Veranstaltung
Christ & Gantenbein Architekten AG, Basel
Vortrag
Mittwoch, 9. November 2005, 18:30 Uhr
Architekturforum Zürich
Neumarkt 15
CH-8001 Zürich
Neumarkt 15
CH-8001 Zürich
Veranstalter:in: Architekturforum Zürich
Expressive Eingriffe
Neue Arbeiten von Christ & Gantenbein aus Basel
4. November 2005 - J. Christoph Bürkle
Mit dem ersten Preis für die Erweiterung des Zürcher Landesmuseums 2002 wurden Emanuel Christ und Christoph Gantenbein aus Basel in der Architektenszene bekannt. Ihre Umklammerung der 1898 von Gustav Gull entworfenen Schlossarchitektur sorgte für Applaus, aber auch für heftige Kritik (NZZ 6. 9. 02). Ihr von spitz- und stumpfwinkligen Anbauten sowie schrägen Dachlandschaften geprägtes Projekt setzte sich erst gar nicht lange mit der vorhandenen Bausubstanz auseinander, sondern stellte eine zeitgemässe, expressive Formensprache bewusst gegen die axialsymmetrische und rechtwinklige Geometrie des Landesmuseums. Christ & Gantenbein nahmen die Ausschreibung beim Wort und versuchten das Museum in eine zeitgemässe Ausstellungswelt umzuinterpretieren.
Eine ähnliche architektonische Haltung zeigten Christ & Gantenbein bei dem Anbau eines Wohnhauses in Arlesheim bei Basel, der 2002 - also zeitgleich mit dem Projekt des Landesmuseums - entstanden ist. Auch bei dieser Aufgabe fanden die Architekten eine eigene, die Ästhetik des Bestehenden konterkarierende Sprache. Zunächst wirkt der Anbau wie ein Provisorium, und erst bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der eternitartige Ausdruck von einer durchgehenden Betonfassade erzeugt wird, deren Schalungselemente aus Welleternit bestanden. Die beinahe textile Aussenhaut besteht also aus einer tragenden Betonhülle und evoziert gleichsam ein Stein gewordenes Gartenhaus. Das Bauen mit Bildern ist ein Credo der Architekten, die - wie es Christ formuliert - «aus Vorbildern eine neue Welt montieren». Auch räumlich ist der Anbau zu einem Vexierbild geworden, das zusammen mit dem Altbau die Innenräume neu definiert. Aus dem rechtwinkligen Altbau mit seinen engen Begrenzungen tritt man nun in einen raumgreifenden Wohnbereich, der zweimal abknickt, mit seinen spitzen und stumpfen Winkeln einen ganz anderen Raumeindruck vermittelt und so den neuen Bau auch innen wirksam werden lässt.
Bauen mit Bildern
Bei den Arbeiten von Christ & Gantenbein ist die Tendenz zu spüren, sich von modernistisch geprägten Entwurfsstrategien zu befreien und von rationalistischen Strukturen zu freieren Formen zu gelangen. Das Dogma der Rechtwinkligkeit weicht einem stärkern Bezug von Innen- und Aussenraum, und zugleich hat das Kontextuelle gegenüber dem Objekthaften Vorrang. Die «Schweizer Kiste» scheint endgültig ausgespielt zu haben; die sich durchdringenden, eingefärbten Betonkuben mit eingezogenen Loggien, die das scharfkantige Fassadenbild nicht stören, weichen anderen Bildern und Geometrien. Statt traditionell aufgereihte Räume sieht man vermehrt ausgeklügelte Raumfolgen, die sich eher an den gewandelten Bedürfnissen der Bewohner orientieren als an starken Aussenformen. Das lässt sich auch an dem jüngsten Wettbewerbserfolg des Basler Teams für die Neubebauung Volta Mitte ablesen. Unweit des neuen Novartis-Campus in Basel entsteht eine ergänzende Blockrandbebauung, nachdem die Nordtangente in der Verlängerung der Dreirosenbrücke unter die Erde verlegt werden konnte. Auch bei diesem Projekt verstanden es Christ & Gantenbein, die Jury mit einer geschickten Differenzierung zwischen einer ruhigen und geschlossenen Strassenfassade und einer aufgefalteten Hoffassade, die eine geradezu expressive Vielfalt von Wohnungsgrundrissen generiert, zu überzeugen. Durch die mehrfach geknickten Fassaden entstehen unterschiedliche Raumtiefen, die wiederum ganz verschiedene Wohnungstypen hervorbringen, ein Vorteil auch für den beteiligten Investor, der so besser dem vielfältigen Wohnungsmarkt entgegenkommen kann. Im Hof können so individuelle Gartenräume gestaltet und abgegrenzt werden, wodurch Nutzungsvielfalt generiert wird, ohne dass sich die Nachbarn gegenseitig stören. Auch der Lichteinfall ist durch die Abschrägungen der Fassade grösser, für den nach Norden liegenden Hof ein nicht zu unterschätzender Gewinn. Die Wohnungen haben immer einen zentralen Wohnessraum mit Balkon, der von den Schlaf- und Nassräumen flankiert wird. Dieses klare Prinzip erhält seine ungeheure Vielfalt erst durch die differenzierten Geometrien, deren Knickungen und Winkel 18 verschiedene Wohntypen generieren.
Konsequent und selbstbewusst
Zurzeit arbeiten Christ & Gantenbein an dem Konzept für die Kannenfeldwerkstätten in Basel. Trotz vielen Wettbewerbserfolgen stehen grössere Realisierungen bisher noch aus. Bei ihrem Erweiterungsprojekt für das Zürcher Landesmuseum führte die typologische Unbefangenheit, mit der sich Christ & Gantenbein dem Altbau näherten, beim Zürcher Heimatschutz und bei der Gesellschaft für Schweizerische Gartenkultur erwartungsgemäss zu heftigen Rekursen (NZZ 9. 2. 05). Die entwerferische Haltung von Christ & Gantenbein ist konsequent und selbstbewusst und versteckt sich hier nicht hinter dem Gullschen Historismus. Die Kontroverse wäre vielleicht nicht entstanden, wenn sich der Raumbedarf des Landesmuseums in verständlichen Grenzen gehalten hätte und damit auch das Ausmass des Anbaus. Nun müssen die Architekten für den Expansionsdrang der Museumsverantwortlichen den Kopf hinhalten. Diesen ist es bis heute nicht gelungen, überzeugende Argumente dafür zu liefern, warum das nicht eben kleine Volumen des Landesmuseums um das Doppelte erweitert werden muss. Es fragt sich, ob ein Grossteil der Bestände aus den Depots geholt und ein gewaltiges Ausstellungsprogramm gefahren werden muss, das andere Häuser in Zürich programmatisch und finanziell konkurrenzieren würde. Aber das ist eine andere Geschichte . . .
[ Christ & Gantenbein stellen ihre Arbeiten am Mittwoch, 9. November, um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich vor. ]
Eine ähnliche architektonische Haltung zeigten Christ & Gantenbein bei dem Anbau eines Wohnhauses in Arlesheim bei Basel, der 2002 - also zeitgleich mit dem Projekt des Landesmuseums - entstanden ist. Auch bei dieser Aufgabe fanden die Architekten eine eigene, die Ästhetik des Bestehenden konterkarierende Sprache. Zunächst wirkt der Anbau wie ein Provisorium, und erst bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der eternitartige Ausdruck von einer durchgehenden Betonfassade erzeugt wird, deren Schalungselemente aus Welleternit bestanden. Die beinahe textile Aussenhaut besteht also aus einer tragenden Betonhülle und evoziert gleichsam ein Stein gewordenes Gartenhaus. Das Bauen mit Bildern ist ein Credo der Architekten, die - wie es Christ formuliert - «aus Vorbildern eine neue Welt montieren». Auch räumlich ist der Anbau zu einem Vexierbild geworden, das zusammen mit dem Altbau die Innenräume neu definiert. Aus dem rechtwinkligen Altbau mit seinen engen Begrenzungen tritt man nun in einen raumgreifenden Wohnbereich, der zweimal abknickt, mit seinen spitzen und stumpfen Winkeln einen ganz anderen Raumeindruck vermittelt und so den neuen Bau auch innen wirksam werden lässt.
Bauen mit Bildern
Bei den Arbeiten von Christ & Gantenbein ist die Tendenz zu spüren, sich von modernistisch geprägten Entwurfsstrategien zu befreien und von rationalistischen Strukturen zu freieren Formen zu gelangen. Das Dogma der Rechtwinkligkeit weicht einem stärkern Bezug von Innen- und Aussenraum, und zugleich hat das Kontextuelle gegenüber dem Objekthaften Vorrang. Die «Schweizer Kiste» scheint endgültig ausgespielt zu haben; die sich durchdringenden, eingefärbten Betonkuben mit eingezogenen Loggien, die das scharfkantige Fassadenbild nicht stören, weichen anderen Bildern und Geometrien. Statt traditionell aufgereihte Räume sieht man vermehrt ausgeklügelte Raumfolgen, die sich eher an den gewandelten Bedürfnissen der Bewohner orientieren als an starken Aussenformen. Das lässt sich auch an dem jüngsten Wettbewerbserfolg des Basler Teams für die Neubebauung Volta Mitte ablesen. Unweit des neuen Novartis-Campus in Basel entsteht eine ergänzende Blockrandbebauung, nachdem die Nordtangente in der Verlängerung der Dreirosenbrücke unter die Erde verlegt werden konnte. Auch bei diesem Projekt verstanden es Christ & Gantenbein, die Jury mit einer geschickten Differenzierung zwischen einer ruhigen und geschlossenen Strassenfassade und einer aufgefalteten Hoffassade, die eine geradezu expressive Vielfalt von Wohnungsgrundrissen generiert, zu überzeugen. Durch die mehrfach geknickten Fassaden entstehen unterschiedliche Raumtiefen, die wiederum ganz verschiedene Wohnungstypen hervorbringen, ein Vorteil auch für den beteiligten Investor, der so besser dem vielfältigen Wohnungsmarkt entgegenkommen kann. Im Hof können so individuelle Gartenräume gestaltet und abgegrenzt werden, wodurch Nutzungsvielfalt generiert wird, ohne dass sich die Nachbarn gegenseitig stören. Auch der Lichteinfall ist durch die Abschrägungen der Fassade grösser, für den nach Norden liegenden Hof ein nicht zu unterschätzender Gewinn. Die Wohnungen haben immer einen zentralen Wohnessraum mit Balkon, der von den Schlaf- und Nassräumen flankiert wird. Dieses klare Prinzip erhält seine ungeheure Vielfalt erst durch die differenzierten Geometrien, deren Knickungen und Winkel 18 verschiedene Wohntypen generieren.
Konsequent und selbstbewusst
Zurzeit arbeiten Christ & Gantenbein an dem Konzept für die Kannenfeldwerkstätten in Basel. Trotz vielen Wettbewerbserfolgen stehen grössere Realisierungen bisher noch aus. Bei ihrem Erweiterungsprojekt für das Zürcher Landesmuseum führte die typologische Unbefangenheit, mit der sich Christ & Gantenbein dem Altbau näherten, beim Zürcher Heimatschutz und bei der Gesellschaft für Schweizerische Gartenkultur erwartungsgemäss zu heftigen Rekursen (NZZ 9. 2. 05). Die entwerferische Haltung von Christ & Gantenbein ist konsequent und selbstbewusst und versteckt sich hier nicht hinter dem Gullschen Historismus. Die Kontroverse wäre vielleicht nicht entstanden, wenn sich der Raumbedarf des Landesmuseums in verständlichen Grenzen gehalten hätte und damit auch das Ausmass des Anbaus. Nun müssen die Architekten für den Expansionsdrang der Museumsverantwortlichen den Kopf hinhalten. Diesen ist es bis heute nicht gelungen, überzeugende Argumente dafür zu liefern, warum das nicht eben kleine Volumen des Landesmuseums um das Doppelte erweitert werden muss. Es fragt sich, ob ein Grossteil der Bestände aus den Depots geholt und ein gewaltiges Ausstellungsprogramm gefahren werden muss, das andere Häuser in Zürich programmatisch und finanziell konkurrenzieren würde. Aber das ist eine andere Geschichte . . .
[ Christ & Gantenbein stellen ihre Arbeiten am Mittwoch, 9. November, um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich vor. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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