Veranstaltung
Alt-Wien
Ausstellung
25. November 2004 bis 28. März 2005
Künstlerhaus
Karlsplatz 5
1010 Wien
Karlsplatz 5
1010 Wien
Veranstalter:in: Wien Museum
Eröffnung: Mittwoch, 24. November 2004
Die Stadt, die niemals war
Der Mythos „Alt-Wien“ besagt, dass Wien sein besonderes Flair aus der Vergangenheit bezieht und dass jede Erneuerung die Gefahr der Zerstörung der vertrauten alten Stadt in sich birgt. Wien hat sich als eine Art Weltmetropole des Rückblicks etabliert – und fährt nicht schlecht mit seinem musealen Image. Allzu oft wird allerdings die Gegenwart ausgeblendet zugunsten eines idyllischen Bildes einer harmonischen Vergangenheit.
Die Ausstellung zeichnet, entlang der Frontstellung „Alt gegen Neu“ 200 Jahre Stadtgeschichte nach. Sie geht der Ambivalenz zwischen Erhaltung und Neubau und den Konflikten zwischen „Demolierern“ und „Bewahrern“ nach, sie erzählt von drastischen Stadtbildveränderungen und untersucht die Stereotypen sentimentaler Wien-Nostalgie. Sie setzt sich einerseits mit der Bau- und Planungsgeschichte Wiens und andererseits mit der Mentalitätengeschichte der Stadt auseinander.
Mit „Alt-Wien. Die Stadt, die niemals war“ präsentiert das Wien Museum nach vielen Jahren wieder eine Großausstellung im vis-à-vis gelegenen Künstlerhaus. „Die Schau soll auch ein programmatisches Statement für das neu profilierte Wien Museum sein“, sagt Direktor Wolfgang Kos, der die Idee zur Ausstellung hatte und gemeinsam mit Christian Rapp, Renata Kassal-Mikula und dem kuratorischen Team des Wien Museums das Konzept entwickelte: „Es geht uns darum, den Blick auf die Geschichte Wiens mit pointierten und aktuellen Fragestellungen zu verknüpfen. ‚Alt-Wien’ ist ja keineswegs ein Thema der Vergangenheit. Wie man etwa bei den Auseinandersetzungen um Haas-Haus, Museumsquartier oder Wien-Mitte gesehen hat, wiederholt sich immer wieder eine Frontstellung, die seit fast 200 Jahren die Gemüter erhitzt: Soll Wien seine Zukunft nach der Vergangenheit ausrichten und damit riskieren, eine schöne alte Stadt unter der Käseglocke zu werden? Oder soll man, um nicht den Anschluss an die Zukunft zu verlieren, markante neue Akzente setzen?“ Die Ausstellung biete zwar einen opulenten Gang durch das vergangene Wien, sei aber auch, so Wolfgang Kos, „eine Einladung an uns alle, über Identität und Zukunft Wiens nachzudenken“.
Auch Alt-Wien war einmal neu
Der Untertitel der Ausstellung verweist auf ein Paradox, das nicht aus der Welt zu schaffen ist, egal wie stark die Sehnsucht nach der gemütlichen und guten alten Zeit auch sein mag. Jede imaginierte Vergangenheit, also auch das „verklungene Wien“, kann nur eine nachträgliche Projektion sein, die sich aus den jeweils gegenwärtigen Gefühlslagen speist. Oder, wie Karl Kraus es pointiert ausdrückte: „Alt-Wien war einmal neu“. Damit reagierte er auf eine Flut von öffentlichen Äußerungen, in denen um 1900 der Verlust vertrauter Stadtbilder und die drohende Amerikanisierung Wiens beklagt wurde. Das elegische Sehnen nach der Stadt der Vergangenheit war vor allem in Phasen heftiger Modernisierungsschübe besonders ausgeprägt.
Tatsächlich war Wien, wie alle Städte, in permanenter Veränderung. Das Biedermeier, wichtigste Bezugs-Epoche der Alt-Wien-Nostalgie, war nicht halb so idyllisch wie sein Nachbild es glauben macht: Heftig und rücksichtslos wurden alte Häuser weggerissen, um Platz für größere zu machen. Schon damals wurde der Begriff „Alt-Wien“ wehmütig gegen die Gegenwart in Stellung gebracht.
In der Gründerzeit kamen ganze Bereiche der Innenstadt unter die Spitzhacke, Straßen wurden aus verkehrstechnischen Gründen verbreitert. Am Graben und in der Kärntnerstraße wurden fast alle Gebäude durch Neubauten ersetzt, das Aussehen der Stadt änderte sich also dramatisch. Mehr als 50% der alten Häuser wurden zwischen 1850 und 1900 demoliert. Was Planer und Investoren „Regulierung“ und „Verschönerung“ nannten, war für andere Anlass für Trauerreden auf das unwiederbringlich zerstörte Wien und für Polemik gegen „Demoliererwut“ und „barbarische Zerschönerung“.
„Alt-Wien“ – ein gefühlsbeladener Kampfbegriff
„Alt-Wien“ war stets ein gefühlsbeladener und ideologisierter Kampfbegriff. Er stand gegen Beschleunigung und moderne Kälte. Wien sollte nicht so seelenlos wie Berlin werden, das man das „europäische Chicago“ nannte. Der Begriff „Alt-Wien“ wurde spätestens im späten 19. Jahrhundert, als Wien zur modernen Metropole umgeformt wurde, populär. Er tauchte in unzähligen Buchtiteln auf und war auch Titel einer erfolgreichen Operette. Seither wurde das Thema „Alt-Wien“ in immer neuen Varianten weitergetragen – von raunzenden Feuilletonisten und von Vedutenmalern, die sogar Slums wie den „Ratzenstadl“ malerisch fanden, sobald der Abriss drohte, von Schubert-Kitsch à la „Dreimäderlhaus“ und Operette, vom Wiener Film der 1930er-Jahre und von der Tourismuswerbung. Auch die Wiener Moderne stand in enger Korrespondenz mit Rokoko und Biedermeier, nicht nur beim „Rosenkavalier“.
Zweimal gab es sogar Themenparks mit dem Titel „Alt-Wien“. 1892 wurde im Prater der Hohe Markt als begehbare Kopie im Maßstab 1:1 nachgebaut, allerdings im fiktiven Bild des Bauzustands im 17. Jahrhundert. Eine Kopie dieser Kopie von „Alt-Wien“ bildet das räumliche Zentrum der Ausstellung, deren architektonische Gestaltung bei Christian Prasser liegt.
Die Ausstellung präsentiert Kunstwerke, Architekturdokumente, Raritäten, Medien-Images und „Reliquien“, in denen sich verschwundene Zustände und Sichtweisen der Stadt spiegeln. Damit ist die Ausstellung auch eine Geschichte der Musealisierung. So sind etwa Wappen und Hauszeichen von Gebäuden, die im 19. Jahrhundert demoliert wurden, ins Historische Museum gekommen.
Die Ausstellung zeichnet, entlang der Frontstellung „Alt gegen Neu“ 200 Jahre Stadtgeschichte nach. Sie geht der Ambivalenz zwischen Erhaltung und Neubau und den Konflikten zwischen „Demolierern“ und „Bewahrern“ nach, sie erzählt von drastischen Stadtbildveränderungen und untersucht die Stereotypen sentimentaler Wien-Nostalgie. Sie setzt sich einerseits mit der Bau- und Planungsgeschichte Wiens und andererseits mit der Mentalitätengeschichte der Stadt auseinander.
Mit „Alt-Wien. Die Stadt, die niemals war“ präsentiert das Wien Museum nach vielen Jahren wieder eine Großausstellung im vis-à-vis gelegenen Künstlerhaus. „Die Schau soll auch ein programmatisches Statement für das neu profilierte Wien Museum sein“, sagt Direktor Wolfgang Kos, der die Idee zur Ausstellung hatte und gemeinsam mit Christian Rapp, Renata Kassal-Mikula und dem kuratorischen Team des Wien Museums das Konzept entwickelte: „Es geht uns darum, den Blick auf die Geschichte Wiens mit pointierten und aktuellen Fragestellungen zu verknüpfen. ‚Alt-Wien’ ist ja keineswegs ein Thema der Vergangenheit. Wie man etwa bei den Auseinandersetzungen um Haas-Haus, Museumsquartier oder Wien-Mitte gesehen hat, wiederholt sich immer wieder eine Frontstellung, die seit fast 200 Jahren die Gemüter erhitzt: Soll Wien seine Zukunft nach der Vergangenheit ausrichten und damit riskieren, eine schöne alte Stadt unter der Käseglocke zu werden? Oder soll man, um nicht den Anschluss an die Zukunft zu verlieren, markante neue Akzente setzen?“ Die Ausstellung biete zwar einen opulenten Gang durch das vergangene Wien, sei aber auch, so Wolfgang Kos, „eine Einladung an uns alle, über Identität und Zukunft Wiens nachzudenken“.
Auch Alt-Wien war einmal neu
Der Untertitel der Ausstellung verweist auf ein Paradox, das nicht aus der Welt zu schaffen ist, egal wie stark die Sehnsucht nach der gemütlichen und guten alten Zeit auch sein mag. Jede imaginierte Vergangenheit, also auch das „verklungene Wien“, kann nur eine nachträgliche Projektion sein, die sich aus den jeweils gegenwärtigen Gefühlslagen speist. Oder, wie Karl Kraus es pointiert ausdrückte: „Alt-Wien war einmal neu“. Damit reagierte er auf eine Flut von öffentlichen Äußerungen, in denen um 1900 der Verlust vertrauter Stadtbilder und die drohende Amerikanisierung Wiens beklagt wurde. Das elegische Sehnen nach der Stadt der Vergangenheit war vor allem in Phasen heftiger Modernisierungsschübe besonders ausgeprägt.
Tatsächlich war Wien, wie alle Städte, in permanenter Veränderung. Das Biedermeier, wichtigste Bezugs-Epoche der Alt-Wien-Nostalgie, war nicht halb so idyllisch wie sein Nachbild es glauben macht: Heftig und rücksichtslos wurden alte Häuser weggerissen, um Platz für größere zu machen. Schon damals wurde der Begriff „Alt-Wien“ wehmütig gegen die Gegenwart in Stellung gebracht.
In der Gründerzeit kamen ganze Bereiche der Innenstadt unter die Spitzhacke, Straßen wurden aus verkehrstechnischen Gründen verbreitert. Am Graben und in der Kärntnerstraße wurden fast alle Gebäude durch Neubauten ersetzt, das Aussehen der Stadt änderte sich also dramatisch. Mehr als 50% der alten Häuser wurden zwischen 1850 und 1900 demoliert. Was Planer und Investoren „Regulierung“ und „Verschönerung“ nannten, war für andere Anlass für Trauerreden auf das unwiederbringlich zerstörte Wien und für Polemik gegen „Demoliererwut“ und „barbarische Zerschönerung“.
„Alt-Wien“ – ein gefühlsbeladener Kampfbegriff
„Alt-Wien“ war stets ein gefühlsbeladener und ideologisierter Kampfbegriff. Er stand gegen Beschleunigung und moderne Kälte. Wien sollte nicht so seelenlos wie Berlin werden, das man das „europäische Chicago“ nannte. Der Begriff „Alt-Wien“ wurde spätestens im späten 19. Jahrhundert, als Wien zur modernen Metropole umgeformt wurde, populär. Er tauchte in unzähligen Buchtiteln auf und war auch Titel einer erfolgreichen Operette. Seither wurde das Thema „Alt-Wien“ in immer neuen Varianten weitergetragen – von raunzenden Feuilletonisten und von Vedutenmalern, die sogar Slums wie den „Ratzenstadl“ malerisch fanden, sobald der Abriss drohte, von Schubert-Kitsch à la „Dreimäderlhaus“ und Operette, vom Wiener Film der 1930er-Jahre und von der Tourismuswerbung. Auch die Wiener Moderne stand in enger Korrespondenz mit Rokoko und Biedermeier, nicht nur beim „Rosenkavalier“.
Zweimal gab es sogar Themenparks mit dem Titel „Alt-Wien“. 1892 wurde im Prater der Hohe Markt als begehbare Kopie im Maßstab 1:1 nachgebaut, allerdings im fiktiven Bild des Bauzustands im 17. Jahrhundert. Eine Kopie dieser Kopie von „Alt-Wien“ bildet das räumliche Zentrum der Ausstellung, deren architektonische Gestaltung bei Christian Prasser liegt.
Die Ausstellung präsentiert Kunstwerke, Architekturdokumente, Raritäten, Medien-Images und „Reliquien“, in denen sich verschwundene Zustände und Sichtweisen der Stadt spiegeln. Damit ist die Ausstellung auch eine Geschichte der Musealisierung. So sind etwa Wappen und Hauszeichen von Gebäuden, die im 19. Jahrhundert demoliert wurden, ins Historische Museum gekommen.
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Haus der Architektur Graz
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