Veranstaltung
Raum ist Sehnsucht.
Ausstellung
16. April 2005 bis 19. Juni 2005
DAM Deutsches Architekturmuseum
Schaumainkai (Museumsufer) 43
D-60596 Frankfurt/Main
Schaumainkai (Museumsufer) 43
D-60596 Frankfurt/Main
Veranstalter:in: Deutsches Architekturmuseum (DAM)
Eröffnung: Freitag, 15. April 2005, 19:00 Uhr
Reform des Sakralbaus
Der Architekt Dominikus Böhm in Frankfurt
Zur Zeit der Weimarer Republik war Dominikus Böhm der wichtigste Vertreter des katholischen Kirchenbaus in Deutschland. Ausgehend von der Liturgiereform, bringt er in seinen Bauten Expressionismus, Monumentalität und Moderne in Einklang. Nun widmet ihm das Deutsche Architektur-Museum in Frankfurt eine Ausstellung.
7. Mai 2005 - Hubertus Adam
Wohnbauten und Siedlungen, aber auch Schulen, Verwaltungsgebäude und Fabriken gelten als charakteristische Bauaufgaben der zwanziger Jahre in Deutschland. Dass daneben auch eine grosse Anzahl von Kirchen entstand, wurde schon von den Protagonisten des Neuen Bauens geflissentlich ignoriert: Blickt man in die Publikationen des Neuen Bauens, so sucht man nach Sakralbauten meist vergeblich. Gewiss wurzelte die architektonische Moderne in der Phase zielloser Spiritualität und Sinnsuche, welche das expressionistische Intermezzo nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs grundierte, und ebenso gewiss traten die Neuerer mit einem nachgerade messianischen Anspruch auf, die Welt zu verändern. Religion in ihrer amtskirchlichen Ausprägung passte indes schlecht zu einem Verständnis von Architektur, das Pragmatismus und Rationalität als Grundvoraussetzung zur Lösung drängender Probleme sah.
Sperrfestung im Tessinertal
Es ist denn auch signifikant, dass Walter Müller-Wulckow in seinem Bestseller «Bauten der Gemeinschaft» (1928) Kirchen an letzter Stelle behandelte - nach Rathäusern und Gewerkschaftsbauten, Stadthallen und Stadien, Kinos und Schulen. Religiöses Leben, so der Herausgeber im Vorwort, sei noch zu sehr von Problematik durchsetzt und in Frage gestellt, «als dass die Baugestaltung auf eindeutiges, klar fassbares Wollen der Gemeinden fundiert werden könne». Die Architekten suchten einerseits im romantisch- mystischen Tasten nach mittelalterlicher Überlieferung, bedienten sich andererseits moderner technischer Errungenschaften. Das Beispiel, in dem beide Stränge zusammenkommen, ist für ihn die katholische Kirche in Mainz-Bischofsheim (1926), ein Hauptwerk des Architekten Dominikus Böhm (1880-1955). In dem traditionslosen Industrieort hatte der Architekt einen kubischen, mit Ziegelstein verkleideten Bau errichtet, der im Inneren durch ein parabelförmiges Tonnengewölbe aus rohem Sichtbeton überraschte.
Dass der zwischen Archaik, Expressivität und Moderne oszillierende Bau auch Anklang bei den offiziellen Vertretern der Kirche fand, belegt der Besuch des Nuntius Eugenio Pacelli, des späteren Papstes Pius XII., im Oktober 1928. Unumstritten war der neue Kirchenbau beim hohen Klerus aber nicht. In der Silvesterpredigt des Jahres 1929 postulierte der Münchner Kardinal Faulhaber explizit eine Rückkehr zum traditionellen Kirchenbau und sprach - in Hinblick auf Bischofsheim - von einer neuen Kirche, die «eine Sperrfestung im Tessinertal sein könnte». Gleichwohl war Dominikus Böhm in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der wichtigste Vertreter des katholischen Kirchenbaus in Deutschland. Sein uvre auf den Sakralbau zu reduzieren, ist zwar falsch - Böhm widmete sich auch dem Wohn-, Industrie- und Städtebau -, doch Kirchenprojekte bilden den Schwerpunkt seines nahezu 400 Arbeiten umfassenden Gesamtwerks. Und mit den Sakralbauten setzte Böhm Massstäbe.
Eine dank ihrem reichen Originalmaterial überaus sehenswerte Ausstellung des Deutschen Architektur-Museums (DAM) in Frankfurt würdigt nun im Hinblick auf Böhms 50. Todestag am 6. August das Schaffen des Architekten. Zudem konnte das DAM vor zwei Jahren den persönlichen Nachlass des Architekten von dessen Sohn Gottfried Böhm erwerben. Neben Korrespondenz und Publikationen gelangten 548 Zeichnungen und Pläne in den Besitz des Museums; ein anderes Konvolut war schon in den siebziger Jahren vom Historischen Archiv der Stadt Köln übernommen worden. Die Fülle des Materials, aber auch die beschränkte Ausstellungsfläche machten eine strikte Auswahl nötig. Wolfgang Voigt, der sich am DAM seit Jahren beharrlich und erfolgreich der Aufarbeitung architekturgeschichtlicher Desiderate widmet, konzentriert sich zu Recht auf Böhms wichtigste Schaffensphase - und überdies auf seine Sakralbauten. Ausgeklammert bleiben die frühen Arbeiten, aber auch das Spätwerk; nach 1945 widmete sich Böhm - zum Teil mit seinem Sohn Gottfried - diversen Wiederaufbau- und Neubauprojekten, von denen insbesondere das für die Kirche Maria Königin in Köln-Marienburg zu einer Inkunabel der fünfziger Jahre wurde.
Liturgische Reformen
An der Baugewerkschule Augsburg ausgebildet und von Vorlesungen Theodor Fischers in Stuttgart inspiriert, trat der 1880 im bayrischen Schwaben geborene Dominikus Böhm erst um 1920 ins Rampenlicht der architekturinteressierten Öffentlichkeit. Kirchen hatte er seit langem bauen wollen, wie frühe Entwürfe beweisen; doch erst um 1920 konnte er Bauten realisieren, die ein neues Verständnis des Sakralraums in einer zeitgemässen, expressionistischen Formensprache formulierten: ein Benediktinerkloster im niederländischen Vaals, Kirchen in Offenbach sowie in Dettingen bei Hanau. Schon um 1914 war Böhm mit dem Gedankengut innerkirchlicher Reformer in Berührung gekommen, welche eine Erneuerung der liturgischen Praxis forderten und die Trennung zwischen Priester und Gemeinde aufheben wollten. Was erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbindlich wurde, hatten Reformer wie Romano Guardini und Johannes van Acken schon um 1918 konzipiert - einen Kirchenraum, bei dem sich die Gemeinde um drei Seiten des Altars versammelt. Van Ackens Schrift «Christozentrische Kirchenkunst» (1922) waren zwei Idealentwürfe für eine «Messopferkirche» beigegeben, die Böhm für eine Gemeinde im US-Bundesstaat Missouri gezeichnet hatte.
In Köln, wohin Böhm 1926 übersiedelt war, traf er wieder auf van Acken, der inzwischen Direktor der Caritas geworden war und nun ein Lehrkrankenhaus seiner Organisation in Köln- Hohelind plante. Böhms gewaltiges Krankenhausprojekt blieb unrealisiert, doch konnte er die Kirche ausführen (1930-32). Eine intelligente räumliche Organisation erlaubte es Kranken, Schwestern und Gemeinde, gleichzeitig dem Gottesdienst beizuwohnen. - Viele von Böhms Kirchenprojekten, die er in atmosphärischen, noch ganz dem expressionistischen Duktus verpflichteten Kohlezeichnungen skizzierte, weisen zwei Charakteristika auf: eine eindrucksvolle, bisweilen theatralische Lichtregie im Inneren - und eine monumentale Geste zur Stadt hin, für die Böhm Vorhallen mit hohen Arkadenstellungen nutzte. Seither bilden Arkadenstaffelungen ein Leitmotiv seines Oeuvre.
Die von Arkaden zwischen zwei wuchtigen Türmen geprägte Kirche in Hindenburg, dem heute polnischen Zabrze, ist Teil der Planung eines 1928-32 ausgeführten Stadtzentrums. Als ein Höhepunkt im Schaffen von Böhm wird sie im Kern der Frankfurter Ausstellung präsentiert. Noch bedeutender aber ist die Kirche St. Engelbert in Köln-Riehl (1930-32), ein zeltartiger Zentralbau aus Beton, dessen Äusseres acht puristische parabelförmige Wandscheiben aus Backstein bilden. Die Radikalität des Gebäudes missfiel den Kirchenoberen; bis nach 1945 erhielt Böhm keine Aufträge mehr aus der Kölner Diözese. Den Attacken von Seiten der NS-Kulturpolitik suchte Böhm sich anfangs durch Teilnahme an offiziellen Wettbewerben und den Beitritt in den «Kampfbund für Deutsche Kultur» zu entziehen. Schliesslich waren es vor allem die Diözesen Osnabrück und Münster, die dem Architekten Arbeit verschafften. In den dreissiger Jahren entstanden basilikale Kirchenburgen. Für Böhm waren sie wohl eher Broterwerb als Herzensangelegenheit.
[ Bis 19. Juni. Katalog: Dominikus Böhm 1880-1955. Hrsg. Wolfgang Voigt und Ingeborg Flagge. Ernst-Wasmuth-Verlag, Tübingen 2005. 200 S., Euro 32.-. ]
Sperrfestung im Tessinertal
Es ist denn auch signifikant, dass Walter Müller-Wulckow in seinem Bestseller «Bauten der Gemeinschaft» (1928) Kirchen an letzter Stelle behandelte - nach Rathäusern und Gewerkschaftsbauten, Stadthallen und Stadien, Kinos und Schulen. Religiöses Leben, so der Herausgeber im Vorwort, sei noch zu sehr von Problematik durchsetzt und in Frage gestellt, «als dass die Baugestaltung auf eindeutiges, klar fassbares Wollen der Gemeinden fundiert werden könne». Die Architekten suchten einerseits im romantisch- mystischen Tasten nach mittelalterlicher Überlieferung, bedienten sich andererseits moderner technischer Errungenschaften. Das Beispiel, in dem beide Stränge zusammenkommen, ist für ihn die katholische Kirche in Mainz-Bischofsheim (1926), ein Hauptwerk des Architekten Dominikus Böhm (1880-1955). In dem traditionslosen Industrieort hatte der Architekt einen kubischen, mit Ziegelstein verkleideten Bau errichtet, der im Inneren durch ein parabelförmiges Tonnengewölbe aus rohem Sichtbeton überraschte.
Dass der zwischen Archaik, Expressivität und Moderne oszillierende Bau auch Anklang bei den offiziellen Vertretern der Kirche fand, belegt der Besuch des Nuntius Eugenio Pacelli, des späteren Papstes Pius XII., im Oktober 1928. Unumstritten war der neue Kirchenbau beim hohen Klerus aber nicht. In der Silvesterpredigt des Jahres 1929 postulierte der Münchner Kardinal Faulhaber explizit eine Rückkehr zum traditionellen Kirchenbau und sprach - in Hinblick auf Bischofsheim - von einer neuen Kirche, die «eine Sperrfestung im Tessinertal sein könnte». Gleichwohl war Dominikus Böhm in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der wichtigste Vertreter des katholischen Kirchenbaus in Deutschland. Sein uvre auf den Sakralbau zu reduzieren, ist zwar falsch - Böhm widmete sich auch dem Wohn-, Industrie- und Städtebau -, doch Kirchenprojekte bilden den Schwerpunkt seines nahezu 400 Arbeiten umfassenden Gesamtwerks. Und mit den Sakralbauten setzte Böhm Massstäbe.
Eine dank ihrem reichen Originalmaterial überaus sehenswerte Ausstellung des Deutschen Architektur-Museums (DAM) in Frankfurt würdigt nun im Hinblick auf Böhms 50. Todestag am 6. August das Schaffen des Architekten. Zudem konnte das DAM vor zwei Jahren den persönlichen Nachlass des Architekten von dessen Sohn Gottfried Böhm erwerben. Neben Korrespondenz und Publikationen gelangten 548 Zeichnungen und Pläne in den Besitz des Museums; ein anderes Konvolut war schon in den siebziger Jahren vom Historischen Archiv der Stadt Köln übernommen worden. Die Fülle des Materials, aber auch die beschränkte Ausstellungsfläche machten eine strikte Auswahl nötig. Wolfgang Voigt, der sich am DAM seit Jahren beharrlich und erfolgreich der Aufarbeitung architekturgeschichtlicher Desiderate widmet, konzentriert sich zu Recht auf Böhms wichtigste Schaffensphase - und überdies auf seine Sakralbauten. Ausgeklammert bleiben die frühen Arbeiten, aber auch das Spätwerk; nach 1945 widmete sich Böhm - zum Teil mit seinem Sohn Gottfried - diversen Wiederaufbau- und Neubauprojekten, von denen insbesondere das für die Kirche Maria Königin in Köln-Marienburg zu einer Inkunabel der fünfziger Jahre wurde.
Liturgische Reformen
An der Baugewerkschule Augsburg ausgebildet und von Vorlesungen Theodor Fischers in Stuttgart inspiriert, trat der 1880 im bayrischen Schwaben geborene Dominikus Böhm erst um 1920 ins Rampenlicht der architekturinteressierten Öffentlichkeit. Kirchen hatte er seit langem bauen wollen, wie frühe Entwürfe beweisen; doch erst um 1920 konnte er Bauten realisieren, die ein neues Verständnis des Sakralraums in einer zeitgemässen, expressionistischen Formensprache formulierten: ein Benediktinerkloster im niederländischen Vaals, Kirchen in Offenbach sowie in Dettingen bei Hanau. Schon um 1914 war Böhm mit dem Gedankengut innerkirchlicher Reformer in Berührung gekommen, welche eine Erneuerung der liturgischen Praxis forderten und die Trennung zwischen Priester und Gemeinde aufheben wollten. Was erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbindlich wurde, hatten Reformer wie Romano Guardini und Johannes van Acken schon um 1918 konzipiert - einen Kirchenraum, bei dem sich die Gemeinde um drei Seiten des Altars versammelt. Van Ackens Schrift «Christozentrische Kirchenkunst» (1922) waren zwei Idealentwürfe für eine «Messopferkirche» beigegeben, die Böhm für eine Gemeinde im US-Bundesstaat Missouri gezeichnet hatte.
In Köln, wohin Böhm 1926 übersiedelt war, traf er wieder auf van Acken, der inzwischen Direktor der Caritas geworden war und nun ein Lehrkrankenhaus seiner Organisation in Köln- Hohelind plante. Böhms gewaltiges Krankenhausprojekt blieb unrealisiert, doch konnte er die Kirche ausführen (1930-32). Eine intelligente räumliche Organisation erlaubte es Kranken, Schwestern und Gemeinde, gleichzeitig dem Gottesdienst beizuwohnen. - Viele von Böhms Kirchenprojekten, die er in atmosphärischen, noch ganz dem expressionistischen Duktus verpflichteten Kohlezeichnungen skizzierte, weisen zwei Charakteristika auf: eine eindrucksvolle, bisweilen theatralische Lichtregie im Inneren - und eine monumentale Geste zur Stadt hin, für die Böhm Vorhallen mit hohen Arkadenstellungen nutzte. Seither bilden Arkadenstaffelungen ein Leitmotiv seines Oeuvre.
Die von Arkaden zwischen zwei wuchtigen Türmen geprägte Kirche in Hindenburg, dem heute polnischen Zabrze, ist Teil der Planung eines 1928-32 ausgeführten Stadtzentrums. Als ein Höhepunkt im Schaffen von Böhm wird sie im Kern der Frankfurter Ausstellung präsentiert. Noch bedeutender aber ist die Kirche St. Engelbert in Köln-Riehl (1930-32), ein zeltartiger Zentralbau aus Beton, dessen Äusseres acht puristische parabelförmige Wandscheiben aus Backstein bilden. Die Radikalität des Gebäudes missfiel den Kirchenoberen; bis nach 1945 erhielt Böhm keine Aufträge mehr aus der Kölner Diözese. Den Attacken von Seiten der NS-Kulturpolitik suchte Böhm sich anfangs durch Teilnahme an offiziellen Wettbewerben und den Beitritt in den «Kampfbund für Deutsche Kultur» zu entziehen. Schliesslich waren es vor allem die Diözesen Osnabrück und Münster, die dem Architekten Arbeit verschafften. In den dreissiger Jahren entstanden basilikale Kirchenburgen. Für Böhm waren sie wohl eher Broterwerb als Herzensangelegenheit.
[ Bis 19. Juni. Katalog: Dominikus Böhm 1880-1955. Hrsg. Wolfgang Voigt und Ingeborg Flagge. Ernst-Wasmuth-Verlag, Tübingen 2005. 200 S., Euro 32.-. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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