Zeitschrift
tec21 2006|10
Rückbau
Körperhaftes Abwesendes
Rückbau der Kirche Dornbusch, Frankfurt - Wand als Medium der Geschichte
Um mehr als die Hälfte haben Meixner Schlüter Wendt eine Kirche verkleinert. Der neue Raumabschluss wurde zu einer plastisch geformten Wand entwickelt und als ein Medium interpretiert, dem Elemente der Vergangenheit eingeprägt werden. Die Geschichte des Ortes wurde dabei nicht auf ein plattes Abbild reduziert, sondern zu einer neuen architektonischen Qualität geformt.
5. März 2006 - Christian Holl
Der Rückbau der Frankfurter Dornbuschkirche in einer innenstadtnahen Wohnsiedlung lässt sich zunächst einmal pragmatisch beschreiben. Ursprünglich für eine Gemeinde von 12000 Menschen als Teil der neuen Dornbuschsiedlung errichtet und 1962 geweiht, war die Kirche schon lange für die inzwischen auf 3500 Mitglieder zurückgegangene Gemeinde zu gross geworden (Bild 8). Nicht einmal zu Weihnachten oder bei Konfirmationen konnte die evangelische Kirche gefüllt werden. Dass der nüchterne, vom Bauamt des Evangelischen Regionalverbands geplante Bau - Teil eines Gemeindekomplexes aus Kirche, Gemeinde-, Pfarrhaus und Kindertagesstätte - besonders beliebt gewesen sei, lässt sich nicht behaupten.
Dazu kamen die ersten durch Alterung bedingten Bauschäden an Stahlbetonwänden und Flachdach - von der psychologischen Belastung, die von Gottesdiensten vor spärlich besetzten Rängen ausgeht, ganz zu schweigen. Die Gemeinde suchte zunächst nach Interessenten für eine Fremdnutzung - erfolglos. Sie erwog den Abbruch der Kirche und musste nach Protesten in der Presse auch diesen Plan verwerfen. Schliesslich schien der Abbruch, verbunden mit dem Neubau eines kleineren Andachtsraums, einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu bieten. Mit dieser Aufgabe wurden die Frankfurter Architekten Meixner Schlüter Wendt beauftragt. Die allerdings brachten nach Analyse und Planungsstudien eine Alternative aufs Tapet.
Ursprünglich bildete die Dornbuschkirche mit Kindertagesstätte und Gemeindehaus einen U-förmigen Komplex. Meixner Schlüter Wendt schlugen nun vor, den südlichen Teil der Kirche abzureissen und den nördlichen in Verlängerung des angrenzenden Gemeindehauses zu schliessen (Bild 4). Diese plausibel aus der Gebäudekonstellation entwickelte Konzeption fand sofort die Zustimmung der Gemeinde. Die Vorteile lagen auf der Hand: Bei geringen Kosten erhielt man einen Kirchenraum von ansprechender Grösse, der sich bei Bedarf auch zum angrenzenden Gemeindesaal öffnen lässt. Vor allem aber blieb so auch das beliebteste Element der Kirche erhalten, das grosse Buntglasfenster der Ostwand (Bild 1). Geblieben ist auch der Campanile auf dem neu entstandenen, geschützten öffentlichen Platz, der nun für Veranstaltungen genutzt werden kann. Der frühere Altarraum bildet zusammen mit dem Chor nun das Kirchenschiff, der neue, mobile Altar ermöglicht eine variable Raumaufteilung und -orientierung.
Mehrdeutige Referenzräume
Mit der Art der Behandlung des Platzes vor der neuen Südwand der von 570 auf 260 m² verkleinerten Kirche verdichten und transformieren Meixner Schlüter Wendt geschichtliche und alltäglich Spuren zu einem polyvalenten Referenzraum. Die asphaltierte Fläche entspricht der Grundfläche der Kirche, wie sie hier stand, bevor sie rückgebaut wurde. Die Zeichnungen auf dem Boden zeigen an, wo früher Kirchenbänke standen, wo der Eingang lag, wo eine Wendeltreppe auf die Empore führte. Hier sind Gottesdienste im Freien möglich. In Form und Farbgebung hat die Zeichnung auf dem Boden aber den Charakter von Verkehrszeichen auf Strassen oder von Markierungen auf Sportfeldern - der neue öffentliche Platz, seine profane Inanspruchnahme und seine Geschichte werden einander überlagert (siehe Titelbild). Die Zeichen drücken Geschichte und neu geschaffene Qualität aus. Die inzwischen dazugekommenen Schleifspuren der Skater sind den Architekten daher auch höchst willkommen, denn sie verstärken genau diesen ambivalenten Charakter des Ortes.
Die wichtigste Entwurfsentscheidung aber galt der neuen, sowohl Kirchen- als auch Platzraum abschliessenden Wand. Sie ist die entscheidende, prägende Intervention. Der mehrfach codierten Platzfläche fügt sie eine weitere Ebene der Polyvalenz hinzu, die nach innen und nach aussen lesbar wird (Bilder 4-6). Der neue Raumabschluss ist durch die von beiden Seiten an die Wand herangeführten Elemente der alten Kirche gestaltet, die sich ihr wie einer weichen Masse eingeprägt haben und als Abdruck auf der jeweils anderen Seite wieder auftreten (Bild 5). Altar, Taufbecken und Orgelempore mit Tragkonstruktion sind in einem plas-tischen Relief vereint.
Hülle und Form
Meixner Schlüter Wendt beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit dem Verhältnis von positivem zu negativem Raum. In Umkehrdarstellungen werden an einfachen, alltäglichen und überschaubaren ebenso wie an komplexen städtischen Situationen Räume als Volumen sichtbar gemacht und als skulpturale Figur interpretiert. Diese Sichtweise wird auf die konkreten Projekte übertragen: Beim Wohnhaus Wohlfahrt-Laymann in Oberursel (Taunus) beispielsweise wurde einem Haus aus den 1930er-Jahren eine neue, kubische Hülle übergestülpt, die aus einem ehemaligen Freiraum nun einen genau begrenzten Innenraum macht. In die entstandenen Zwischen- und Resträume ragen Erweiterungen des ursprünglichen Hauses als neue Volumen hinein und erschliessen neue Raumpotenziale.
Für die Dornbuschkirche liessen sich die Architekten durch Stanz- und Prägeformen von Verpackungen anregen, die die Form des darin Eingepackten als Negativform zeigen und als positives Volumen nach aussen abdrücken. Dieses Abbilden eines Abwesenden haben sie auf die Wand der Kirche übertragen: Was sich von der einen Seite in das Volumen der 2 m tiefen Mauer eingräbt, wird auf der anderen als ausgestülpte Form sichtbar. Die zerstörten und verschwundenen Teile der Kirche bleiben so als sie umspannende Hülle erhalten. Vor allem im Innern wird das Negativvolumen der ehemaligen Empore durch das Oberlicht zu einem Lichtraum, der nicht nur auf die Geschichte des Rückgebauten, sondern auch auf die durch den Glauben sichtbare Gottesanwesenheit jenseits der durch Erfahrung fassbaren Wirklichkeit weist. Auch von aussen kann gezielt beleuchtet und die Plastizität der Fassade bei Dunkelheit hervorgehoben werden.
Die Wand, eine Mischkonstruktion aus Mauerwerk und Stahlbeton, wurde innen wie aussen ebenso wie die gegenüberliegende Nordwand verputzt und seidengrau gestrichen. Die Gegenständlichkeit der eingeprägten und verschwundenen Relikte wird dadurch abstrahiert und in der Gesamtheit als neue Raumfigur lesbar, die eine eigene Qualität auch für den bekommt, der nicht von der Herkunft der sie zusammensetzenden Formen weiss. Gegenständlichkeit und Abstraktion werden in einen rätselhaften Schwebezustand versetzt, der auf das Verschwinden der sichtbar gemachten Elemente durch den Prozess des Rückbaus verweist.
Der warm-dunkle Boden aus geräuchertem Eichenparkett verbindet sich mit der dunklen Wand zum Gemeindehaus und der dunklen Unterseite der Decke zu einem den Kirchenraum einhüllenden und das Glasfenster einfassenden Band. Es definiert einen schützenden Raum, der sich dem Licht öffnet.
Mauer und Wand
Zur Ambivalenz zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, Schutz und Öffnung, Anwesenheit als positives und Abwesenheit als negatives Volumen kommt eine weitere Doppeldeutigkeit: die von Mauer und Wand - die Mauer als ein festes, körperhaftes Volumen, die Wand hingegen als Grenze und Schirm. Genauer gesagt, macht diese Ambivalenz erst die anderen möglich. Und auch sie wurde in Studien und anderen Arbeiten des Büros bereits mehrmals untersucht.
In einer Installation beispielsweise wurden die Volumina von Gegenständen lediglich als Linien dargestellt, zwischen denen sich die Grenze nur noch als imaginäre Fläche spannt. Nur die Kenntnis der Formen macht die Wahrnehmung der Raumgrenzen möglich, und so kann auf deren Wesen als materienlose Oberfläche verwiesen werden, gleichzeitig werden aber auch andere Körper als die der ursprünglichen Ausgangskomposition vorstellbar. Auch hierzu soll anhand eines Beispiels gezeigt werden, wie diese Studien Eingang in die architektonische Praxis gefunden haben. Im Wohnhaus Schlüter in Karlsruhe wurde ein Teil des dem Haus zugeordneten Freiraums als aus einem kubischen Gesamtvolumen ausgeschnittener Raum zusätzlich dadurch lesbar gemacht, dass die Aussenhülle des Gesamtvolumens dunkel, die Aussenflächen des aus diesem Körper herausgeschnittenen Volumens aber in Weiss gestrichen wurden. So verstärkt die Farbe wie eine dünne Haut die Struktur der Volumen.
Zurück zur Dornbuschkirche. Hier ist die den Raum definierende Grenzfläche der Wand auch die Grenze zu den imaginär eingehüllten, verlorenen Teilen der Kirche. Erst durch diesen Charakter der Wand als Haut können sie gleichzeitig dargestellt und abwesend präsent sein. Dazu trägt nicht unwesentlich das helle Grau bei, das die Materialität des Volumens, seine Konstruktion und Tiefe verbirgt. Doch dieser Charakter der Wand als Haut wird durch das massiv scheinende, ausgestülpte Volumen wieder aufgehoben. Körperhaftigkeit der Mauer und einhüllende Grenzfläche der Wand treten in ein Wechselspiel, durch das erst das Changieren zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit möglich wird.
Der Prozess des Rückbaus wurde auf diesen nun 2 m tiefen Volumenraum der neuen Fassaden verdichtet, ohne sich in der Erzählung von Verschwundenem zu erschöpfen. Der Rückbau wurde als Ausgangspunkt der Transformation wertvoll gemacht und damit seiner erniedrigenden Wirkung als Ausdruck des Niedergangs und Verlustes ins Versöhnliche - eben ins Positive - gewendet.
Dazu kamen die ersten durch Alterung bedingten Bauschäden an Stahlbetonwänden und Flachdach - von der psychologischen Belastung, die von Gottesdiensten vor spärlich besetzten Rängen ausgeht, ganz zu schweigen. Die Gemeinde suchte zunächst nach Interessenten für eine Fremdnutzung - erfolglos. Sie erwog den Abbruch der Kirche und musste nach Protesten in der Presse auch diesen Plan verwerfen. Schliesslich schien der Abbruch, verbunden mit dem Neubau eines kleineren Andachtsraums, einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu bieten. Mit dieser Aufgabe wurden die Frankfurter Architekten Meixner Schlüter Wendt beauftragt. Die allerdings brachten nach Analyse und Planungsstudien eine Alternative aufs Tapet.
Ursprünglich bildete die Dornbuschkirche mit Kindertagesstätte und Gemeindehaus einen U-förmigen Komplex. Meixner Schlüter Wendt schlugen nun vor, den südlichen Teil der Kirche abzureissen und den nördlichen in Verlängerung des angrenzenden Gemeindehauses zu schliessen (Bild 4). Diese plausibel aus der Gebäudekonstellation entwickelte Konzeption fand sofort die Zustimmung der Gemeinde. Die Vorteile lagen auf der Hand: Bei geringen Kosten erhielt man einen Kirchenraum von ansprechender Grösse, der sich bei Bedarf auch zum angrenzenden Gemeindesaal öffnen lässt. Vor allem aber blieb so auch das beliebteste Element der Kirche erhalten, das grosse Buntglasfenster der Ostwand (Bild 1). Geblieben ist auch der Campanile auf dem neu entstandenen, geschützten öffentlichen Platz, der nun für Veranstaltungen genutzt werden kann. Der frühere Altarraum bildet zusammen mit dem Chor nun das Kirchenschiff, der neue, mobile Altar ermöglicht eine variable Raumaufteilung und -orientierung.
Mehrdeutige Referenzräume
Mit der Art der Behandlung des Platzes vor der neuen Südwand der von 570 auf 260 m² verkleinerten Kirche verdichten und transformieren Meixner Schlüter Wendt geschichtliche und alltäglich Spuren zu einem polyvalenten Referenzraum. Die asphaltierte Fläche entspricht der Grundfläche der Kirche, wie sie hier stand, bevor sie rückgebaut wurde. Die Zeichnungen auf dem Boden zeigen an, wo früher Kirchenbänke standen, wo der Eingang lag, wo eine Wendeltreppe auf die Empore führte. Hier sind Gottesdienste im Freien möglich. In Form und Farbgebung hat die Zeichnung auf dem Boden aber den Charakter von Verkehrszeichen auf Strassen oder von Markierungen auf Sportfeldern - der neue öffentliche Platz, seine profane Inanspruchnahme und seine Geschichte werden einander überlagert (siehe Titelbild). Die Zeichen drücken Geschichte und neu geschaffene Qualität aus. Die inzwischen dazugekommenen Schleifspuren der Skater sind den Architekten daher auch höchst willkommen, denn sie verstärken genau diesen ambivalenten Charakter des Ortes.
Die wichtigste Entwurfsentscheidung aber galt der neuen, sowohl Kirchen- als auch Platzraum abschliessenden Wand. Sie ist die entscheidende, prägende Intervention. Der mehrfach codierten Platzfläche fügt sie eine weitere Ebene der Polyvalenz hinzu, die nach innen und nach aussen lesbar wird (Bilder 4-6). Der neue Raumabschluss ist durch die von beiden Seiten an die Wand herangeführten Elemente der alten Kirche gestaltet, die sich ihr wie einer weichen Masse eingeprägt haben und als Abdruck auf der jeweils anderen Seite wieder auftreten (Bild 5). Altar, Taufbecken und Orgelempore mit Tragkonstruktion sind in einem plas-tischen Relief vereint.
Hülle und Form
Meixner Schlüter Wendt beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit dem Verhältnis von positivem zu negativem Raum. In Umkehrdarstellungen werden an einfachen, alltäglichen und überschaubaren ebenso wie an komplexen städtischen Situationen Räume als Volumen sichtbar gemacht und als skulpturale Figur interpretiert. Diese Sichtweise wird auf die konkreten Projekte übertragen: Beim Wohnhaus Wohlfahrt-Laymann in Oberursel (Taunus) beispielsweise wurde einem Haus aus den 1930er-Jahren eine neue, kubische Hülle übergestülpt, die aus einem ehemaligen Freiraum nun einen genau begrenzten Innenraum macht. In die entstandenen Zwischen- und Resträume ragen Erweiterungen des ursprünglichen Hauses als neue Volumen hinein und erschliessen neue Raumpotenziale.
Für die Dornbuschkirche liessen sich die Architekten durch Stanz- und Prägeformen von Verpackungen anregen, die die Form des darin Eingepackten als Negativform zeigen und als positives Volumen nach aussen abdrücken. Dieses Abbilden eines Abwesenden haben sie auf die Wand der Kirche übertragen: Was sich von der einen Seite in das Volumen der 2 m tiefen Mauer eingräbt, wird auf der anderen als ausgestülpte Form sichtbar. Die zerstörten und verschwundenen Teile der Kirche bleiben so als sie umspannende Hülle erhalten. Vor allem im Innern wird das Negativvolumen der ehemaligen Empore durch das Oberlicht zu einem Lichtraum, der nicht nur auf die Geschichte des Rückgebauten, sondern auch auf die durch den Glauben sichtbare Gottesanwesenheit jenseits der durch Erfahrung fassbaren Wirklichkeit weist. Auch von aussen kann gezielt beleuchtet und die Plastizität der Fassade bei Dunkelheit hervorgehoben werden.
Die Wand, eine Mischkonstruktion aus Mauerwerk und Stahlbeton, wurde innen wie aussen ebenso wie die gegenüberliegende Nordwand verputzt und seidengrau gestrichen. Die Gegenständlichkeit der eingeprägten und verschwundenen Relikte wird dadurch abstrahiert und in der Gesamtheit als neue Raumfigur lesbar, die eine eigene Qualität auch für den bekommt, der nicht von der Herkunft der sie zusammensetzenden Formen weiss. Gegenständlichkeit und Abstraktion werden in einen rätselhaften Schwebezustand versetzt, der auf das Verschwinden der sichtbar gemachten Elemente durch den Prozess des Rückbaus verweist.
Der warm-dunkle Boden aus geräuchertem Eichenparkett verbindet sich mit der dunklen Wand zum Gemeindehaus und der dunklen Unterseite der Decke zu einem den Kirchenraum einhüllenden und das Glasfenster einfassenden Band. Es definiert einen schützenden Raum, der sich dem Licht öffnet.
Mauer und Wand
Zur Ambivalenz zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, Schutz und Öffnung, Anwesenheit als positives und Abwesenheit als negatives Volumen kommt eine weitere Doppeldeutigkeit: die von Mauer und Wand - die Mauer als ein festes, körperhaftes Volumen, die Wand hingegen als Grenze und Schirm. Genauer gesagt, macht diese Ambivalenz erst die anderen möglich. Und auch sie wurde in Studien und anderen Arbeiten des Büros bereits mehrmals untersucht.
In einer Installation beispielsweise wurden die Volumina von Gegenständen lediglich als Linien dargestellt, zwischen denen sich die Grenze nur noch als imaginäre Fläche spannt. Nur die Kenntnis der Formen macht die Wahrnehmung der Raumgrenzen möglich, und so kann auf deren Wesen als materienlose Oberfläche verwiesen werden, gleichzeitig werden aber auch andere Körper als die der ursprünglichen Ausgangskomposition vorstellbar. Auch hierzu soll anhand eines Beispiels gezeigt werden, wie diese Studien Eingang in die architektonische Praxis gefunden haben. Im Wohnhaus Schlüter in Karlsruhe wurde ein Teil des dem Haus zugeordneten Freiraums als aus einem kubischen Gesamtvolumen ausgeschnittener Raum zusätzlich dadurch lesbar gemacht, dass die Aussenhülle des Gesamtvolumens dunkel, die Aussenflächen des aus diesem Körper herausgeschnittenen Volumens aber in Weiss gestrichen wurden. So verstärkt die Farbe wie eine dünne Haut die Struktur der Volumen.
Zurück zur Dornbuschkirche. Hier ist die den Raum definierende Grenzfläche der Wand auch die Grenze zu den imaginär eingehüllten, verlorenen Teilen der Kirche. Erst durch diesen Charakter der Wand als Haut können sie gleichzeitig dargestellt und abwesend präsent sein. Dazu trägt nicht unwesentlich das helle Grau bei, das die Materialität des Volumens, seine Konstruktion und Tiefe verbirgt. Doch dieser Charakter der Wand als Haut wird durch das massiv scheinende, ausgestülpte Volumen wieder aufgehoben. Körperhaftigkeit der Mauer und einhüllende Grenzfläche der Wand treten in ein Wechselspiel, durch das erst das Changieren zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit möglich wird.
Der Prozess des Rückbaus wurde auf diesen nun 2 m tiefen Volumenraum der neuen Fassaden verdichtet, ohne sich in der Erzählung von Verschwundenem zu erschöpfen. Der Rückbau wurde als Ausgangspunkt der Transformation wertvoll gemacht und damit seiner erniedrigenden Wirkung als Ausdruck des Niedergangs und Verlustes ins Versöhnliche - eben ins Positive - gewendet.
Für den Beitrag verantwortlich: TEC21
Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Solt