Veranstaltung
Biennale Sao Paulo
Ausstellung
22. Oktober 2005 bis 11. Dezember 2005
Bienal de Arquitetura São Paulo
Ciccillio Matarazzo Pavillion
Parque do Ibirapuera Portão-Gate 2
São Paulo, Brasilien
Ciccillio Matarazzo Pavillion
Parque do Ibirapuera Portão-Gate 2
São Paulo, Brasilien
Veranstalter:in: Fundação Bienal de São Paulo, Instituto de Arquitetos do Brasil
Die Stadt als Lebensraum
Sechste Internationale Architekturbiennale von São Paulo
25. November 2005 - Rahel Marti
Nach Anfängen, die bis ins Jahr 1973 zurückreichen, wird die Bienal Internacional de Arquitetura de São Paulo (BIA) seit 1997 regelmässig durchgeführt. Da aber diese für Südamerika wichtige Architekturbiennale weder von der brasilianischen Regierung noch vom Teilstaat São Paulo finanziell unterstützt wird, müssen die Veranstalter mit einem vergleichsweise bescheidenen Budget von knapp zwei Millionen Franken auskommen. Dieses setzt sich zusammen aus Beiträgen der Stadt São Paulo, des brasilianischen Architekturinstituts, der Biennalestiftung sowie privater Sponsoren. Die von Pedro Cury und Gilberto Belleza kuratierte sechste Architekturbiennale befasst sich mit dem Thema «Viver na Cidade» oder «Leben in der Stadt». Sie zeigt rund 1000 Bauten und Projekte. Insgesamt dreizehn Länder beteiligen sich an der Veranstaltung. Dazu kommen zwölf Präsentationen eingeladener Architekten sowie Spezialausstellungen. Diese reichen von Entwicklungsprojekten in Slums bis zum künstlerischen Schaffen Le Corbusiers.
Produzieren statt studieren
Obwohl man in São Paulo den internationalen Austausch sucht, sehen die Veranstalter die Hauptaufgabe der Biennale darin, den Brasilianern Architektur näherzubringen. Obwohl gute Architektur in Brasilien noch immer rar ist und das Metier wenig Anerkennung geniesst, soll die Biennale 2003 von 200 000 Menschen besucht worden sein, von denen über die Hälfte beruflich nicht direkt mit Architektur oder Design zu tun hatten. Im Zentrum der Grossveranstaltung stehen trotz dem Attribut «international» hauptsächlich brasilianische Beiträge. Infrastrukturprojekte von Staat und Stadt São Paulo - etwa der Bau zweier neuer Metrolinien - nehmen das Erdgeschoss von Oscar Niemeyers barock bewegter Ausstellungshalle ein. Daneben sticht ein Bauvorhaben für 72 neue Schulen im Staat São Paulo hervor, deren Planung zum Teil jüngeren Büros übertragen wurde. Hier begegnet man einigen der überzeugendsten architektonischen Arbeiten der Biennale überhaupt - etwa den durch einen konsequenten Einsatz von Material, Farbe und Licht gekennzeichneten Bauten von MMBB Arquitetos oder Una Arquitetos aus São Paulo.
Im Obergeschoss kann man rund 200 brasilianische Büros kennen lernen. Hier zeigt es sich, dass Architektur machen in Brasilien vor allem bauen heisst, denn nur wenige Architekten arbeiten konzeptionell und prozessorientiert. Dafür fehle die Zeit in einer rasant wachsenden Stadt wie São Paulo. Allerdings realisierten vor wenigen Jahrzehnten noch Architekten wie Artigas, Mendes da Rocha oder Lina Bo Bardi kraftvolle, den öffentlichen Raum bestimmende Bauten. Solch ortsspezifische Baukunst findet man heute kaum mehr. Die Mehrheit der ausgestellten Architekten wuselt quer durch die Stilwelt, vom weissen Edelmodernismus über freudiges Form- und Farbengebastel bis hin zur abgeklärten Reduktion. Prägende Themen sind nicht auszumachen; wenn etwas die brasilianische Architektur charakterisiert, dann ist es wohl die Richtungslosigkeit.
Herausfordernde «Swiscity»
Den Übertritt zum internationalen Ausstellungsteil spürt man daher sofort. Unter den Länderbeiträgen sind jene Deutschlands und Frankreichs die gehaltvollsten. Während Singapur seine Urbanität in Filmen und Zahlen zelebriert, zeigen andere Länder mehr oder weniger gelungene Übersichtsausstellungen. Auch die zwölf Gastarchitekten verweilten nicht lange beim Thema «Leben in der Stadt». Von Hans Hollein über Eduardo Souto de Moura bis Richard Meier präsentieren alle, wie kaum anders zu erwarten, das eigene Werk.
Und die Schweiz? Sie ist offiziell nicht vertreten, denn die Einladung der BIA ist laut Bundesamt für Kultur zu kurzfristig eingetroffen. So ist denn der Pavillon «Swiscity», den das junge Basler Büro Jessen & Vollenweider zusammen mit Ottoni Arquitetos (São Paulo) ausgeführt hat, die einzige Schweizer Produktion. Eine Produktion allerdings, die auffällt. Subversiv-schöne Digitalfilme führen Szenarien für neun charakteristische Orte der Stadtlandschaft Schweiz vor Augen. Am Beispiel von Zug etwa wird dargestellt, wie es aussähe, wenn die bevorzugten Wohnlagen mit Hochhäusern verdichtet würden, die tatsächlich Seesicht für alle böten. Oder wenn sich die Gegend aufgrund eines wirtschaftlichen Niedergangs in die Idylle von einst zurückverwandeln würde.
Zukunft nach Wahl
«Choose your future», fordern Jessen & Vollenweider und fragen die Besucher: Mehr Stadt, mehr Natur oder weitermachen wie bisher in der Schweiz? Der Pavillon erhielt einen prominenten Platz, und gar das bekannteste Stadtmagazin São Paulos empfiehlt den Besuch. Zusammen mit dem «Arquiteto suiço» Le Corbusier ist unser Land also doch gut und dabei quasi gratis vertreten. Umso mehr ist zu hoffen, dass die Schweiz an der nächsten Ausgabe wieder offiziell teilnimmt - der Architekturbiennale und sich selbst zuliebe. Denn wer lässt sich schon eine Selbstinszenierung vor einem Publikum von 200 000 überwiegend jungen Menschen einfach so entgehen?
[ Bis 11. Dezember im Ibirapuera-Park (Porão das Artes) von São Paulo. Ein Katalog ist in Vorbereitung. ]
Produzieren statt studieren
Obwohl man in São Paulo den internationalen Austausch sucht, sehen die Veranstalter die Hauptaufgabe der Biennale darin, den Brasilianern Architektur näherzubringen. Obwohl gute Architektur in Brasilien noch immer rar ist und das Metier wenig Anerkennung geniesst, soll die Biennale 2003 von 200 000 Menschen besucht worden sein, von denen über die Hälfte beruflich nicht direkt mit Architektur oder Design zu tun hatten. Im Zentrum der Grossveranstaltung stehen trotz dem Attribut «international» hauptsächlich brasilianische Beiträge. Infrastrukturprojekte von Staat und Stadt São Paulo - etwa der Bau zweier neuer Metrolinien - nehmen das Erdgeschoss von Oscar Niemeyers barock bewegter Ausstellungshalle ein. Daneben sticht ein Bauvorhaben für 72 neue Schulen im Staat São Paulo hervor, deren Planung zum Teil jüngeren Büros übertragen wurde. Hier begegnet man einigen der überzeugendsten architektonischen Arbeiten der Biennale überhaupt - etwa den durch einen konsequenten Einsatz von Material, Farbe und Licht gekennzeichneten Bauten von MMBB Arquitetos oder Una Arquitetos aus São Paulo.
Im Obergeschoss kann man rund 200 brasilianische Büros kennen lernen. Hier zeigt es sich, dass Architektur machen in Brasilien vor allem bauen heisst, denn nur wenige Architekten arbeiten konzeptionell und prozessorientiert. Dafür fehle die Zeit in einer rasant wachsenden Stadt wie São Paulo. Allerdings realisierten vor wenigen Jahrzehnten noch Architekten wie Artigas, Mendes da Rocha oder Lina Bo Bardi kraftvolle, den öffentlichen Raum bestimmende Bauten. Solch ortsspezifische Baukunst findet man heute kaum mehr. Die Mehrheit der ausgestellten Architekten wuselt quer durch die Stilwelt, vom weissen Edelmodernismus über freudiges Form- und Farbengebastel bis hin zur abgeklärten Reduktion. Prägende Themen sind nicht auszumachen; wenn etwas die brasilianische Architektur charakterisiert, dann ist es wohl die Richtungslosigkeit.
Herausfordernde «Swiscity»
Den Übertritt zum internationalen Ausstellungsteil spürt man daher sofort. Unter den Länderbeiträgen sind jene Deutschlands und Frankreichs die gehaltvollsten. Während Singapur seine Urbanität in Filmen und Zahlen zelebriert, zeigen andere Länder mehr oder weniger gelungene Übersichtsausstellungen. Auch die zwölf Gastarchitekten verweilten nicht lange beim Thema «Leben in der Stadt». Von Hans Hollein über Eduardo Souto de Moura bis Richard Meier präsentieren alle, wie kaum anders zu erwarten, das eigene Werk.
Und die Schweiz? Sie ist offiziell nicht vertreten, denn die Einladung der BIA ist laut Bundesamt für Kultur zu kurzfristig eingetroffen. So ist denn der Pavillon «Swiscity», den das junge Basler Büro Jessen & Vollenweider zusammen mit Ottoni Arquitetos (São Paulo) ausgeführt hat, die einzige Schweizer Produktion. Eine Produktion allerdings, die auffällt. Subversiv-schöne Digitalfilme führen Szenarien für neun charakteristische Orte der Stadtlandschaft Schweiz vor Augen. Am Beispiel von Zug etwa wird dargestellt, wie es aussähe, wenn die bevorzugten Wohnlagen mit Hochhäusern verdichtet würden, die tatsächlich Seesicht für alle böten. Oder wenn sich die Gegend aufgrund eines wirtschaftlichen Niedergangs in die Idylle von einst zurückverwandeln würde.
Zukunft nach Wahl
«Choose your future», fordern Jessen & Vollenweider und fragen die Besucher: Mehr Stadt, mehr Natur oder weitermachen wie bisher in der Schweiz? Der Pavillon erhielt einen prominenten Platz, und gar das bekannteste Stadtmagazin São Paulos empfiehlt den Besuch. Zusammen mit dem «Arquiteto suiço» Le Corbusier ist unser Land also doch gut und dabei quasi gratis vertreten. Umso mehr ist zu hoffen, dass die Schweiz an der nächsten Ausgabe wieder offiziell teilnimmt - der Architekturbiennale und sich selbst zuliebe. Denn wer lässt sich schon eine Selbstinszenierung vor einem Publikum von 200 000 überwiegend jungen Menschen einfach so entgehen?
[ Bis 11. Dezember im Ibirapuera-Park (Porão das Artes) von São Paulo. Ein Katalog ist in Vorbereitung. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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