Veranstaltung

Jabornegg & Pálffy. Retroperspektive
Ausstellung
1. Mai 2017 bis 26. Oktober 2017
Stift Altenburg
Abt Placidus Much-Straße 1
A-3591 Altenburg


Veranstalter:in: Stift Altenburg

Blick nach vorn zurück

Jabornegg & Pálffy in Altenburg

„Retroperspektive – Architekturprojekte im historischen Kontext“: In einer ersten Werkschau zeigen die Architekten Christian Jabornegg und András Pálffy ihre Auseinandersetzung mit historischer Bausubstanz. Zu besichtigen im Stift Altenburg, Niederösterreich.

22. Juli 2017 - Franziska Leeb
„Retroperspektive“ übertiteln die Architekten Christian Jabornegg und András Pálffy ihre Ausstellung im Stift Altenburg. Der Blick nach vorn zurück war bereits 1997 das Leitmotiv von Catherine David für die Documenta X in Kassel, für die Jabornegg & Pálffy damals die Ausstellungsräume im Südflügel des Hauptbahnhofes und im Fridericianum umbauten: Mit besonnenen Eingriffen spielten sie die jeweilige Substanz von überflüssigen späteren Eingriffen frei, gestalteten einheitliche Oberflächen, schufen trotz – oder vielmehr gerade wegen – unaufdringlich im Hintergrund bleibender Interventionen eine angenehme Atmosphäre und sorgten auf funktionaler Seite zudem für ein gutes Ausstellungsklima und ausgezeichnete Orientierung für die Besucher.

Aufbauend auf der genauen Lektüre und Reflexion des Bestandes das Potenzial eines Eingriffes ausloten, dies kennzeichnet so gut wie alle Arbeiten des Wiener Architekturbüros, das sich seit 25 Jahren mit dem Weiterbauen historischer Bausubstanz beschäftigt. Die Ausstellungsräume für die Documenta X sind eines von 17 Projekten, anhand derer im Stift Altenburg die Logik ihrer Herangehensweise verständlich gemacht wird.

In drei Bauphasen waren sie bislang von 2002 bis 2012 im Benediktinerstift im Waldviertel tätig. Im Zuge der barocken Transformation der im 12. Jahrhundert gegründeten Klosteranlage lagerte Joseph Munggenast der über 200 Meter langen monumentalen Ostansicht eine Altane vor, die kurzerhand auf einer Beschüttung über dem mittelalterlichen Vorgängerbau errichtet wurde. Als aufgrund des Erddrucks entstandene Risse Untersuchungen notwendig machten, kamen wesentliche Teile der mittelalterlichen Bausubstanz zutage, und es stellte sich neben der Frage nach der statischen Sicherung des gesamten Bereiches auch jene nach einem adäquaten, für Besucher zugänglichen Schutzbau für die archäologischen Ausgrabungen. Jabornegg & Pálffy entschieden 2002 den dafür ausgelobten Wettbewerb für sich, womit eine äußerst fruchtbare Beziehung zwischen den klösterlichen Bauherren und den stets ein Gesamtkonzept und nicht nur die schnelle Reparatur im Auge habenden Architekten ihren Anfang nahm. Unter einer ausgefeilten Brückenkonstruktion aus Stahlbeton entstanden von oben und über freigelegte historische Fenster belichtete archäologische Schauräume; darüber wurde mit den Mitteln der Gegenwart die Altane als wesentlicher Bestandteil des barocken Hauptprospekts wiederhergestellt. Bedacht wurden damals schon die weiteren Ausbauschritte, die schließlich eine räumliche Verbindung vom Bereich unter der Altane zum barocken Kaiser- und Bibliothekstrakt herstellten. Der über zehn Jahre entstandene Parcours macht auf sehr intuitive Weise, die kaum weiterer didaktischer Erläuterungen bedarf, die Baugeschichte des Klosters nachvollziehbar und stellt Sichtbeziehungen sowohl innerhalb der Anlage als auch zur Landschaft her. Nun nutzen ihn Jabornegg & Pálffy, um in ihrer ersten großen Werkschau in Österreich ebenso eindrücklich Kontinuitäten in ihren Projekten aufzuzeigen. Dies geschieht anhand von 41 Modellen; der Bestand jeweils aus Holz gebaut, aus Edelstahl oder Aluminium jene Teile, die baulich neu sind. Raumressourcen im oder am Bestand finden, um darin erforderliche neue Nutzungen aufzunehmen, wenn möglich, den Bestand von nachträglichen Einbauten zu befreien und zugleich Orientierungshilfen zu schaffen – diese Vorgehensweise lässt sich parallel an den Modellen in den Ausstellungsräumen ablesen. Manche der gezeigten Projekte werden ungebaut bleiben, wie die Wettbewerbsbeiträge zum Umbau des Eastman Gebäudes zum Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel (2010) oder zur Erweiterung des Städel Museums in Frankfurt (2008) – andere harren noch der Umsetzung wie die Neugestaltung des Domplatzes in St. Pölten. In den Holz-Metall-Modellen wirken sie als Architektur bestechend real. Positioniert auf Tischen aus Stahlformrohren und maßgeschneiderten Podesten aus MDF-Platten, zeigen und verkörpern die sorgfältig gefertigten Architekturmodelle Methodik und Handschrift der Architekten. Keine farbigen Visualisierungen, keine Pläne, keine Texttafeln stören visuell die Konzentration auf die Baustrukturen. Zusätzliche Information bieten ein Leporello mit Fotos und Texten sowie ein Audioguide, sofern man ein geeignetes Smartphone besitzt.

Der Zeitpunkt für die Schau ist gut gewählt, startet doch diesen Sommer die Generalsanierung des österreichischen Parlamentsgebäudes. Diesem Großprojekt ist der Barockraum der Veitskapelle gewidmet. Anhand eines großen Grundrissmodells und zweier Schnittmodelle wird deutlich, wie sie kongenial zum architektonischen Konzept Theophil Hansens die ebenso komplexe wie rationale Struktur des Bestandes nutzen, um neue Funktionen und Strukturen präzise einzufügen.

„Man schaut in den Rückspiegel, wenn man nach vorn fährt, besonders wenn man schnell fährt“, so hat Catherine David einst ihr kuratorisches Konzept anschaulich erklärt. Und wie beim Autofahren der Blick nach hinten klugerweise besser an Fakten orientiert sein sollte, als sich auf Nebenschauplätzen zu verlieren, so sind auch beim Bauen im Bestand analytisches Denken und die Gabe, Zusammenhänge zu erkennen, gefragt. Denn nur so lassen sich geeignete Planungsstrategien entwickeln, die jenseits der Konservierung eines Status quo und damit der Musealisierung dazu geeignet sind, die Geschichte und Struktur eines Baudenkmals oder Ensembles fort- und nicht umzuschreiben. Ob Museumsgebäude, Bürohaus oder Platzgestaltung – dank des unsentimental-kritischen Blicks zurück gelingt es Jabornegg & Pálffy bei all ihren Bauten im historischen Kontext inhaltliches Programm, räumliche Qualität und konstruktive Logik in Einklang zu bringen.

Inwiefern dies beim ersten realisierten Kunstraum von Jabornegg & Pálffy, der Generali Foundation im denkmalgeschützten Habig-Hof in der Wiedner Hauptstraße, der seit Übersiedlung der Sammlung in das Museum der Moderne in Salzburg einer Nachnutzung harrt, gelingen wird, ist ungewiss. Denn wie András Pálffy, der sich selbstverständlich eine kulturelle Nutzung wünschen würde, berichtet, führt die Generali mit dem Bundesdenkmalamt seit Längerem intensive Verhandlungen über die Umwandlung in einen Supermarkt.

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