Veranstaltung

Serbien - Stadt als regionaler Kontext für Architektur
Ausstellung
18. Februar 2015 bis 2. April 2015
Ausstellungszentrum im Ringturm
Schottenring 30
A-1010 Wien


Veranstalter:in: Wiener Städtische Versicherungsverein
Eröffnung: Dienstag, 17. Februar 2015, 18:30 Uhr

Land der großen Gesten

Eine Architekturausstellung im Wiener Ringturm zeigt Serbien als einen der Schauplätze der Moderne. Ikonenhafte Bauten und großzügige Konzepte hatten in den Nachkriegsjahren ihre Hochblüte.

28. Februar 2015 - Iris Meder
Zum Beispiel Nikola Dobrović. Geboren im ungarischen Pécs, Studium in Prag, Tätigkeit in Belgrad, wichtigste Werke zu einem großen Teil an der Adriaküste. Das wohl beeindruckendste Beispiel ist Dobrovićs Grand Hotel auf der kleinen Insel Lopud vor Dubrovnik. Ein Bau, der die Zeiten der heroischen weißen Moderne noch in seinem gegenwärtigen ruinösen Zustand erahnen lässt: beeinflusst von Le Corbusier und dem russischen Konstruktivismus, geprägt von Bauten wie Moissei Ginsburgs Narkomfin-Gebäude in Moskau – dynamische Balkone und durchzischende Laubengänge, Fensterbänder, kajütenartig kleine Schlafzimmer, dafür große Gemeinschaftsbereiche.

Zwei Ikonen der Moderne, beide in desaströsem Zustand, leerstehend, verfallend. Ginsburgs Narkomfin-Gebäude liegt im Einflussbereich der benachbarten US-Botschaft, die es wohl aus Sicherheitsgründen am liebsten abreißen würde. Dobrovićs Grand Hotel hingegen scheint im letzten Moment wohl doch ein zweifelhaftes Glück zuteil zu werden: Angeblich hat die Hilton-Gruppe das Hotel, das Dobrović 1936 in erster Linie für tschechische Touristen – die in den 1930er-Jahren wohl häufiger reisten als Bürger des verarmten Österreich – baute, gekauft. Hinter einem Lattenzaun und einem aus der Bauzeit stammenden extensiven Palmenhain zu erahnen und auf historischen Fotografien auszumachen ist immer noch die Grandezza eines noblen Hauses für auch architektonisch anspruchsvolle Gäste. Bauarbeiten am denkmalgeschützten Hotel sind im Gange, die einst leeren Fensterhöhlen wieder verglast, man darf hoffen.

Dobrović wird heute sowohl von Kroatien als auch von Serbien als jeweils einheimischer Architekt gesehen, was völlig in Ordnung ist, da nationalstaatliche Zuordnungen zumindest in diesem Fall – siehe oben – obsolet sind. Schließlich steht in Belgrad ein weiteres Hauptwerk von Dobrović: der Nachkriegsbau des Generalstab-Gebäudes der ehemaligen Jugoslawischen Volksarmee, im Jugoslawien-Krieg durch Beschuss schwer beschädigt und bis heute ein noch nicht wiederhergestelltes Kriegsmahnmal in sich. Ab den 1950er-Jahren entstand, unter anderem auf den urbanistischen Grundlagen Dobrovićs und der Charta von Athen aufbauend, Novi Beograd (mit dem von Ivan Antić entworfenen, 1965 eröffneten ikonischen Museum zeitgenössischer Kunst) als neues Stadtviertel, ähnlich wie Novi Zagreb oder Bratislava-Petržalka, durchgrünt und großzügig und heute allmählich wieder von der Fachwelt geschätzt und gewürdigt.

Wenn der Ringturm der Wiener Städtischen Versicherung jetzt eine Architekturausstellung zur Moderne in Serbien zeigt, so wird dabei klugerweise von Serbien als Schauplatz, nicht als geistigem Ursprungsort gesprochen. Und da waren, wie in jeder Großstadt, immer auch Architekten aus anderen Gegenden tätig – in Belgrad zum Beispiel die in Wien bei Adolf Loos und Josef Hoffmann ausgebildeten Kroaten ZlatkoNeumann und Anton Ulrich mit dem Parlament der föderativen sozialistischen Republik Jugoslawien, der aus Slowenien stammende Jože Plečnik mit einer zylindrischen Kirche und der slowenische Bosnier Ivan Štraus (der 1983 auch das während des Jugoslawien-Krieges zu medialer Aufmerksamkeit gelangte Holiday Inn in Sarajevo entworfen hat) mit dem großartigen Donut-förmigen Luftfahrtmuseum, um dessen – leicht zeitversetzte – Realisierung wohl jeder britische Architektur-Utopist der 1960er-Jahre die einstige jugoslawische und heutige serbische Hauptstadt beneiden könnte. Als Gründungsort der Bewegung der Blockfreien Staaten hatte Belgrad im Europa des Kalten Krieges eine besondere Rolle, die es nutzte, um mittels Technologieexport unter anderem in den dekolonisierten Ländern Afrikas zu reüssieren – auch das Headquarter der hier in den 1970er- und 1980er-Jahren führenden staatlichen Entwurfs- und Baugesellschaft Energoprojekt, die rund 80 Prozent ihres Gewinns in Ländern wie Sambia, Nigeria, Sudan und Gabun, aber auch im Irak und Dubai erwirtschaftete, ist in der Ausstellung zu sehen.

Die große Zeit serbischer Architektur, die nach der Loslösung von Moskau den sozialistisch-realistischen Stalin-Stil nie mitmachen musste, lag in den Nachkriegsjahrzehnten, als es unter Tito einiges an Möglichkeiten sowohl zur großen Geste wie auch zu nachhaltigen infrastrukturellen Konzeptionen gab. Ein kaum bekanntes Beispiel hierfür ist die westserbische Stadt Užice, einst Partisanenzentrum und zu Ehren des ehemaligen Partisanen Josip Broz nach dem Zweiten Weltkrieg in Titovo Užice (und 1992 zurück) umbenannt, mit ihrem von Stanko Mandić konzipierten Platz des Partisanen, der in seiner Anlage auf die vorgefundenen topografischen Verhältnisse reagiert. Die Post am Platz wurde im Jugoslawien-Krieg zerstört, die Tito-Statue gestürzt, aber das innen mit Kuhfellen als Akustik-Elementen ausgekleidete Theater steht in seiner skandinavisch anmutenden Sechzigerjahre-Schönheit am Platz wie eh und je.

Außerdem zu entdecken sind im Zuge der verstärkten Industrialisierung und Urbanisierung seit dem späten 19. Jahrhundert ausgebaute Städte wie das südserbische Niš mit seiner beachtlichen Dreißiger- und Fünfzigerjahre-Architektur oder die Hauptstadt der Vojvodina, das „serbische Athen“ Novi Sad und sein Lokalmatador der Zwischenkriegszeit, Djordje Tabaković. Herausragende Zeugnisse der Nachkriegszeit sind hier das nach Entwürfen des aus Dalmatien stammenden Ivan Vitić von 1960 bis 1970 gebaute Museum der Nationalen Revolution (heute Museum für zeitgenössische Kunst derVojvodina), ein hocheleganter flacher Baukörper auf quadratischem Grundriss, und das mit seinen sichtbaren Beton-Geschoßdecken und Sichtziegelwänden an italienische Architektur erinnernde Gemeindezentrum, von Dušan Krstić in Form ineinandergeschobener Quader entworfen und ebenfalls1970 realisiert. Aus demselben Jahr stammt das Warenhaus Bazar, eines der Hauptwerke des Slowenen Milan Mihelič.

Der Katalog zur Ausstellung weist auch auf den wohl implizit bekanntesten (aber nicht als solchen wahrgenommenen) serbischen Architekten hin: Aljoša Josić, aus der Vojvodina stammend, in Paris als Teil des Büros Candilis-Josic-Woods berühmt – und als Verteter eines rigiden Brutalismus berüchtigt – geworden und als Teil des ebenso berüchtigten Team X für die Auflösung der CIAM und damit die Abkehr von der klassischen Moderne verantwortlich.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at