Veranstaltung

Fast Forward Johannesburg
Ausstellung
12. März 2005 bis 21. April 2005
Aedes East
Rosenthaler Strasse 40-41
Hackesche Höfe, Hof II
D-10178 Berlin


Veranstalter:in: Aedes am Pfefferberg
Eröffnung: Freitag, 11. März 2005, 18:30 Uhr

Das verbindende Element

Eine Berliner Schau über neue Architektur in Südafrika

1. April 2005 - Claudia Schwartz
Lange vor der Machtübernahme der National Party im Jahr 1948 prägte ethnische Segregation die rasante Entwicklung der ursprünglichen Goldgräbersiedlung Johannesburg. Aber erst die Apartheid machte aus der Trennung der Bevölkerung eine offizielle Doktrin. Städteplanung war für das Regime ein Mittel, Territorien zu schaffen und Schwarzen und Weissen bestimmte Lebensräume zuzuteilen. Mit dem Ende der Apartheid verschwanden nicht die einstigen Gebiete der Abgrenzung; auf Luftaufnahmen lässt sich die zonale Struktur der Stadt auch heute noch deutlich erkennen. Allerdings bildete sich in den letzten Jahren in den Metropolen des Landes zunehmend ein Bewusstsein dafür, dass die Veränderung auch den öffentlichen Raum erfassen, dass sich in diesem entgegen der rassenpolitischen Tradition die Idee von Freiheit, Chancengleichheit und Versöhnung verwirklichen muss: So ging mit der Entstehung einer neuen Zivilgesellschaft im ersten Jahrzehnt der Demokratie eine Neudefinition der Städteplanung einher.

Neue Raumpolitik

Die erste Ausstellung über zeitgenössische südafrikanische Architektur in Deutschland präsentiert unter dem Titel «Fast Forward Johannesburg» bereits realisierte oder in Entstehung begriffene Projekte aus Johannesburg, die den gesellschaftlichen Wandel mittragen. Zwar musste sich die Metropole im Laufe ihrer bewegten Geschichte städtebaulich immer wieder neu erfinden, aber in jüngerer Zeit schlägt sich in der Architektur die Suche nach Identität und die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Landes in besonderer Weise nieder. Konkret verband sich mit den gezeigten Entwürfen die Prämisse, ursprünglich voneinander abgegrenzte Viertel zu verbinden oder Begegnungsraum zu schaffen. Keine leichte Aufgabe, die aber im Einzelnen zu eigenwilligen architektonischen Lösungen führt, wie die ästhetisch und diskursiv vorbildliche Schau in der Berliner Galerie Aedes East belegt. Manche der Projekte könnten durchaus wegweisend für eine originäre südafrikanische Gegenwartsarchitektur sein, die nationale Tradition mit zeitgenössischer Bauweise verschmelzt. Oftmals bilden sie einen Blickfang in dem von Brüchen geprägten Erscheinungsbild, das einen schillernden Stilmix des 20. Jahrhunderts bietet - vom Berlin der zwanziger über das New York der fünfziger bis hin zum Brasilia der sechziger Jahre.

Empfangen werden die Ausstellungsbesucher in Berlin vom Modell des «Constitutional Court», der 2004 von Omm Design Workshop, Durban, zusammen mit Urban Solutions, Johannesburg, verwirklicht wurde. Das neue Verfassungsgericht symbolisiert so explizit wie unaufdringlich in Südafrikas Verfassung verankerte Werte wie Vielfalt und Chancengleichheit. So weist das in den betont nüchternen Materialien Beton und Glas gehaltene Gebäude einen ornamentalen Detailreichtum auf, der unter anderem an die neun Provinzen und elf Landessprachen Südafrikas erinnert. Die Entstehung der Architektur im Zeichen der Übergangsgesellschaft verwirklicht sich nicht nur in der neuen Funktion des ehemaligen Gefängnisstandortes, sondern auch durch öffentliche Wege, die die Innenstadt mit dem vorwiegend von Einwanderern aus anderen Regionen des Kontinents bewohnten Stadtteil Hillbrow verbinden und damit den über Jahrzehnte planerisch fundamentierten Rassismus ganz konkret überwinden.

Begegnungsorte

Eine wichtige Aufgabe kommt jenen Bauten zu, die das Chaos von Taxis, Märkten und Strassenhändlern an den Rändern der Innenstadt und in Soweto organisieren und so eine urbane Kultur etablieren. Mit dem «Bara Taxi Rank and Market» (2004-06) hat das Team Urban Solutions eine frappante Lösung für einen Busbahnhof gefunden: Die lange Arkade aus skulptural geformten Betonteilen mutet an wie ein Kunstwerk und bildet weitherum einen Blickfang und Anziehungspunkt. Während der «Faraday Market and Transport Interchange» (Albonico & Sack Architects, MMA Architects, Johannesburg, 2003) seine einfache Bedachung aus Wellblech durch eine filigrane Stahlkonstruktion in höhere Gefilde hebt und mit weit aufgespannten, gläsernen Decken den Anschluss herstellt zur internationalen Bahnhofarchitektur.

Das Apartheid-Museum (von den Johannesburger Teams Gapp Architects & Urban Designers, Mashabane Rose Architects, Britz / Roodt Partnership, Linda Mvusi Architects, 2002) entstand in enger Zusammenarbeit der Architekten mit den Museumskuratoren. Das Ergebnis zeitigt eine enge Korrespondenz der Wege und Materialien zwischen dem Innen- und dem Aussenraum und damit eine durchgehende Inszenierung im Namen der Erinnerung. Die massiven, aus Ziegeln aufgeschichteten Mauern und mit Felsbrocken verfüllten Wände aus Draht verleihen dem Gebäude eine haptische Anziehungskraft und lassen es zum Bindeglied werden in dem kaum bebauten Landstreifen zwischen der Innenstadt und Soweto.

Einen schönen Schlusspunkt setzt die Schau mit der diplomatischen Vertretung Südafrikas im Berliner Tiergarten von Mphethi Morojele Architects (MMA Architects, 2003). Es handelt sich dabei um den ersten Botschaftsneubau Südafrikas im Ausland seit 27 Jahren, der bei aller Modernität des Entwurfes mit einem dezenten Reichtum dekorativer Elemente eine Brücke schlägt zur landeseigenen Bautradition. Wo das Herzstück ein lichtdurchflutetes Atrium bildet mit einer klaren Struktur von Verbindungswegen und Ebenen, die den Mitarbeitern als Begegnungsorte dienen, wird die Architektur selbst zur Botschafterin eines demokratischen Neubeginns.

[ Bis 21. April. Katalog: Fast Forward Johannesburg. Mit Essays von Dagmar Hoetzel und Lindsey Bremner. Galerie Aedes, Berlin 2005 (ISBN: 3-937093-46-X). 49 S., Euro 10.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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