Zeitschrift
TEC21 2007|23
Gestaut
Editorial
Talsperren gehören zu den grössten und eindrücklichsten Bauwerken der Neuzeit. Ohne die Möglichkeit, Fliessgewässer zum Zweck der Energiegewinnung und der Wasserspeicherung zu stauen und künstliche Seen zu schaffen, wäre sowohl die industrielle als auch die landwirtschaftliche Entwicklung in den heute wohlhabenden Ländern nicht so erfolgreich verlaufen. Staumauern und -dämme gelten seit Beginn der Industrialisierung als Symbole und Garanten des technischen Fortschritts. Ihre Erstellung war, und ist weiterhin, begleitet von Versprechungen und Erwartungen bezüglich Wohlstand für die Bevölkerung, Schutz vor Überschwemmungen oder Dürren und der Versorgung des Landes mit Wasser und Energie.
Talsperren sind anspruchsvolle Ingenieurbauwerke. Auch deshalb wurden und werden sie gerne als Repräsentanten der Leistungsfähigkeit und überlegenen Technologie von Staaten, Völkern oder Gesellschaftsformen instrumentalisiert. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war mit dem Bau von Stauanlagen häufig ein kolonialer Anspruch verbunden, sowohl bei der forcierten Industrialisierung rückständiger Gegenden im Inland als auch zur Begründung von Machtpositionen in weniger entwickelten Ländern. Beispiele dafür sind aus den 1930er-Jahren die damals gigantischen Flusskraftwerke der Sowjetunion, die den kommunistischen Führungsanspruch untermauern sollten, aber auch die – nicht nur in der Schweiz – mit viel Pathos zu nationalen Monumenten stilisierten ersten grossen Betonstaumauern.
Eines der weltweit anspruchsvollsten und radikalsten wasserwirtschaftlichen Projekte jener Zeit war die Idee des deutschen Architekten Herman Sörgel, das Mittelmeer mittels Dämmen abzusenken. Damit sollte Europa mit Energie versorgt und halb Afrika in ein blühendes Paradies (wahrscheinlich für weisse Siedler) verwandelt werden. Der erste Beitrag stellt dieses heute vergessene, in globalen Dimensionen angelegte koloniale Projekt und seinen unbeirrbaren Initianten vor.
Seit der Entkolonialisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die politische Bedeutung von grossen Stauanlagen gewandelt. Jetzt sind es die Entwicklungs- und Schwellenländer, die mit Projekten der Superlative, oft begleitet von nationalistischen Untertönen, ihre Leistungsfähigkeit demonstrieren und sich unter den industrialisierten Ländern etablieren wollen. Diese Entwicklung, die etwa mit dem ägyptischen Assuan-Projekt eingeleitet wurde, erreicht gegenwärtig mit den gigantomanischen chinesischen Stauanlagen einen Höhepunkt. Gemeinsam ist diesen Projekten, dass ökologische Überlegungen keinen hohen Stellenwert haben und auf die unmittelbar betroffene Bevölkerung wenig Rücksicht genommen wird.
Weniger wegen seiner Grösse als vielmehr wegen der sensiblen politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Wechselwirkungen steht der geplante Ilisu-Staudamm in der Türkei seit Jahren in der Kritik. Drei Beiträge beleuchten verschiedene Aspekte des Projekts und gehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf seine wechselvolle Vorgeschichte, die technischen Komponenten und Kennwerte und die sozialen, ökologischen, politischen und kulturellen Auswirkungen ein.
Aldo Rota
WETTBEWERBE
Raum für schweres Gerät / Platz oder Wiese?
MAGAZIN
«Bahnhöfe» / «Deep Ocean» / Natur tut gut / Ingenieure: gezielte Nachwuchsförderung / Historische Verkehrswege / «Bologna»-Abc / «Ökoquartier» Lausanne /
ATLANTROPA
Katinka Corts
Zwischen Marokko und Gibraltar plante Herman Sörgel in den 1930er-Jahren einen gigantischen Staudamm zur Energiegewinnung für Europa.
UMSTRITTENES PROJEKT
Claudia Carle
Der Ilisu-Staudamm ist Teil eines grossen Infrastrukturprojektes im Südosten der Türkei. Am Bau sind auch vier Schweizer Firmen beteiligt.
STROM AUS DEM TIGRIS
Aldo Rota
Das geplante Wasserkraftwerk Ilisu soll durch Nutzung des grossen Speichervolumens des Stausees saisonunabhängige Spitzenenergie produzieren.
WASSERKRAFT MIT NEBENWIRKUNGEN
Christine Eberlein
Beim Ilisu-Staudamm hält sich die Türkei nur ungenügend an internationale Standards. Auch von alternativen Vorschlägen zum Projekt hält sie wenig.
SIA
Beschaffungswesen - ein Debakel / Die Zentralschweiz auf dem Abstellgleis
PRODUKTE
IMPRESSUM
VERANSTALTUNGEN
Talsperren gehören zu den grössten und eindrücklichsten Bauwerken der Neuzeit. Ohne die Möglichkeit, Fliessgewässer zum Zweck der Energiegewinnung und der Wasserspeicherung zu stauen und künstliche Seen zu schaffen, wäre sowohl die industrielle als auch die landwirtschaftliche Entwicklung in den heute wohlhabenden Ländern nicht so erfolgreich verlaufen. Staumauern und -dämme gelten seit Beginn der Industrialisierung als Symbole und Garanten des technischen Fortschritts. Ihre Erstellung war, und ist weiterhin, begleitet von Versprechungen und Erwartungen bezüglich Wohlstand für die Bevölkerung, Schutz vor Überschwemmungen oder Dürren und der Versorgung des Landes mit Wasser und Energie.
Talsperren sind anspruchsvolle Ingenieurbauwerke. Auch deshalb wurden und werden sie gerne als Repräsentanten der Leistungsfähigkeit und überlegenen Technologie von Staaten, Völkern oder Gesellschaftsformen instrumentalisiert. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war mit dem Bau von Stauanlagen häufig ein kolonialer Anspruch verbunden, sowohl bei der forcierten Industrialisierung rückständiger Gegenden im Inland als auch zur Begründung von Machtpositionen in weniger entwickelten Ländern. Beispiele dafür sind aus den 1930er-Jahren die damals gigantischen Flusskraftwerke der Sowjetunion, die den kommunistischen Führungsanspruch untermauern sollten, aber auch die – nicht nur in der Schweiz – mit viel Pathos zu nationalen Monumenten stilisierten ersten grossen Betonstaumauern.
Eines der weltweit anspruchsvollsten und radikalsten wasserwirtschaftlichen Projekte jener Zeit war die Idee des deutschen Architekten Herman Sörgel, das Mittelmeer mittels Dämmen abzusenken. Damit sollte Europa mit Energie versorgt und halb Afrika in ein blühendes Paradies (wahrscheinlich für weisse Siedler) verwandelt werden. Der erste Beitrag stellt dieses heute vergessene, in globalen Dimensionen angelegte koloniale Projekt und seinen unbeirrbaren Initianten vor.
Seit der Entkolonialisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die politische Bedeutung von grossen Stauanlagen gewandelt. Jetzt sind es die Entwicklungs- und Schwellenländer, die mit Projekten der Superlative, oft begleitet von nationalistischen Untertönen, ihre Leistungsfähigkeit demonstrieren und sich unter den industrialisierten Ländern etablieren wollen. Diese Entwicklung, die etwa mit dem ägyptischen Assuan-Projekt eingeleitet wurde, erreicht gegenwärtig mit den gigantomanischen chinesischen Stauanlagen einen Höhepunkt. Gemeinsam ist diesen Projekten, dass ökologische Überlegungen keinen hohen Stellenwert haben und auf die unmittelbar betroffene Bevölkerung wenig Rücksicht genommen wird.
Weniger wegen seiner Grösse als vielmehr wegen der sensiblen politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Wechselwirkungen steht der geplante Ilisu-Staudamm in der Türkei seit Jahren in der Kritik. Drei Beiträge beleuchten verschiedene Aspekte des Projekts und gehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf seine wechselvolle Vorgeschichte, die technischen Komponenten und Kennwerte und die sozialen, ökologischen, politischen und kulturellen Auswirkungen ein.
Aldo Rota
WETTBEWERBE
Raum für schweres Gerät / Platz oder Wiese?
MAGAZIN
«Bahnhöfe» / «Deep Ocean» / Natur tut gut / Ingenieure: gezielte Nachwuchsförderung / Historische Verkehrswege / «Bologna»-Abc / «Ökoquartier» Lausanne /
ATLANTROPA
Katinka Corts
Zwischen Marokko und Gibraltar plante Herman Sörgel in den 1930er-Jahren einen gigantischen Staudamm zur Energiegewinnung für Europa.
UMSTRITTENES PROJEKT
Claudia Carle
Der Ilisu-Staudamm ist Teil eines grossen Infrastrukturprojektes im Südosten der Türkei. Am Bau sind auch vier Schweizer Firmen beteiligt.
STROM AUS DEM TIGRIS
Aldo Rota
Das geplante Wasserkraftwerk Ilisu soll durch Nutzung des grossen Speichervolumens des Stausees saisonunabhängige Spitzenenergie produzieren.
WASSERKRAFT MIT NEBENWIRKUNGEN
Christine Eberlein
Beim Ilisu-Staudamm hält sich die Türkei nur ungenügend an internationale Standards. Auch von alternativen Vorschlägen zum Projekt hält sie wenig.
SIA
Beschaffungswesen - ein Debakel / Die Zentralschweiz auf dem Abstellgleis
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