Veranstaltung
Refuse, Reduce, Re-use, Recycle, Rot
Ausstellung
29. September 2023 bis 24. Februar 2024
vorarlberger architektur institut
Marktstraße 33
A-6850 Dornbirn
Marktstraße 33
A-6850 Dornbirn
Eröffnung: Donnerstag, 28. September 2023, 19:00 Uhr
Bauen oder nicht Bauen
30. Oktober 2023 - Martina Pfeifer Steiner
Wir reden vom zivilisationsbedingten Treibhauseffekt. Die gebaute Umwelt ist einer der größten CO2-Emittenten, denn mit Herstellung und Betrieb gehen rund vierzig Prozent der klimaschädlichen Treibhausgase auf dieses Konto. Und da ist das Phänomen des Klimawandels – also die Abkühlung oder Erwärmung des Erdklimas über einen langen Zeitraum – kein Argument zur Beschwichtigung, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. In der Ausstellung im Vorarlberger Architektur Institut über Strategien für die Material- und Bauwende werden fünf Ansätze zum klimafreundlichen Bauen vorgestellt und tiefgründig Wechselwirkungen, Herausforderungen sowie Grenzen diskutiert.
Schon die Ausstellungsarchitektur ist ein Statement. Aufgeräumt, auskomponiert, in strenger Ordnung bilden rote und blaue Fenster, unterschiedlichen Formats, die wandfüllenden Rahmen für ganz viel Information. Dem Kurator Clemens Quirin ist es gelungen, die fünf Themen sehr gut – und unangestrengt aufzufassen – in die Tiefe zu strukturieren. Ein Fokusprojekt wird jeweils illustriert herausgezoomt, weitere könnte man sich sogar über die QR-Code Icons mit nach Hause nehmen. Dass in dieser Causa den Leuten erklärende Texte nicht erspart werden können, ist klar. Spannend und Nachdenkens wert sind sie, und als zusätzliches Feature hat der vai-Kurator für eine künstlerische Intervention den Schweizer Beni Bischof eingeladen. Pointiert-ironisch gezeichnete Kommentare hat dieser auf die Wand gekritzelt –überrascht, lächelnd, zustimmend nickend bleibt man daran hängen.
Ein Exempel für Re-use
Witzig ist auch die Installation im Entree der Ausstellung: Vor den hochformatigen Fensterelementen mit den grafisch-elegant gestalteten titelgebenden Begriffen „Refuse, Reduce, Re-use, Recycle, Rot“ stehen Skulpturen, die unschwer als liegende Heizkörper identifizierbar sind. Man darf sich draufsetzen, denn die Rippenradiatoren sind mit Kabelbindern auf den Untergestellen der üblichen vai-Bestuhlung fixiert, ganz einfach! Das ist wieder typisch Daniel Büchel, der die Ausstellung gestaltete. Dokumentiert ist in diesem Bereich obendrein der Ausbau der wiederverwendeten Fenster aus dem partiellen Abbruch der Textilschule Dornbirn. Sauber und makellos bilden sie die rot-blau gerasterte Kulisse der Ausstellung.
Da lohnt es sich doch nachzufragen, warum diese Fensterelemente bei der groß angelegten Sanierung nicht mehr brauchbar gewesen wären: Die Cukrowicz Nachbaur Architekten haben den Wettbewerb gewonnen und diese Themen ausführlich – unter Mitwirkung des Denkmalschutzes – behandelt. Um hier nicht ins Detail zu gehen: im Endeffekt wird alles, was nicht total kaputt ist (teilweise sogar morsch) sorgfältig ausgebaut und zur Abholung bereitgestellt. Und bei diesem Exempel werden die Hürden für ein sinnvolles Re-use sehr deutlich. Auch wenn einerseits die aufwändige Demontage engagiert übernommen wird, wer kann das gerade dann brauchen, einplanen, abholen, mitunter lagern? Die Transportwege sollten ökologisch wie ökonomisch vertretbar sein und es sind eigentlich von vornherein neue Entwurfsmethoden erforderlich.
In der Ausstellung wird dazu als Fokusprojekt das „Impact Hub at Crclr-House“ auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei in Berlin, der LXSY Architekten angeführt, die übrigens auch das im vai aufliegende Brettspiel „Trivial Circuit“ kreierten. Vom großen Revitalisierungsprojekt in den Hallen der Campus Väre hinter der Fachhochschule dürfen wir jedoch ebenso Außergewöhnliches erwarten. Die Weichen sind gestellt und die Beteiligten prüfen die Wiederverwendung von Bauteilen im großen Stil aus der Textilschule (siehe Artikel in der Kultur 10/23).
Recyling ist Downcycling
Zur farblichen Ausgewogenheit in der Ausstellung brauchte es zu Rot und Blau noch Gelb. Ausrangierte Garderobenspinde, ungewohnt konfiguriert, verwandeln sich in Pulte oder öffnen sich zur Präsentation von Modellen wiederverwendbarer Bauteilinventarien, die bei einem Forschungsprojekt entstanden sind: Die Gebäude der Universität Liechtenstein wurden hypothetisch zerlegt und stufenweise die Recycling- bzw. Re-Use-Potentiale untersucht.
Inzwischen werden nach den geltenden Abfallverordnungen knapp neunzig Prozent der Bauabfälle rezykliert. Zu beachten ist allerdings: Recycling bedeutet zumeist ein Downcycling und die Herstellung von solchen Baustoffen ist durchwegs genauso energieintensiv wie die Neuproduktion, für Betonrecycling benötigt man sogar mehr Zement. Zudem ist diese hohe Recyclingquote etwas verzerrt: Gerechnet wird nach Gewicht, nicht in Volumen, und die großen Mengen an leichten Dämm- und Verbundstoffen werden zumeist nur thermisch oder energetisch verwertet. Nicht berücksichtigt sind dagegen Aushübe, die mit fast sechzig Prozent den größten Anteil am Abfall in Österreich ausmachen. Man denke an Tiefgaragen, Straßen- und Tunnelbauten, das landet alles auf der Deponie!
An dieser Stelle switchen wir zum Kapitel „Rot“. Massen an Aushüben ließen sich für Stampflehmmischungen verwenden. Lehm ist ein krisensicherer Rohstoff, lokal verfügbar, CO2- sowie (vom Material her) kostensparend, und kann ohne Qualitätsverlust wiederverwendet oder der Natur zurückgegeben werden. Leuchtturmprojekte gibt es bekanntlich in Schlins. Es wurden aber auch schon Häuser mit Wänden aus Strohquaderballen errichtet, und die Vorzüge des nachwachsenden Baustoffs Holz sind mittlerweile breitenwirksam anerkannt.
Wir könnten noch den schönen Begriff der „Frugalität“ in die Betrachtung aufnehmen. Darunter wird eine befruchtende Genügsamkeit verstanden, freudvoll und kreativ, eine ganzheitliche Bescheidenheit auf allen Ebenen der Bauwirtschaft: Sei es in der Herstellung (fünfzig Prozent der CO2 Emissionen von Gebäuden passieren vor Inbetriebnahme), der Energieeffizienz bei Nutzung, im maßvollen und angepassten Einsatz von Technik, in der Verwendung ökologischer, lokal verfügbarer Baustoffe und im sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Reduce!
„To build or not to build“ ist also nicht die Frage, sondern WIE? Der schlagartig einsetzende, umfassende Bewusstseins-Wandel ist unabdingbar. Jetzt.
Schon die Ausstellungsarchitektur ist ein Statement. Aufgeräumt, auskomponiert, in strenger Ordnung bilden rote und blaue Fenster, unterschiedlichen Formats, die wandfüllenden Rahmen für ganz viel Information. Dem Kurator Clemens Quirin ist es gelungen, die fünf Themen sehr gut – und unangestrengt aufzufassen – in die Tiefe zu strukturieren. Ein Fokusprojekt wird jeweils illustriert herausgezoomt, weitere könnte man sich sogar über die QR-Code Icons mit nach Hause nehmen. Dass in dieser Causa den Leuten erklärende Texte nicht erspart werden können, ist klar. Spannend und Nachdenkens wert sind sie, und als zusätzliches Feature hat der vai-Kurator für eine künstlerische Intervention den Schweizer Beni Bischof eingeladen. Pointiert-ironisch gezeichnete Kommentare hat dieser auf die Wand gekritzelt –überrascht, lächelnd, zustimmend nickend bleibt man daran hängen.
Ein Exempel für Re-use
Witzig ist auch die Installation im Entree der Ausstellung: Vor den hochformatigen Fensterelementen mit den grafisch-elegant gestalteten titelgebenden Begriffen „Refuse, Reduce, Re-use, Recycle, Rot“ stehen Skulpturen, die unschwer als liegende Heizkörper identifizierbar sind. Man darf sich draufsetzen, denn die Rippenradiatoren sind mit Kabelbindern auf den Untergestellen der üblichen vai-Bestuhlung fixiert, ganz einfach! Das ist wieder typisch Daniel Büchel, der die Ausstellung gestaltete. Dokumentiert ist in diesem Bereich obendrein der Ausbau der wiederverwendeten Fenster aus dem partiellen Abbruch der Textilschule Dornbirn. Sauber und makellos bilden sie die rot-blau gerasterte Kulisse der Ausstellung.
Da lohnt es sich doch nachzufragen, warum diese Fensterelemente bei der groß angelegten Sanierung nicht mehr brauchbar gewesen wären: Die Cukrowicz Nachbaur Architekten haben den Wettbewerb gewonnen und diese Themen ausführlich – unter Mitwirkung des Denkmalschutzes – behandelt. Um hier nicht ins Detail zu gehen: im Endeffekt wird alles, was nicht total kaputt ist (teilweise sogar morsch) sorgfältig ausgebaut und zur Abholung bereitgestellt. Und bei diesem Exempel werden die Hürden für ein sinnvolles Re-use sehr deutlich. Auch wenn einerseits die aufwändige Demontage engagiert übernommen wird, wer kann das gerade dann brauchen, einplanen, abholen, mitunter lagern? Die Transportwege sollten ökologisch wie ökonomisch vertretbar sein und es sind eigentlich von vornherein neue Entwurfsmethoden erforderlich.
In der Ausstellung wird dazu als Fokusprojekt das „Impact Hub at Crclr-House“ auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei in Berlin, der LXSY Architekten angeführt, die übrigens auch das im vai aufliegende Brettspiel „Trivial Circuit“ kreierten. Vom großen Revitalisierungsprojekt in den Hallen der Campus Väre hinter der Fachhochschule dürfen wir jedoch ebenso Außergewöhnliches erwarten. Die Weichen sind gestellt und die Beteiligten prüfen die Wiederverwendung von Bauteilen im großen Stil aus der Textilschule (siehe Artikel in der Kultur 10/23).
Recyling ist Downcycling
Zur farblichen Ausgewogenheit in der Ausstellung brauchte es zu Rot und Blau noch Gelb. Ausrangierte Garderobenspinde, ungewohnt konfiguriert, verwandeln sich in Pulte oder öffnen sich zur Präsentation von Modellen wiederverwendbarer Bauteilinventarien, die bei einem Forschungsprojekt entstanden sind: Die Gebäude der Universität Liechtenstein wurden hypothetisch zerlegt und stufenweise die Recycling- bzw. Re-Use-Potentiale untersucht.
Inzwischen werden nach den geltenden Abfallverordnungen knapp neunzig Prozent der Bauabfälle rezykliert. Zu beachten ist allerdings: Recycling bedeutet zumeist ein Downcycling und die Herstellung von solchen Baustoffen ist durchwegs genauso energieintensiv wie die Neuproduktion, für Betonrecycling benötigt man sogar mehr Zement. Zudem ist diese hohe Recyclingquote etwas verzerrt: Gerechnet wird nach Gewicht, nicht in Volumen, und die großen Mengen an leichten Dämm- und Verbundstoffen werden zumeist nur thermisch oder energetisch verwertet. Nicht berücksichtigt sind dagegen Aushübe, die mit fast sechzig Prozent den größten Anteil am Abfall in Österreich ausmachen. Man denke an Tiefgaragen, Straßen- und Tunnelbauten, das landet alles auf der Deponie!
An dieser Stelle switchen wir zum Kapitel „Rot“. Massen an Aushüben ließen sich für Stampflehmmischungen verwenden. Lehm ist ein krisensicherer Rohstoff, lokal verfügbar, CO2- sowie (vom Material her) kostensparend, und kann ohne Qualitätsverlust wiederverwendet oder der Natur zurückgegeben werden. Leuchtturmprojekte gibt es bekanntlich in Schlins. Es wurden aber auch schon Häuser mit Wänden aus Strohquaderballen errichtet, und die Vorzüge des nachwachsenden Baustoffs Holz sind mittlerweile breitenwirksam anerkannt.
Wir könnten noch den schönen Begriff der „Frugalität“ in die Betrachtung aufnehmen. Darunter wird eine befruchtende Genügsamkeit verstanden, freudvoll und kreativ, eine ganzheitliche Bescheidenheit auf allen Ebenen der Bauwirtschaft: Sei es in der Herstellung (fünfzig Prozent der CO2 Emissionen von Gebäuden passieren vor Inbetriebnahme), der Energieeffizienz bei Nutzung, im maßvollen und angepassten Einsatz von Technik, in der Verwendung ökologischer, lokal verfügbarer Baustoffe und im sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Reduce!
„To build or not to build“ ist also nicht die Frage, sondern WIE? Der schlagartig einsetzende, umfassende Bewusstseins-Wandel ist unabdingbar. Jetzt.
[ Der Text erschien in KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, November 2023, http://www.kulturzeitschrift.at ]
Für den Beitrag verantwortlich: newroom
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