Veranstaltung
Groundswell
Ausstellung
25. Februar 2005 bis 16. Mai 2005
The Museum of Modern Art
11 West 53 Street
New York, NY 10019-5497
11 West 53 Street
New York, NY 10019-5497
Veranstalter:in: MoMA
Jenseits des Gartens
Landschaftsarchitektur in einer Ausstellung des MoMA
Das Museum of Modern Art in New York dokumentiert mit einer grossen Ausstellung die wachsende Bedeutung der Landschaftsarchitektur. Insgesamt dreiundzwanzig Projekte geben einen Eindruck von der Bandbreite der Aufgaben, die von neuen Parks auf ehemaligen Industriearealen über Stadtplätze bis hin zu ganzen Stadtvierteln reicht.
8. April 2005 - Peter Zoch
Die New Yorker brachten ihren Müll 53 Jahre lang nach Fresh Kills auf Staten Island. Heute trainieren dort Kajakfahrer ihre «Eskimorolle», und Erholungsuchende schlendern dem Ufer entlang. Das hügelige Gelände birgt zahlreiche Spielfelder und Rastplätze - ein Freizeitparadies auf Bergen stinkenden Hausmülls? Noch ist diese Vision nicht ganz Wirklichkeit. Die Landschaft muss sich noch rund 30 Jahre erholen. Natürliche Prozesse sollen das Gelände umformen, Einsaaten für neue Humusschichten sorgen. Die Pläne stammen vom New Yorker Landschaftsarchitekturbüro Field Operations. Die Stadt schloss die Deponie Anfang 2001. Doch nach dem 11. September musste sie wieder geöffnet werden. Zwei monumentale Erdskulpturen, geformt aus dem Schutt des World Trade Center, werden künftig an die Opfer des Terroranschlags erinnern.
Freiraum und Stadtgefüge
Aber ist die Idee einer Erholungslandschaft für Fresh Kills realistisch? Latz und Partner, Landschaftsarchitekten aus dem deutschen Kranzberg, zeigten mit dem Landschaftspark Duisburg Nord im Ruhrgebiet, dass ein Park auf einer Fläche, die vorher ausschliesslich der Industrie diente, möglich ist, ohne die Spuren der vorangegangenen Nutzung zu negieren. Im ehemaligen Thyssen- Stahlwerk finden Besucher heute einen Ort der Ruhe und Freizeit. Der Hochofen dient als Aussichtsturm, in den ehemaligen Sinterbecken blühen Gärten. Taucher fühlen sich im gefluteten Gasometer der Stahlhütte ebenso wohl wie Kletterer an den Wänden des Erzbunkers. Warum sollen die New Yorker es also nicht schaffen, ihre Müllhalde zum Ort der Erholung zu machen.
Dies sind nur zwei Beispiele, die zurzeit im Museum of Modern Art in New York zu sehen sind. Erstmals in seiner Geschichte widmet das MoMA zeitgenössischer Landschaftsarchitektur eine Ausstellung. Zwar fanden sich schon einmal Gärten im New Yorker Tempel der Moderne. Die Ausstellung «Roberto Burle Marx: The Unnatural Art of the Garden» im Jahr 1991 stellte aber den Künstler in den Mittelpunkt und nicht die Landschaftsarchitektur als gesellschaftliche Aufgabe. Mit der Ausstellung «Groundswell: Constructing the Contemporary Landscape» präsentiert nun der Kurator Peter Reed dreiundzwanzig zeitgenössische Projekte aus Europa, Asien, den USA sowie dem Nahen Osten und dokumentiert so die wachsende Bedeutung der Landschaftsarchitektur. Hochglanzbilder geben einen Eindruck von den Orten, genauso wie Skizzen, Modelle und kurze, ansprechende Videos. Erklärt werden die Projekte mit knappen Texten. Die professionell gestaltete Schau gliedert sich in drei thematische Blöcke: «Designing the Urban Stage», «Simulations of Nature and New Topographies» sowie «The Bad and the Beautiful».
«Designing the Urban Stage» zeigt die Wiederentdeckung des öffentlichen Raums, die Wertschätzung der Idee des traditionellen Platzes. Der Bogen spannt sich von der gekonnten Inszenierung der Leere bis zur pragmatischen Integration von öffentlichem Freiraum ins Stadtgefüge. Bei der Gestaltung des Schouwburgplein in Rotterdam machten die Landschaftsarchitekten von West 8 den Platz zur städtischen Bühne. Eine etwas erhöhte Plattform nimmt den Grossteil der Anlage ein. Die Materialien dieser Plattform - Holz, Metall und Gummi - erinnern ebenso wie die riesigen, beweglichen Lichtmasten an den Rotterdamer Hafen. Die Gestalter erwiesen somit der in Rotterdam alles dominierenden Schifffahrtsindustrie ihre Reverenz.
In Manchester zerstörte 1996 eine IRA-Bombe Teile des Zentrums. Das Londoner Büro EDAW wusste neuen Raum für Fussgänger pragmatisch in den Masterplan für den Wiederaufbau zu integrieren. Bestehende Plätze wurden aufgewertet und neue geschaffen. Auch wenn etwa die Piccadilly Gardens nicht zu den herausragendsten Beispielen zeitgenössischer Landschaftsarchitektur gehören, besticht allein schon die Tatsache, dass in einer vom Auto dominierten Stadt dem Fussgänger wieder Raum gegeben wurde. Wiederaufbau ist auch das Thema in Beirut. In der vom Bürgerkrieg zerstörten Stadt soll Hadiqat as- Samah, der Garten der Vergebung, einen symbolischen und tatsächlichen Ort der Begegnung schaffen. In ihrem Entwurf fügen die Landschaftsarchitekten Kathryn Gustafson und Neil Porter wie in einem Puzzle Pflanzen, die für unterschiedliche Regionen Libanons stehen, und archäologische Funde, die die Stadtgeschichte dokumentieren, zum ersten öffentlichen Garten der Stadt.
Von solchen Anlagen unterscheidet sich der Botanische Garten in Bordeaux, der das Thema «Simulations of Nature and New Topographies» veranschaulicht. Die Landschaftsarchitektin Catherine Mosbach baut «Natur», ohne diese zu kopieren. Für die einzelnen Bereiche des Botanischen Gartens lässt sie sich von Wildnis, Landwirtschaft und ästhetischer Natur inspirieren. Die «Galerie der Naturlandschaften» beispielsweise zeigt Pflanzen, Bodenaufbau und Topographie von elf Landschaften rund um Bordeaux. Aber die Gestalterin versucht keineswegs, diese zu imitieren, sondern stellt die Landschaftstypen wie Ausstellungsstücke auf ein Tableau und schafft so eine völlig neue Landschaft, ohne dem Besucher Originallandschaften vorzugaukeln. Schliesslich zeigt «The Bad and the Beautiful» neue Gestaltungen und Nutzungen für Industrieareale, Mülldeponien oder militärische Anlagen, die ihren ursprünglichen Zweck verloren haben.
Subjektive Auswahl
Insgesamt gibt «Groundswell» einen interessanten Überblick über zeitgenössische Landschaftsarchitektur und die Bandbreite der Aufgaben, mit denen Landschaftsarchitekten heute konfrontiert werden. Weitere Projekte in der Ausstellung sind die poetische Gestaltung für den Berliner Invalidenpark des an der ETH Zürich lehrenden Landschaftsarchitekten Christophe Girot, der «Shanghai Carpet», Entwürfe für einen Universitäts-Campus von Tom Leader aus Berkeley oder Crissy Field, die Umgestaltung eines Militärflughafens zu einem Stadtpark in San Francisco von Hargreaves Associates. - Eine Schau zusammenstellen heisst immer auch eine Auswahl treffen. Die Projekte stehen für subjektive Entscheidungen des Kurators. Es gäbe selbstverständlich noch andere ausstellungswürdige Projekte. Ausserdem fehlen grosse Vertreter des Fachs wie zum Beispiel der bekannteste Schweizer Landschaftsarchitekt, der 1998 verstorbene Dieter Kienast. Die neu geformte, streng, aber wohlkomponierte Topographie des Berggartens auf der Internationalen Gartenschau 2000 in Graz, der heute als Skulpturengarten dient, hätte zweifellos gut ins MoMA gepasst und so manches der gezeigten Projekte übertroffen.
[ Bis 16. Mai. Katalog: Groundswell. Constructing the Contemporary Landscape. Hrsg. Museum of Modern Art. New York 2005. 168 S., $ 34.95. ]
Freiraum und Stadtgefüge
Aber ist die Idee einer Erholungslandschaft für Fresh Kills realistisch? Latz und Partner, Landschaftsarchitekten aus dem deutschen Kranzberg, zeigten mit dem Landschaftspark Duisburg Nord im Ruhrgebiet, dass ein Park auf einer Fläche, die vorher ausschliesslich der Industrie diente, möglich ist, ohne die Spuren der vorangegangenen Nutzung zu negieren. Im ehemaligen Thyssen- Stahlwerk finden Besucher heute einen Ort der Ruhe und Freizeit. Der Hochofen dient als Aussichtsturm, in den ehemaligen Sinterbecken blühen Gärten. Taucher fühlen sich im gefluteten Gasometer der Stahlhütte ebenso wohl wie Kletterer an den Wänden des Erzbunkers. Warum sollen die New Yorker es also nicht schaffen, ihre Müllhalde zum Ort der Erholung zu machen.
Dies sind nur zwei Beispiele, die zurzeit im Museum of Modern Art in New York zu sehen sind. Erstmals in seiner Geschichte widmet das MoMA zeitgenössischer Landschaftsarchitektur eine Ausstellung. Zwar fanden sich schon einmal Gärten im New Yorker Tempel der Moderne. Die Ausstellung «Roberto Burle Marx: The Unnatural Art of the Garden» im Jahr 1991 stellte aber den Künstler in den Mittelpunkt und nicht die Landschaftsarchitektur als gesellschaftliche Aufgabe. Mit der Ausstellung «Groundswell: Constructing the Contemporary Landscape» präsentiert nun der Kurator Peter Reed dreiundzwanzig zeitgenössische Projekte aus Europa, Asien, den USA sowie dem Nahen Osten und dokumentiert so die wachsende Bedeutung der Landschaftsarchitektur. Hochglanzbilder geben einen Eindruck von den Orten, genauso wie Skizzen, Modelle und kurze, ansprechende Videos. Erklärt werden die Projekte mit knappen Texten. Die professionell gestaltete Schau gliedert sich in drei thematische Blöcke: «Designing the Urban Stage», «Simulations of Nature and New Topographies» sowie «The Bad and the Beautiful».
«Designing the Urban Stage» zeigt die Wiederentdeckung des öffentlichen Raums, die Wertschätzung der Idee des traditionellen Platzes. Der Bogen spannt sich von der gekonnten Inszenierung der Leere bis zur pragmatischen Integration von öffentlichem Freiraum ins Stadtgefüge. Bei der Gestaltung des Schouwburgplein in Rotterdam machten die Landschaftsarchitekten von West 8 den Platz zur städtischen Bühne. Eine etwas erhöhte Plattform nimmt den Grossteil der Anlage ein. Die Materialien dieser Plattform - Holz, Metall und Gummi - erinnern ebenso wie die riesigen, beweglichen Lichtmasten an den Rotterdamer Hafen. Die Gestalter erwiesen somit der in Rotterdam alles dominierenden Schifffahrtsindustrie ihre Reverenz.
In Manchester zerstörte 1996 eine IRA-Bombe Teile des Zentrums. Das Londoner Büro EDAW wusste neuen Raum für Fussgänger pragmatisch in den Masterplan für den Wiederaufbau zu integrieren. Bestehende Plätze wurden aufgewertet und neue geschaffen. Auch wenn etwa die Piccadilly Gardens nicht zu den herausragendsten Beispielen zeitgenössischer Landschaftsarchitektur gehören, besticht allein schon die Tatsache, dass in einer vom Auto dominierten Stadt dem Fussgänger wieder Raum gegeben wurde. Wiederaufbau ist auch das Thema in Beirut. In der vom Bürgerkrieg zerstörten Stadt soll Hadiqat as- Samah, der Garten der Vergebung, einen symbolischen und tatsächlichen Ort der Begegnung schaffen. In ihrem Entwurf fügen die Landschaftsarchitekten Kathryn Gustafson und Neil Porter wie in einem Puzzle Pflanzen, die für unterschiedliche Regionen Libanons stehen, und archäologische Funde, die die Stadtgeschichte dokumentieren, zum ersten öffentlichen Garten der Stadt.
Von solchen Anlagen unterscheidet sich der Botanische Garten in Bordeaux, der das Thema «Simulations of Nature and New Topographies» veranschaulicht. Die Landschaftsarchitektin Catherine Mosbach baut «Natur», ohne diese zu kopieren. Für die einzelnen Bereiche des Botanischen Gartens lässt sie sich von Wildnis, Landwirtschaft und ästhetischer Natur inspirieren. Die «Galerie der Naturlandschaften» beispielsweise zeigt Pflanzen, Bodenaufbau und Topographie von elf Landschaften rund um Bordeaux. Aber die Gestalterin versucht keineswegs, diese zu imitieren, sondern stellt die Landschaftstypen wie Ausstellungsstücke auf ein Tableau und schafft so eine völlig neue Landschaft, ohne dem Besucher Originallandschaften vorzugaukeln. Schliesslich zeigt «The Bad and the Beautiful» neue Gestaltungen und Nutzungen für Industrieareale, Mülldeponien oder militärische Anlagen, die ihren ursprünglichen Zweck verloren haben.
Subjektive Auswahl
Insgesamt gibt «Groundswell» einen interessanten Überblick über zeitgenössische Landschaftsarchitektur und die Bandbreite der Aufgaben, mit denen Landschaftsarchitekten heute konfrontiert werden. Weitere Projekte in der Ausstellung sind die poetische Gestaltung für den Berliner Invalidenpark des an der ETH Zürich lehrenden Landschaftsarchitekten Christophe Girot, der «Shanghai Carpet», Entwürfe für einen Universitäts-Campus von Tom Leader aus Berkeley oder Crissy Field, die Umgestaltung eines Militärflughafens zu einem Stadtpark in San Francisco von Hargreaves Associates. - Eine Schau zusammenstellen heisst immer auch eine Auswahl treffen. Die Projekte stehen für subjektive Entscheidungen des Kurators. Es gäbe selbstverständlich noch andere ausstellungswürdige Projekte. Ausserdem fehlen grosse Vertreter des Fachs wie zum Beispiel der bekannteste Schweizer Landschaftsarchitekt, der 1998 verstorbene Dieter Kienast. Die neu geformte, streng, aber wohlkomponierte Topographie des Berggartens auf der Internationalen Gartenschau 2000 in Graz, der heute als Skulpturengarten dient, hätte zweifellos gut ins MoMA gepasst und so manches der gezeigten Projekte übertroffen.
[ Bis 16. Mai. Katalog: Groundswell. Constructing the Contemporary Landscape. Hrsg. Museum of Modern Art. New York 2005. 168 S., $ 34.95. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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