Zeitschrift
TEC21 2008|47
Ghost Architecture
«The ghost story is indeed virtually the architectural genre par excellence, wedded as it is to rooms and buildings ineradicably stained with the memory of gruesome events, material structures in which the past literally ‹weighs like a nightmare on the brain of the living›. [...] urban renewal seems everywhere in the process of sanitizing the ancient corridors and bedrooms to which alone a ghost might cling.»[1]
Wenn Kosmologen von Geistern reden, meinen sie Weltmodelle, die physikalisch absurde Dinge prognostizieren. Doch gäbe es ohne die Wissenschaften keine Science-Fiction.[2] Umgekehrt schliesst sich der Kreis zur Fiktion, zur Zeitmaschine von H.G. Wells, wenn Virtual-Reality-Technologie künftige Bauprozesse virtuell vorwegnehmen, sie abbilden, kontrollieren und optimieren kann («Virtuelle Welten»). Rückkoppelung ist auch das Thema der Medientechniker, die in der Oper «Der Jude von Malta» die Vision eines Cyberstaates «verwirklichten», indem sie den Protagonisten mittels Interaktivität zu einem «wandelnden Knoten»[3] machten («Von Geisterhand bewegt»).
1984 erweiterte Philip Johnson sein «gebautes Tagebuch», das 1949 mit dem Glass House seinen Anfang genommen hatte, um das «Ghost House» – einen Maschendrahtverhau über einem Lilienbeet. Das Stahlgerüst evozierte die Urhütte, Frank Gehry widmete Johnson die Maschendrahthülle, und das Lilienbeet mag man als Anspielung auf ein Grab deuten. Die Geister der Menschen, die einst ein vernachlässigtes Viertel in San Francisco bewohnten, beschwor die Performance «Ghost Architecture» herauf, indem ihre zerstörten Wohnungen «nachgebildet» wurden («Geister beschwört»).
2007 gewannen InsiteEnvironments den Wettbewerb für die Aufwertung eines ehemaligen Industrieareals in Sheffield, das von zwei Kühltürmen geprägt wird, die abgerissen werden sollen. InsiteEnvironments möchten die hyperbolischen Konturen der Türme mit einer Stahlgitternetzskulptur nachzeichnen, um das industrielle Erbe Sheffields zu versinnbildlichen. Auf ähnliche Weise wollen Anne Niemann und Johannes Ingrisch eine Kirche, die in der Nordsee versank, verkörperlichen («Versunkene Kirche»).
«The ghost story is indeed virtually the architectural genre par excellence.» Isn’t it?
Rahel Hartmann Schweizer
Anmerkungen
[1] Frederic Jameson, The Brick and the Balloon, S. 187, in: ders., The Cultural Turn – Selected Writing on the Postmodern, 1983–1998. Verso, London/New York, 1998
[2] Michio Kaku: Die Physik des Unmöglichen: Beamer, Phaser, Zeitmaschinen. Rowohlt, 2008, S. 11
[3] Ders., Zukunft svisionen. Wie die Wissenschaft des 21. Jahrhunderts unser Leben revolutionieren wird. Knaur, München, 1998. Kaku beschreibt die Vision von Menschen als wandelnden Knoten in einem weltweiten und allgemein zugänglichen Internet.
05 WETTBEWERBE
Grossratssaal Basel
13 MAGAZIN
Bogen über dem Canale Grande
18 VERSUNKENE KIRCHE
Clementine van Rooden
Die vor gut 200 Jahren im Meer versunkene Kirche in Walton (GB) soll wiederaufgebaut werden – als symbolisches Kunstwerk aus 41 Edelstahlrohren.
22 VIRTUELLE WELTEN
Doris Agotai
Von «Raumschiff Orion» bis zu «Matrix»: Science-Fiction-Szenarios waren stets Projektionsfläche wilder Allmachtsfantasien. Heute steht der Begriff «Virtual Reality» auch für eine Technologie, die zukünftige Bauprozesse virtuell vorwegnehmen
kann.
26 GEISTER BESCHWÖRT
Rahel Hartmann Schweizer
Das Zaccho Dance Theatre in San Francisco hat in der Performance «Ghost Architecture» mit einer Assemblage aus Architekturelementen die Räume evoziert, die einst Biografien bargen, die über 1000 Jahre umfassten.
30 VON GEISTERHAND BEWEGT
Rahel Hartmann Schweizer
Für die Oper «Der Jude von Malta» schufen die Medientechniker mit Infrarotkameras, Leinwänden und Projektoren eine virtuelle Bühnenarchitektur und vernetzten den Protagonisten so mit ihr, dass er sie dirigieren konnte.
34 SIA
Geschäftslage im 3. Quartal 2008 | Präsidentenkonferenz | «L’architecture du cinéma»
39 PRODUKTE
45 IMPRESSUM
46 VERANSTALTUNGEN
Wenn Kosmologen von Geistern reden, meinen sie Weltmodelle, die physikalisch absurde Dinge prognostizieren. Doch gäbe es ohne die Wissenschaften keine Science-Fiction.[2] Umgekehrt schliesst sich der Kreis zur Fiktion, zur Zeitmaschine von H.G. Wells, wenn Virtual-Reality-Technologie künftige Bauprozesse virtuell vorwegnehmen, sie abbilden, kontrollieren und optimieren kann («Virtuelle Welten»). Rückkoppelung ist auch das Thema der Medientechniker, die in der Oper «Der Jude von Malta» die Vision eines Cyberstaates «verwirklichten», indem sie den Protagonisten mittels Interaktivität zu einem «wandelnden Knoten»[3] machten («Von Geisterhand bewegt»).
1984 erweiterte Philip Johnson sein «gebautes Tagebuch», das 1949 mit dem Glass House seinen Anfang genommen hatte, um das «Ghost House» – einen Maschendrahtverhau über einem Lilienbeet. Das Stahlgerüst evozierte die Urhütte, Frank Gehry widmete Johnson die Maschendrahthülle, und das Lilienbeet mag man als Anspielung auf ein Grab deuten. Die Geister der Menschen, die einst ein vernachlässigtes Viertel in San Francisco bewohnten, beschwor die Performance «Ghost Architecture» herauf, indem ihre zerstörten Wohnungen «nachgebildet» wurden («Geister beschwört»).
2007 gewannen InsiteEnvironments den Wettbewerb für die Aufwertung eines ehemaligen Industrieareals in Sheffield, das von zwei Kühltürmen geprägt wird, die abgerissen werden sollen. InsiteEnvironments möchten die hyperbolischen Konturen der Türme mit einer Stahlgitternetzskulptur nachzeichnen, um das industrielle Erbe Sheffields zu versinnbildlichen. Auf ähnliche Weise wollen Anne Niemann und Johannes Ingrisch eine Kirche, die in der Nordsee versank, verkörperlichen («Versunkene Kirche»).
«The ghost story is indeed virtually the architectural genre par excellence.» Isn’t it?
Rahel Hartmann Schweizer
Anmerkungen
[1] Frederic Jameson, The Brick and the Balloon, S. 187, in: ders., The Cultural Turn – Selected Writing on the Postmodern, 1983–1998. Verso, London/New York, 1998
[2] Michio Kaku: Die Physik des Unmöglichen: Beamer, Phaser, Zeitmaschinen. Rowohlt, 2008, S. 11
[3] Ders., Zukunft svisionen. Wie die Wissenschaft des 21. Jahrhunderts unser Leben revolutionieren wird. Knaur, München, 1998. Kaku beschreibt die Vision von Menschen als wandelnden Knoten in einem weltweiten und allgemein zugänglichen Internet.
05 WETTBEWERBE
Grossratssaal Basel
13 MAGAZIN
Bogen über dem Canale Grande
18 VERSUNKENE KIRCHE
Clementine van Rooden
Die vor gut 200 Jahren im Meer versunkene Kirche in Walton (GB) soll wiederaufgebaut werden – als symbolisches Kunstwerk aus 41 Edelstahlrohren.
22 VIRTUELLE WELTEN
Doris Agotai
Von «Raumschiff Orion» bis zu «Matrix»: Science-Fiction-Szenarios waren stets Projektionsfläche wilder Allmachtsfantasien. Heute steht der Begriff «Virtual Reality» auch für eine Technologie, die zukünftige Bauprozesse virtuell vorwegnehmen
kann.
26 GEISTER BESCHWÖRT
Rahel Hartmann Schweizer
Das Zaccho Dance Theatre in San Francisco hat in der Performance «Ghost Architecture» mit einer Assemblage aus Architekturelementen die Räume evoziert, die einst Biografien bargen, die über 1000 Jahre umfassten.
30 VON GEISTERHAND BEWEGT
Rahel Hartmann Schweizer
Für die Oper «Der Jude von Malta» schufen die Medientechniker mit Infrarotkameras, Leinwänden und Projektoren eine virtuelle Bühnenarchitektur und vernetzten den Protagonisten so mit ihr, dass er sie dirigieren konnte.
34 SIA
Geschäftslage im 3. Quartal 2008 | Präsidentenkonferenz | «L’architecture du cinéma»
39 PRODUKTE
45 IMPRESSUM
46 VERANSTALTUNGEN
Weiterführende Links:
Verlags-AG der akademischen technischen Vereine
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