Veranstaltung
Raum und Religion
Ausstellung
27. November 2005 bis 12. Februar 2006
Kunsthalle Krems, Galerieräume
Franz-Zeller-Platz
A-3504 Krems
Franz-Zeller-Platz
A-3504 Krems
Eröffnung: Samstag, 26. November 2005, 16:00 Uhr
Es werde Raum
Gelegentlich treibt es sogar einen Ungläubigen in die Kirche. Das liegt mit- unter eher an der Kunst und Architektur denn an einem frommen Bedürfnis. Wojciech Czaja hat sich einweihen lassen
9. Dezember 2005
Der Sprung von der Gotterie zur Bigotterie war in der christlichen Kirche noch nie ein großer. Nach außen wird baulich repräsentiert, was das Zeug hält - im Inneren der Institution aber kriselte es immer wieder. Hier die Inquisition, dort die Missionierung. Hinter der schmucken Fassade des hingebungsvollen Glaubens fand schon so manche Sünde statt.
Davon ist auch Regisseur Peter Greenaway überzeugt, der in seinem filmischen Drama „Das Wunder von Macon“ (1993) alles Geahnte und Befürchtete schamlos zur Schau stellt und dem Publikum statt vermeintlich geglaubter Jungfräulichkeit beinharte Korruption und schließlich auch noch ein Baby liefert - das titelstiftende Wunder eben.
Ja, der Film gilt dem Barock, das ist lange her. Und es ist nur ein Film. Doch auch die Lügen rund um Kinderspielereien, Bubendummheiten und Weihnachtsküsse der jüngsten Zeit haben der Kirche zugesetzt, keine Frage. Unter diesen Gesichtspunkten ist es einmal mehr nur allzu verständlich, dass der Kirchenbau, einst die Königs-bzw. Kardinalsdisziplin der Architektur, sich seit der himmelwärts strebenden Gotik und dem einst bombastischen Barock weit zurückgenommen hat.
Heute ist der Kirchenbau zu einem exotischen Randgebiet verfallen - interessant zwar, doch längst nicht mehr Mittelpunkt von baumeisterlicher Disziplin und architektonischer Träumerei.
Doch endlich darf wieder ein bisschen geträumt werden. Mit den ökumenisch öden Mehrzweckräumen der Achtzigerjahre ist es endgültig vorbei. Für den allmächtigen Bauherrn da oben schöpft man seit ein paar Jahren aus dem Kreativitätsfundus endlich wieder so manch außerordentlichen Bau. „Die österreichischen Diözesanbauämter“, so fasst Franziska Leeb, Leiterin des niederösterreichischen Architekturnetzwerks Orte zusammen, „scheinen durchwegs darum bemüht, mittels Wettbewerben qualitätsvolle und innovative Projekte zu erlangen.“ Dennoch sei es manchmal ein großes Unterfangen, die Meinung architektonischer Fachleute mit jenen von Pfarrern und Gemeinden unter einen Heiligenschein zu bringen.
Doch es geht, zahlreiche Beispiele im In- und Ausland beweisen das nur allzu gut. Jemanden mit offenen Armen zu empfangen, das ist ein wahrlich christlicher Wert. Zu dieser einladenden Geste war aber nicht nur Jesus seinen zwölf Aposteln gegenüber imstande, seit nunmehr fünf Jahren beherrscht das auch ein Gebäude in München. Herz-Jesu-Kirche nennt sich das Werk der Architektengruppe Allmann Sattler Wappner. Was auf den ersten Blick wie ein hermetisch abgeschlossener Kubus wirkt, entfaltet sich - sic! - bei näherer Betrachtung als städte- und gottesbauliches Hallo.
An manchen Sonntagen kann man Zeuge eines gestikulativen Spektakels sein, wenn sich die 16 Meter hohe Hauptfassade als Riesentor entpuppt. Langsam, aber doch öffnet sich das monströse Portal, empfängt seine Besucher schließlich mit offenen Armen. Noch einmal heranzoomen, und das anfänglich dunkel geglaubte Glas stellt sich als facettenreiches Kunstwerk von Alexander Beleschenko heraus. Hunderte, vielleicht tausende kleiner Nägel zieren jede einzelne Glasscheibe.
Dass man unter klirrend kalten Umständen im Winter mit der Obrigkeit vielleicht etwas ungern ins Gespräch tritt, das dachte sich das Architekturbüro Luger & Maul. Mit seinem Niedrigenergiekonzept für die Pfarre St. Franziskus in Wels konnte es den ausgeschriebenen Wettbewerb für sich entscheiden. Ein ausgeklügeltes Klimakonzept schafft den Spagat zwischen Bauphysik und psychischer Wohlfühlwärme; mit Schiebeelementen an Wand und Decke kann das intelligente Kirchengebäude nicht nur selbstständig auf Wind und Wetter reagieren, sondern ändert dabei auch noch die jeweilige Raumstimmung.
Wahlweise wohnzimmerliche Stimmung mit Blick auf Baum oder sakrale Schummrigkeit mit gezielter Beleuchtung. Dann wiederum besteht die Wahl zwischen natürlich durchsickerndem Sonnenlicht und künstlicher Hinterbeleuchtung der mobilen Wände und Decken. Einem dynamischen Gottesdienst steht nichts mehr im Wege.
Bemerkenswert auch: Dieser Kirchenraum ist tatsächlich knallrot. Und wahrscheinlich ist dies auch die einzige Pfarre Mitteleuropas, die sich nicht damit zufrieden gibt, die Liednummern des Gotteslobs mittels verrunzelter Kärtchen unter das Volk zu bringen. Stattdessen stehen hier Plasmascreens hinter vollelektronischen Klapptürchen im Dienste der gesanglichen Aufforderung.
Doch man muss nicht gleich ein ganzes Gotteshaus von der Stange brechen, um originell zu sein. Mit einer kleinen Hostienschale geht's auch. Gustav Schörghofer, Pater in der Wiener Jesuitenkirche, bringt alle heiligen Zeiten einmal frischen Wind in seine Pfarre und schreibt einen künstlerischen Wettbewerb für dies und das aus. Mit den liturgischen Geräten des Künstlers Manfred Erjautz sorgte er für Aufregung der etwas verspielteren Art.
Teilweise transparent, teilweise sogar recht bunt kommen Kelch und Hostienschale in Lego daher. Eine Ode an Kapitalismus und Konsum? „Man darf nicht übersehen, dass bei Lego auch die Konnotation der Kindheit und des Spielens mitschwingt“, erklärt der Jesuitenpater, und schließlich wolle man ja den Wein und das Brot Christi auch konsumieren. Beschwingt und erfrischend anders. Vergelt's Gott!
[ Ausstellungstipp: Raum und Religion. Europäische Positionen
im Sakralbau. Zu sehen bis 12. Februar 2006 täglich 10 bis 17 Uhr
in der Kunsthalle Krems. ]
Davon ist auch Regisseur Peter Greenaway überzeugt, der in seinem filmischen Drama „Das Wunder von Macon“ (1993) alles Geahnte und Befürchtete schamlos zur Schau stellt und dem Publikum statt vermeintlich geglaubter Jungfräulichkeit beinharte Korruption und schließlich auch noch ein Baby liefert - das titelstiftende Wunder eben.
Ja, der Film gilt dem Barock, das ist lange her. Und es ist nur ein Film. Doch auch die Lügen rund um Kinderspielereien, Bubendummheiten und Weihnachtsküsse der jüngsten Zeit haben der Kirche zugesetzt, keine Frage. Unter diesen Gesichtspunkten ist es einmal mehr nur allzu verständlich, dass der Kirchenbau, einst die Königs-bzw. Kardinalsdisziplin der Architektur, sich seit der himmelwärts strebenden Gotik und dem einst bombastischen Barock weit zurückgenommen hat.
Heute ist der Kirchenbau zu einem exotischen Randgebiet verfallen - interessant zwar, doch längst nicht mehr Mittelpunkt von baumeisterlicher Disziplin und architektonischer Träumerei.
Doch endlich darf wieder ein bisschen geträumt werden. Mit den ökumenisch öden Mehrzweckräumen der Achtzigerjahre ist es endgültig vorbei. Für den allmächtigen Bauherrn da oben schöpft man seit ein paar Jahren aus dem Kreativitätsfundus endlich wieder so manch außerordentlichen Bau. „Die österreichischen Diözesanbauämter“, so fasst Franziska Leeb, Leiterin des niederösterreichischen Architekturnetzwerks Orte zusammen, „scheinen durchwegs darum bemüht, mittels Wettbewerben qualitätsvolle und innovative Projekte zu erlangen.“ Dennoch sei es manchmal ein großes Unterfangen, die Meinung architektonischer Fachleute mit jenen von Pfarrern und Gemeinden unter einen Heiligenschein zu bringen.
Doch es geht, zahlreiche Beispiele im In- und Ausland beweisen das nur allzu gut. Jemanden mit offenen Armen zu empfangen, das ist ein wahrlich christlicher Wert. Zu dieser einladenden Geste war aber nicht nur Jesus seinen zwölf Aposteln gegenüber imstande, seit nunmehr fünf Jahren beherrscht das auch ein Gebäude in München. Herz-Jesu-Kirche nennt sich das Werk der Architektengruppe Allmann Sattler Wappner. Was auf den ersten Blick wie ein hermetisch abgeschlossener Kubus wirkt, entfaltet sich - sic! - bei näherer Betrachtung als städte- und gottesbauliches Hallo.
An manchen Sonntagen kann man Zeuge eines gestikulativen Spektakels sein, wenn sich die 16 Meter hohe Hauptfassade als Riesentor entpuppt. Langsam, aber doch öffnet sich das monströse Portal, empfängt seine Besucher schließlich mit offenen Armen. Noch einmal heranzoomen, und das anfänglich dunkel geglaubte Glas stellt sich als facettenreiches Kunstwerk von Alexander Beleschenko heraus. Hunderte, vielleicht tausende kleiner Nägel zieren jede einzelne Glasscheibe.
Dass man unter klirrend kalten Umständen im Winter mit der Obrigkeit vielleicht etwas ungern ins Gespräch tritt, das dachte sich das Architekturbüro Luger & Maul. Mit seinem Niedrigenergiekonzept für die Pfarre St. Franziskus in Wels konnte es den ausgeschriebenen Wettbewerb für sich entscheiden. Ein ausgeklügeltes Klimakonzept schafft den Spagat zwischen Bauphysik und psychischer Wohlfühlwärme; mit Schiebeelementen an Wand und Decke kann das intelligente Kirchengebäude nicht nur selbstständig auf Wind und Wetter reagieren, sondern ändert dabei auch noch die jeweilige Raumstimmung.
Wahlweise wohnzimmerliche Stimmung mit Blick auf Baum oder sakrale Schummrigkeit mit gezielter Beleuchtung. Dann wiederum besteht die Wahl zwischen natürlich durchsickerndem Sonnenlicht und künstlicher Hinterbeleuchtung der mobilen Wände und Decken. Einem dynamischen Gottesdienst steht nichts mehr im Wege.
Bemerkenswert auch: Dieser Kirchenraum ist tatsächlich knallrot. Und wahrscheinlich ist dies auch die einzige Pfarre Mitteleuropas, die sich nicht damit zufrieden gibt, die Liednummern des Gotteslobs mittels verrunzelter Kärtchen unter das Volk zu bringen. Stattdessen stehen hier Plasmascreens hinter vollelektronischen Klapptürchen im Dienste der gesanglichen Aufforderung.
Doch man muss nicht gleich ein ganzes Gotteshaus von der Stange brechen, um originell zu sein. Mit einer kleinen Hostienschale geht's auch. Gustav Schörghofer, Pater in der Wiener Jesuitenkirche, bringt alle heiligen Zeiten einmal frischen Wind in seine Pfarre und schreibt einen künstlerischen Wettbewerb für dies und das aus. Mit den liturgischen Geräten des Künstlers Manfred Erjautz sorgte er für Aufregung der etwas verspielteren Art.
Teilweise transparent, teilweise sogar recht bunt kommen Kelch und Hostienschale in Lego daher. Eine Ode an Kapitalismus und Konsum? „Man darf nicht übersehen, dass bei Lego auch die Konnotation der Kindheit und des Spielens mitschwingt“, erklärt der Jesuitenpater, und schließlich wolle man ja den Wein und das Brot Christi auch konsumieren. Beschwingt und erfrischend anders. Vergelt's Gott!
[ Ausstellungstipp: Raum und Religion. Europäische Positionen
im Sakralbau. Zu sehen bis 12. Februar 2006 täglich 10 bis 17 Uhr
in der Kunsthalle Krems. ]
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