen daher einen neuen Typus von Haus, eine neue Form von Stadt!“ Der technische und gesellschaftliche Fortschritt im 20. Jahrhundert vor Einzug des Internets war viel gravierender als das, was seither passiert ist. Unser Versagen heute liegt darin, dass wir es nicht schaffen, diese Modelle entsprechend weiterzuentwickeln.
STANDARD: Fritz Matzinger hat sich von Exkursionen nach Afrika inspirieren lassen, Roland Rainer vom informellen Bauen. Sind diese anthropologischen Zugänge zur Architektur heute selten geworden?
Seiß: Nicht viele Architekten verfolgen einen breiteren philosophischen Ansatz. Forderungen wie „Architektur muss brennen“ zielen eher auf baukünstlerische Effekte ab und lassen Architektur als Selbstzweck erscheinen. Das ist allen vier Architekten im Film fremd, für sie ist das äußere Erscheinungsbild ihrer Bauten zweitrangig. Wobei etwa Roland Rainer trotzdem ein begnadeter Ästhet war, der unglaubliche Raumatmosphären geschaffen hat.
STANDARD: Die Zersiedlung wird von allen Beteiligten im Film stark kritisiert. Ist das Einfamilienhaus also inhuman?
Seiß: Inhuman würde ich es nicht nennen. Es ist eher eine finanzielle Falle, in die viele hineintappen. Das Fatale an den vielen Einfamilienhäusern betrifft ja nicht deren Bewohner, sondern unsere Gesellschaft und vor allem die nachfolgenden Generationen. Sprich, die volkswirtschaftlichen Kosten der ineffizienten Infrastruktur, die ökologischen Folgen der Autoabhängigkeit oder der horrende Bodenverbrauch durch Zersiedlung.
STANDARD: Fritz Matzinger sagt im Film: „Wenn es ordentlichen Wohnbau gäbe, bräuchten wir keine Einfamilienhaussiedlungen.“ Wo muss man da ansetzen?
Seiß: Leider bietet der Immobilienmarkt qualitätvolles Wohnen in verdichteter Form so gut wie nicht an. Die Politik könnte und müsste dies forcieren. Unsere Städte zerfallen mehr und mehr in monofunktionale Wohn-, Konsum-, Büro- und Gewerbegebiete und verlieren damit an Lebensqualität.
STANDARD: Ist der Trend zu Baugruppen wie in der Seestadt Aspern ein Schritt in die richtige Richtung?
Seiß: Ja, und es ist ein bedenkliches Zeugnis für die Wohnbauträger, dass immer mehr Menschen dazu bereit sind, mehrere Jahre lang Zeit und Engagement in die Entwicklung eines Wohnbaus zu investieren, anstatt eine schlüsselfertige Wohnung zu übernehmen.
STANDARD: Zeigen die vier Beispiele, dass Tucholskys „Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße“ doch kein Ding der Unmöglichkeit ist?
Seiß: In substituierter Form, ja. Alt-Erlaa ist vielleicht das eindrucksvollste Beispiel für die Möglichkeit einer solchen Synthese aus Stadt und Land. Es handelt sich weder um ein klassisches urbanes Grätzel noch um das herkömmliche Wohnen im Grünen, aber beides wird hier mit nur geringen Abstrichen geboten.
STANDARD: An welche Zielgruppe richtet sich der Film - angehende Häuslbauer oder Fachpublikum?
Seiß: Zuerst hatte ich die Dokumentation für ein breites Publikum konzipiert. Mittlerweile denke ich aber, dass der Film auch den professionellen Wohnbau-Akteuren etwas zu sagen hat. Die Kritik der im Film interviewten Architekten zumindest zielt nicht so sehr auf die Häuslbauer als auf den eigenen Berufsstand ab.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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