Veranstaltung

Lessons from Bernard Rudofsky
Ausstellung
8. März 2007 bis 28. Mai 2007
Architekturzentrum Wien - Alte Halle
Museumsplatz 1
A-1070 Wien


Veranstalter:in: Architekturzentrum Wien
Eröffnung: Mittwoch, 7. März 2007, 19:00 Uhr

Häuser für Menschen

Das Wiener Architekturzentrum zeigt eine Werkschau zu Bernard Rudofsky

10. März 2007 - Paul Jandl
«Dem unbekannten Fussgänger» hat der österreichische Architekt Bernard Rudofsky sein 1969 erschienenes Buch «Strassen für Menschen» gewidmet. Wenn schon der Titel Programm war, dann war es diese Zueignung nicht weniger. Rudofskys Kunst war anthropologisch und damit antielitär. Sie lag quer zu allem, was sich im Metier der Architektur durch grosse Bauten auf den Punkt gebracht hatte. Und das nicht nur deshalb, weil nur wenige der Projekte dieses originären Theoretikers verwirklicht wurden. Wenn das Wiener Architekturzentrum den 1988 verstorbenen Architekten jetzt mit einer grossen Ausstellung ehrt, dann ist das eine Hommage an einen Unbequemen, der in seinen Büchern und in Ausstellungen das Feld der Architektur weit öffnete. Aus seinem Werk kann gelernt werden: «Lessons from Bernard Rudofsky» nennt sich die Schau, die gemeinsam mit dem Getty Research Institute in Los Angeles und dem Canadian Centre for Architecture in Montreal gestaltet wurde.
Praktisches und sinnliches Vergnügen

Ähnlich wie Adolf Loos, dessen Texte sich mit der Ideologie von Herrenhüten und von Fussbekleidung oder mit «kurzen Haaren» beschäftigten, hat Rudofsky das unmittelbare Lebensumfeld des Menschen als einen erweiterten und gestaltbaren Raum begriffen. Wenn sein österreichischer Architektenkollege Adolf Loos ein konservativer Avantgardist war, einer, dem die Ursprünglichkeit des Handwerks über alle architektonische und kunsthandwerkliche Eitelkeit ging, dann ist Bernard Rudofsky ohne Zweifel einer seiner avanciertesten Nachfolger. Von der ungemütlichen Pädagogik einer modernistischen Kunst, die den Menschen zu seinem Glück zwingen will, hat Rudofsky nichts gehalten. Seine Reisen, die ihn seit der Studentenzeit quer über den Globus geführt haben, waren ihm Anschauungsmaterial für den einen exemplarischen Grundriss. Im Mittelpunkt: der Mensch. Zum praktischen und sinnlichen Vergnügen sollten die Häuser da sein, die Rudofsky plante. Die pompejanische Villa mit ihrer quadratischen Anlange und dem Hof in der Mitte schien ihm ein frühes architektonisches Ideal zu sein, in dem der menschliche Körper mit seinen funktionalen Bedürfnissen eingeschrieben war. Die Ausstellung zeigt einen prototypischen Entwurf, bei dem auch der Patio nicht fehlt. 1932 hat Rudofsky die Planungen für das Haus B. auf Capri begonnen.

«Architecture without Architects» hiess die epochale Schau, die Bernard Rudofsky 1964 für das New Yorker Museum of Modern Art gestaltete. Es war ein enzyklopädischer Bericht aus der Geschichte menschlicher Behausung und eine spannende Reminiszenz an das Interesse der Moderne für anonymes, tradiertes Bauen. «Architektur ist nicht nur eine Frage der Technik und Ästhetik, sondern der Rahmen für eine - im besten Fall vernünftige - Lebensweise», hat Rudofsky einmal in einem Vortrag angemerkt. Ob in der Gegenwart oder in kulturgeschichtlichen Vergangenheiten, ob auf den Kykladen, auf Capri oder in Japan - Bernard Rudofsky hat nach jenen anthropologischen Konstanten gesucht, die für das moderne Bauen fruchtbar gemacht werden konnten.

Intimität und Offenheit

1905 im mährischen Zauchtl geboren, kam Rudofsky in Wien mit einem architektonischen Akademismus in Berührung, von dem er sich aber nach dem Studium rasch befreien konnte. Als Mitarbeiter des Büros Theiss & Jaksch war er ab 1930 an der Planung des formstrengen Hochhauses in der Wiener Herrengasse beteiligt. 1932 geht Rudofsky nach Italien, das zu seinem mediterranen Sehnsuchtsland wird. Ab 1935 verwirklicht der Architekt gemeinsam mit Luigi Cosenza an der Meeresküste von Neapel eines seiner Hauptwerke, die Casa Oro. Auf das schmale Grundstück an einem steilen Hang setzt Rudofsky ein langgezogenes Gebäude, das aus mehreren, gegeneinander versetzten Würfeln besteht. Intimität und Offenheit prägen das Haus, das bei weitem nicht das kompromissloseste im Werk des Architekten ist. Seine Ideen zu offenen Wohngärten blieben ebenso unverwirklicht wie das manifestartige Projekt der Casa Procida (1935) oder die als Hotel entworfene Casa Campanella aus den späten dreissiger Jahren.

Wenn Bernard Rudofsky über sich sagt, er habe insgesamt 18 Berufe ausgeübt, dann versucht die Wiener Ausstellung mit einigem Geschick, den Multivisionär Rudofsky zu zeigen. So wie der Architekt seine Eindrücke von der Welt in Aquarellen, Fotografien und Tagebuchnotizen festhielt, machen die Schau und ihr ganz vorzüglicher Katalog das Werk des Multivisionärs auf sehr unmittelbare Art erlebbar. Die Mode war Bernard Rudofsky eine Fortsetzung der Architektur mit anderen Mitteln. Er hat Stoffe und Kleider entworfen. Und er hatte Mitleid mit unbehausten Füssen. Den strengen Leisten geschlossener Schuhe stellte er die «Bernardo Sandals» gegenüber, die das weitaus edlere Äquivalent moderner Flipflops sind. Lang war der Weg Bernard Rudofskys hinunter in die Geschichte menschlicher Kulturen und wieder herauf bis zur postumen Anerkennung. Es braucht gutes Schuhwerk dafür.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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