Zeitschrift

TEC21 2009|13
Non-Finito
TEC21 2009|13
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Das Unfertige schlägt die Menschen seit Jahrhunderten in ihren Bann. Die sogenannten Boboli-Sklaven, die Michelangelo zwischen 1530 und 1534 für das Grabmal Papst Julius’ II. schuf, sind das berühmteste Beispiel eines Non-Finito in der Kunstgeschichte. Die nur teilweise aus den Marmorblöcken herausgehauenen bzw. in dem Stein halb gefangenen Skulpturen faszinieren, weil der Künstler es meisterhaft verstand, die Kraftanstrengung einzufangen, mit der die Figuren sich dem Stein zu entwinden suchen. Im Unfertigen vollendet sich erst die Symbolik des im steinernen Gefängnis der Welt schmachtenden Menschen.

Das wohl berühmteste, aus Prinzip unvollendete Werk der Moderne war Kurt Schwitters’ Merzbau. Seit 1923 mit ihm befasst, wurde er zu seinem Lebenswerk. Dreimal begann er mit dem Bau von Neuem. Das Urgebilde von Hannover wurde 1943 bei einem Luftangriff der AIliierten zerstört, der 1937 im norwegischen Exil errichtete Nachfolgerbau wurde 1951 ein Raub der Flammen. Nur die 1947 in England in Angriff genommene Fassung überdauerte die Zeit – unvollendet, nicht nur, weil Schwitters während der Arbeit daran starb. Vielmehr war der Merzbau darauf angelegt, immer weiter zu wachsen und sich zu verändern.

Dieses Heft dokumentiert Bauten, die auf die eine oder andere Art Non-Finiti sind. Dass das Hotel in «Zwischensaison» wirkt, als hätte es die Zeit unbeschadet überdauert, verdankt es gerade der Tatsache, dass es sich ständig verändert, dass mit immer wieder neuen stilistischen Mitteln Räume kreiert werden, die sich auf dem Sediment der bestehenden «ablagern» und sich so Zeitschicht über Zeitschicht legt.

Im Gegensatz dazu entstehen die «mobilen, kreativen Nischen» aus den immer gleichen Modulen, die sich aber zu fast beliebigen «Formen» komponieren und theoretisch unendlich vervielfältigen lassen.

Die Interventionen, die in «Von ‹Trash› zu ‹Treasure›» beschrieben werden, sind in mehrfacher Hinsicht unfertig. Die Abbruchmaterialien, aus denen sie bestehen, sind qua Recycling per se unfertig. Den Bau, dem sie entstammen, gibt es nicht mehr. Gesammelt und zu einem Haufen geworfen, harren sie einer neuen Bestimmung: den Performances auf Zeit der beiden Künstler. Diese finden an Orten statt, deren non-finiter Charakter durch die Interventionen und ihr Verschwinden erst sichtbar wird.
Rahel Hartmann Schweizer

05 WETTBEWERBE
Offener oder selektiver Wettbewerb? | Ingenieure gestalten die Schweiz

11 MAGAZIN
Mid-Century-Gärten in Kalifornien | Mit der Klimaerwärmung leben? | Weiterbauenmodular und in Etappen | E-Waste als Marktchance in Afrika | Weissenstein-Seilbahn erhalten?

22 ZWISCHENSAISON
Hansjörg Gadient
Mit zwei Gästen wurde 1908 das Waldhaus in Sils-Maria in Betrieb genommen. Nach 16 Jahren erfuhr es den ersten Umbau. Seither ist die Zwischensaison Bausaison und das Non-Finito der Normalzustand in einem Haus, das für seine Gäste ewig unverändert erscheint.

28 MOBILE KREATIVE NISCHEN
Andreas Hofer
Das kreative Gewerbe findet immer weniger Platz in der Stadt, zu deren Boom es beigetragen hat. In Zürich sollen Container letzte Nischen für Kreative nutzen.

32 VON «TRASH» ZU «TREASURE»
Christian Holl
Mit Interventionen im öffentlichen Raum macht das Künstlerduo Köbberling Kaltwasser aufmerksam auf Potenziale, die durch die Dominanz ökonomischer Logik zurückgedrängt werden. Auch das von ihnen dabei verwendete Material zeigt, wie viel in der Stadt ungenutzt bleibt.

38 SIA
Was Tante Emma noch wusste | Zeichnerberufe: Geoinformatik

42 PRODUKTE

53 IMPRESSUM

54 VERANSTALTUNGEN

teilen auf

Weiterführende Links:
Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

Tools: